Champions League
VELUX EHF CL: Dramatischer Sieg in Plock
CL, Gruppe B, 1. Spieltag: 22.09.2013, So., 17.00: Orlen Wisla Plock - THW Kiel: 33:34 (14:14)
Update #2: KN-Artikel und Stimmen ergänzt ...
Der totale Handball-Wahnsinn geht weiter: Auch zum Kieler Auftakt in der Gruppenphase der "VELUX EHF Champions League" beim polnischen Vizemeister Orlen Wisla Plock entwickelte sich eine umkämpfte Partie, die den letzten Bundesliga-Heimsiegen gegen Gummersbach und Wetzlar an Dramatik in nichts nachstand. Wieder war es Filip Jicha, der mit seinem achten Treffer wenige Sekunden vor der Schlusssirene den glücklichen, aber nicht unverdienten 34:33 (14:14)-Erfolg für den THW Kiel sicherstellte.
THW ohne Zeitz
Alfred Gislason musste in der nicht ganz ausverkauften Orlen-Arena in Plock auf Linkshänder Christian Zeitz verzichten. Der 32-Jährige laboriert an einer Bronchitis und trat die Reise nach Polen erst gar nicht mit an. Doch auch Plocks Trainer Manolo Cadenas hatte einen personellen Engpass zu beklagen: Neben Abwehrstratege Kamil Syprzak fielen mit Adam Wisniewski und Ivan Nikcevic gleich beide etatmäßigen Linksaußen beim polnischen Vizemeister aus. Der bosnische Rückraumspieler Ivan Milas half auf der Position aus und machte seine Sache sehr gut.
Fehlstart der "Zebras"
Die über 5.000 Fans in der schmucken Orlen-Arena veranstalteten schon beim Einmarsch der Mannschaften einen Höllenlärm. Und als Macin Lijewski den ersten langen Angriff der Gastgeber bei angezeigtem Zeitspiel erfolgreich abschloss, bebte die Halle. Der THW Kiel schien ein bisschen beeindruckt von der Atmosphäre, Jicha traf mit seinem ersten Versuch nur den Pfosten, Toft Hansen scheiterte an Torhüter Sego, und dem nervösen Lauge unterliefen Anspielfehler. Die "Ölmänner" nutzten dies aus und zogen durch Treffer von Milas und Ghionea auf 3:0 davon. Hätte Johan Sjöstrand nicht noch einen Gegenstoß Ghioneas pariert - Plock wäre sogar bereits auf 4:0 enteilt. So aber war es vor allem dem schwedischen Neuzugang zu verdanken, der nun mit weiteren Paraden aufwartete, dass der THW langsam in die Partie fand. Sigurdsson gelang nach Ballgewinn in der Abwehr per Konter der erste Kieler Treffer, Sprenger legte nach klugem Anspiel Jichas nach. Doch als sich Mariusz Jurkiewicz dann zum 4:2 durchtankte und sich Lauge dabei eine Zeitstrafe abholte, zog Plock durch einen Schlagwurf Lijewskis, eine Sego-Parade gegen Sigurdsson und der postwendenden Antwort durch den auch im Angriff auffälligen Jurkiewicz wieder auf 6:2 davon. Es waren noch keine elf Minuten gespielt, als Alfred Gislason seine erste Auszeit nahm.
Kiel startet Aufholjagd
Mittlerweile war Aron Palmarsson in die Partie gekommen, und mit ihm wurde das Kieler Angriffsspiel langsam sicherer. Zwar beantwortete Kurkiewicz Jichas Treffer postwendend zum 7:3, doch der THW zeigte nun, dass er in der Partie angekommen war: Erneut Jicha und der von Vujin am Kreis glänzend in Szene gesetzte Sprenger verkürzten auf 5:7. Und nachdem Eklemovic per Schlagwurf wieder erhöhte, zeigte Aron Palmarsson seine Klasse: Zunächst sorgte der Isländer persönlich für das 6:8, dann legte er für Landsmann Sigurdsson sowie den im ersten Durchgang in der Abwehr von Patrick Wiencek ersetzten Vujin auf. In der 19. Spielminute hatten die "Zebras" den Fehlstart wettgemacht und erstmals ausgeglichen.
