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KN: Für Jicha ist Köln eine feste Größe im Terminkalender

Champions League

KN: Für Jicha ist Köln eine feste Größe im Terminkalender

Rechtzeitig zum Saisonfinale meldet sich der Kapitän auf der Brücke des Handballmeisters zurück. Filip Jicha bewahrte den THW Kiel am vorvergangenen Mittwoch beim mühsamen 24:23-Heimsieg gegen Kellerkind GWD Minden davor, die Trümpfe im Kopf-an-Kopf-Rennen mit den Rhein-Neckar Löwen um die Meisterschaft noch einmal aus der Hand zu geben. Spätestens im Viertelfinale der Champions League hatte der 33-Jährige wieder gezeigt, wozu er in der Lage ist. In den intensiven Spielen gegen den starken ungarischen Vizemeister Pick Szeged wurde er zur Schlüsselfigur. "Wir haben endlich wieder den alten Jicha gesehen", lobte ein erleichterter Trainer Alfred Gislason damals seinen Kapitän.

Kapitän des Handballmeisters erlebte Champions-League-Sieg 2010 als "Befreiung"

Jicha blickte bis dahin auf eine verkorkste Saison zurück, die ihren Ursprung in der vergangenen hatte. Sein angeschlagenes Sprunggelenk bettelte in der Schlussphase der Spielzeit 2013/14 um eine Pause. Doch die angespannte Personallage machte das unmöglich. Zudem galt es, einen 23-Tore-Rückstand auf die Löwen in den letzten fünf Punktspielen aufzuholen. Jicha biss die Zähne zusammen, spielte auf einem unmenschlichen Niveau, aber sein Sprunggelenk verzieh es ihm nicht, dass er auf dessen Kosten am Ende erneut Meister geworden war. "Es hat fast ein Jahr gedauert, ehe ich es wieder voll belasten konnte", sagt Kiels Sportler des Jahres, der spätestens bei der Weltmeisterschaft in Katar im Januar dieses Jahres ernsthaft daran zweifelte, jemals wieder auf sein Niveau zurückkehren zu können. "Ich war damals überhaupt nicht zufrieden mit meiner Leistung", erinnert sich der Kapitän der tschechischen Nationalmannschaft, die in der Wüste lediglich den enttäuschenden 17. Platz belegte und sich in Galgenhumor flüchtete, als sie in Prag den Verlierer-Cup (Presidents-Cup) überschwänglich feierte. "In Doha kam mir zum ersten Mal der Gedanke, dass es das vielleicht mit meiner Karriere gewesen ist." Ein Gedanke, der ihn schreckte, schließlich will einer wie er, der mit Kiel in acht Jahren bislang große 13 Titel gewann, auf dem Zenit seiner Schaffenskraft abtreten. Inzwischen hat er wieder das Gefühl, der Zebraherde den Kopf aufsetzen zu können. "Ich liebe Kiel und diese Rolle im Verein." Sein Vertrag läuft im Juni 2016 aus, allerdings beinhaltet er eine Option, die es ihm ermöglicht, um ein weiteres Jahr zu verlängern. "Ich werde im Sommer über meine Zukunft entscheiden", sagte Jicha, der sich offenbar auch vorstellen kann, über das Jahr 2017 hinaus ein Zebra zu bleiben. Köln ist für ihn ein besonderer Ort. Seinen ersten Triumph in der Champions League im Mai 2010 erlebte er als "Befreiung". Als Tscheche weiß er, dass er bei großen Turnieren keine Medaille gewinnen kann. Platz acht bei der EM in Österreich im Jahr 2000 war für sein Land bereits eine gefühlte Goldmedaille. Deshalb ist für ihn ein Sieg beim Final4 der wichtigste internationale Titel, den er gewinnen kann. Den Moment, als sich das Team nach dem dramatischen Finale gegen den FC Barcelona (36:34) in der Kabine versammelte, werde er nie vergessen. "Für diese Augenblicke lebt man als Leistungssportler." Präsent sind auch die Erinnerungen an den Triumph zwei Jahre später, als er nach dem Finalsieg gegen Atletico Madrid dazu bestimmt wurde, zur Dopingkontrolle zu gehen - während die Kollegen bereits feierten. "Ich war anschließend für eine halbe Stunde allein im Hotelzimmer. Diese Minuten waren auch besonders", sagt der Welthandballer des Jahres 2010. "Ich war zwar unglaublich müde, aber auch unwahrscheinlich zufrieden." Nach diesen Augenblicken der Besinnung schloss er sich der Partymeute an. In Köln wird nun zum sechsten Mal das Final4 ausgespielt, Jicha wird mit seinem THW zum fünften Mal dabei sein und ist mit 51 Toren der Rekordschütze der Veranstaltung. Trotz einer schmerzhaften Schambeinentzündung, die ihn seit knapp zwei Monaten plagt, freut er sich aus den folgenden fünf Gründen (siehe unten) ganz besonders auf das Wochenende am Rhein.

Jicha freut sich auf ...

Ziel erreicht – Es ist eines unserer Saisonziele, das Final4 zu erreichen und darum geht es ja, die gesteckten Ziele auch zu erreichen. Als Spieler des THW habe ich das Glück, dass das auch realistisch ist. Deshalb empfinde ich gerade eine große Zufriedenheit. In Köln messen sich die besten Handballer der Welt, da möchte ich dabei sein. Kulisse – Die ist gigantisch. In Kiel ist die Unterstützung auch unglaublich, das ist klar. Aber vier Fankurven in jeder Ecke, knapp 20 000 Leute in der Arena – das ist einfach einmalig. Die Veranstaltung ist sehr professionell und eine sehr gute Werbung für unseren Sport. Sollte ich mich nicht mehr als Spieler qualifizieren, werde ich, wie viele Kollegen, eine Lösung finden, doch in irgendeiner Funktion dabei sein zu können. Wetter –  Ich freue mich auch die Stadt. In meiner Wahrnehmung ist zum Zeitpunkt des Turniers dort immer Sommer und die Vorfreude auf den bevorstehenden Urlaub beginnt. Im vergangenen Jahr hatten wir in Köln die letzte Trainingseinheit der Saison, das war ein spezieller Moment. In Köln wird mir immer klar, was wir bislang erreicht haben, aber auch, dass die Saison bald vorbei ist. Endlich. Familie – Für uns ist es ein Familienfest. Meine Frau Hana wird mit unseren beiden Kindern da sein, meine Eltern kommen aus Pilsen. Unsere Tochter Valeria fragt das ganze Jahr danach, wann wir endlich nach Köln fahren, weil sie dort auch immer Oma und Opa trifft. Ich qualifiziere mich auch so gerne für das Final4, weil ich Angst davor habe, ihr sagen zu müssen, dass wir diesmal nicht fahren. Wiedersehen – Köln ist ein Ort des Wiedersehens. Ich freue mich darauf, mit Nikola Karabatic, "Goggi" Sigurdsson, Christian Zeitz und Momir Ilic bei einer Tasse Kaffee zu quatschen. Sie haben in ihrer Zeit in Kiel eine herausragende Rolle gespielt und überragend in das Gefüge gepasst. Mit Momir habe ich mir vier Jahre lang das Zimmer geteilt, er ist ein Freund geworden. Genau wie Nikola, der ein ganz besonderer Spieler und Mensch ist.  (Von Wolf Paarmann, aus den Kieler Nachrichten vom  27.05.2015)