Mit Remis in die Pause
Die Kieler ließen sich nun auch nicht mehr von einer Zeitstrafe gegen Toft Hansen aus dem Konzept bringen: In Unterzahl ging der THW durch einen Wiencek-Gegenstoß und den zweiten Palmarsson-Treffer sogar mit 10:9 in Führung. Als wenige Minuten später Marko Vujin einen Siebenmeter sicher verwandelte und Palmarsson Jicha zum 12:10 für den THW bediente, schienen die "Zebras" die Partie langsam in den Griff zu bekommen. Doch weit gefehlt: Dieses 12:10 sollte die einzige Zwei-Tore-Führung für die Kieler in der gesamten Partie bleiben. Vielmehr kochte die Orlen-Arena nur zwei Minuten später, als Milas, Nenadic und Jurkiewicz mit ihren Treffern die Partie wieder drehten und zusätzlich Patrick Wiencek für zwei Minuten auf die Bank musste. Glücklicherweise spielten die Gäste an diesem späten Sonntagnachmittag immer ihren erfolgreichsten Handball, wenn sie in Unterzahl agierten, so dass es nach einem fantastischen Heber Sigurdssons vom Kreis aus halbrechter Position sowie einem unnachahmlichen Jicha-Dreher zumindest noch mit einem 14:14-Unentschieden in die Kabinen ging.
Erneuter Kieler Felstart
War schon die erste Halbzeit kein wahrer Gaumenschmaus für Liebhaber von schönen Ballstafetten, so entwickelte sich nach Wiederanpfiff eine noch umkämpftere und damit auch noch zerfahrenere Partie. Zunächst besaßen dabei die Gastgeber wieder die besseren Karten, weil dem THW allein in der ersten Spielminute drei haarsträubende technische Fehler unterliefen, die Milas und Toromanovic zum 16:14 ausnutzten. Auch danach wurde es nicht viel besser bei den "Zebras", denn nach Vujins Anschluss erhöhten der starke Toromanovic und Jurkiewicz gar auf 18:15. Die Führung hätte gar noch höher ausfallen können, hätte Sjöstrand nicht einen Konter Nenadics pariert und Palmarsson einen weiten Pass der Polen abgefangen.
Fehlerfestival
Alfred Gislason reagierte und stellte von der 6:0- auf die offensive 3:2:1-Deckung mit Wael Jallouz auf der Spitze um. Nun lahmte auch das Angriffsspiel der Gastgeber zusehends, als Folge sahen die Zuschauer nun ein Fehlerfestival auf beiden Seiten, bei dem der THW aber immerhin durch Jicha, Sprenger und Sigurdsson wieder zum Ausgleich kam.
THW legt vor
Nachdem Toromanovic die "Ölmänner" noch einmal mit 19:18 in Front geworfen hatte, gelang dem von der hart anfassenden Abwehr Plocks gezeichnete Toft Hansen im Nachfassen der wichtige Treffer zum 19:19-Ausgleich. Aber die Kieler bedarften erst einer erneuten Unterzahl-Situation - diesmal musste Jallouz auf die Bank - um selbst wieder in Führung zu gehen: Nach einem abgeblockten Lijewski-Wurf war es Christian Sprenger, der das 20:19 erzielte. Es war der endgültige Auftakt zu einer Phase, in der die Abwehrreihen und die Torhüter nurmehr zu Statisten degradiert wurden. Die "Zebras" konnten sich im Angriff zwar auf den bärenstarken Aron Palmarsson verlassen und zeigten auch ihr spielerisches Potential: klasse, wie Filip Jicha den seinen Gegenspieler hinterlaufenden Sigurdsson bediente, der zum 22:21 traf; atemberaubend, wie der isländische Linksaußen einen Sprungwurf aus dem Rückraum zum 28:27 ins gegnerische Tor wuchtete.
Plock kontert
Jedoch fand die Kieler Deckung gegen den polnischen Angriff mit den ebenfalls aufdrehenden Nenadic und Toromanovic kein Mittel. Gislasons Wechsel zurück auf eine 6:0-Deckung sowie eine 3:2:1-Abwehr mit Filip Jicha an der Spitze waren ebenso wenig von Erfolg gekrönt wie der Torwartwechsel vom in der ersten Halbzeit noch starken Sjöstrand auf Andreas Palicka. So gelang Plock stets postwendend der Ausgleich auf die Kieler Führungstreffer, und nach einem Fehlpass Jichas an den Kreis sorgte Nenadic sieben Minuten vor Spielende sogar wieder für die 30:29-Führung für die Gastgeber.
Jurkiewicz "fällt" Toft Hansen
Es entwickelte sich einmal mehr eine dramatische Schlussphase: Marko Vujin donnerte seinen Sprungwurf zum 30:30-Ausgleich in den Winkel, doch Jurkiewicz tankte sich auf der Gegenseite durch - Plock war wieder vorne. Doch Aron Palmarsson riss das Ruder wieder zugunsten des THW herum, durch einen Schlag- und einen Sprungwurf des isländischen Regisseurs legten die "Zebras" wiederum auf 32:31 vor. Lijewski holte anschließend einen Strafwurf für Plock heraus, den Ghionea gegen den ins Tor zurückgekehrten Sjöstrand verwandelte. Beim nächsten Kieler Angriff machte Toft Hansens Lippe unliebsame Bekanntschaft mit Jurkiewicz' Ellenbogen. Statt des ehemaligen Madrilenen wurde jedoch Marcin Lijewski für dessen unterstützenden Schubser auf die Bank geschickt. Vorteil Kiel? Mitnichten, denn Sprenger unterlief ein fataler Fehlpass, den ausgerechnet Jurkiewicz per Gegenstoß zum 33:32 vollendete.
Dramatische Schlussphase
Die Orlen-Arena stand nun Kopf - erst recht, nachdem Marin Sego einen Sprungwurf Jichas partierte und Plock vermeintlich in Ballbesitz brachte. Glücklicherweise hatte Alfred Gislason aber rechtzeitig seine Auszeit genommen. Der THW bekam erneut seine Chance auf den Ausgleich. Ein geplantes Kreisanspiel auf Toft Hansen wurde zwar abgefangen, aber Palmarsson sicherte den Kielern den Ball und Sigurdsson holte einen Strafwurf heraus, den Vujin nervenstark zum 33:33 verwandelte. Noch aber war über eine lange Minute auf der Uhr, und Plock spielte seinen Angriff clever herunter. Nach einem abgefälschten Wurf bekamen die Polen bei angezeigtem passiven Spiel einen Einwurf zugesprochen, dieser allerdings landete direkt in Filip Jichas Armen. Der Tscheche rannte sofort mit dem Ball nach vorne und wuchtete ihn per Sprungwurf zum entscheidenden 34:33 in die Maschen. Plock konnte in den verbleibenden Sekunden keinen gefährlichen Torwurf mehr anbringen, so dass der THW letztlich glücklich, aber nicht unverdient beide Punkte aus Polen mit auf den Heimflug nimmt.
Am Mittwoch kommt Melsungen
Dieser Auftakterfolg in der Königsklasse war hart umkämpft und hat sicherlich viel Kraft gekostet. Für Regeneration fehlt den "Zebras" dieser Tage allerdings die Zeit, denn bereits am kommenden Mittwoch wartet die nächste knifflige Aufgabe in der DKB Handball-Bundesliga auf den Tabellenführer. Dann nämlich ist die MT Melsungen in der Sparkassen-Arena zu Gast.
(Sascha Krokowski)