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Zebras bezwingen mit Mut, Geduld und kühlem Kopf den Eisenacher Hexenkessel

Bundesliga

Zebras bezwingen mit Mut, Geduld und kühlem Kopf den Eisenacher Hexenkessel

Es war das erwartet schwere Spiel, am Ende aber setzte sich am Freitagabend vor 3140 fanatischen Fans in der Werner-Assmann-Halle die Qualität des THW Kiel durch: Die Zebras gewannen das vorletzte Spiel des Jahres in der LIQUI MOLY Handball-Bundesliga beim ThSV Eisenach mit 40:32 (22:19), ließen sich vom stimmgewaltigen Publikum nicht von ihrem Erfolgsweg abbringen und auch nicht vom erfolgshungrigen, aggressiv agierenden Aufsteiger ins Bockshorn jagen. Ein Kieler 6:1-Lauf von der 40. bis 47. Minute, als die Zebras von 26:25 auf 32:25 davongaloppierten, brachte die Vorentscheidung und krönte eine insgesamt überragende Mannschaftsleistung. Bester Torschütze in Reihen des Siegers war Niclas Ekberg, der siebenmal ins Tor der Thüringer traf.

Kieler begegnen offensiver Abwehr mit siebtem Feldspieler

"Die Atmosphäre in dieser Halle ist einfach großartig, vor so einer Kulisse will man unbedingt spielen", schwärmte Niclas Ekberg nach 60 Minuten, in denen dem Handball-Fan einiges geboten wurde. Tempo, Tempo und noch einmal Tempo war die Devise. "Wir wussten, es geht hier hoch und runter. Aber wir haben die Ruhe bewahrt, weniger Fehler gemacht und mit dem siebten Spieler in der Offensive die Entscheidung herbeigeführt." Der THW Kiel hatte sich nach dem schweren Spiel gegen Erlangen in Nürnberg intensiv auf die Partie in Thüringen vorbereitet. Das Kieler Trainerteam um Filip Jicha und Christian Sprenger sezierte bis ins Kleinste das unorthodoxe Spiel des Aufsteigers, sodass die Zebras immer im Bilde waren. Und Jicha hatte die Lösung, wie man die schnell ihre Formationen wechselnden Eisenacher in den Griff bekommen an: Mit Tempo und dem siebten Feldspieler in der zweiten Welle oder auch im Positionsangriff. "Wir hatten vor der offensiven Eisenacher Abwehr einen großen Respekt, aber wir haben uns in der Woche intensiv darauf vorbereitet", erklärte auch Linkshänder Steffen Weinhold.  

Zebras suchen und finden den freien Mann

Jicha hatte erstmals in dieser Saison nahezu den kompletten Kader dabei. Wieder zurück im Team ist nach Weinhold jetzt auch Harald Reinkind, der seine Wadenverletzung überstanden hat. Weinhold spielte dann auch gleich eine der Hauptrolle in der ersten Halbzeit, die zum Showact für beide Angriffsreihen wurde. Klug verteilte der Linkshänder gemeinsam mit seinem Gegenüber Eric Johansson die Bälle. Hüben wie drüben lief der Ball blitzschnell durch die eigenen Reihen, und auch im Abschluss gab es eine hohe Treffsicherheit. Die Zebras hatten sich tatsächlich gut auf die variable Eisenacher Hinterreihe eingestellt, sorgten mit großartig vorgetragenen Ballstafetten uns dem ständigen Suchen und Finden des durch den siebten Feldspieler freien Nebenmanns für viel Torgefahr. Hendrik Pekeler traf zum 1:0, Nikola Bilyk ließ die Kieler 2:0-Führung folgen. Der Aufsteiger ließ sich nicht schocken, Snajder traf zum 1:2, nach dem 3:1 durch Eric Johansson ließ Weyhrauch das 3:2 folgen.

THW Kiel dominiert die Partie

Bis zum Kieler 5:4 waren die Teams auf Augenhöhe, dann packten die Zebras ihren ersten 3:0-Lauf aus. Ein Tor schöner als das andere. Weinhold netzte nach gelungener Kombination über vier Zebras zum 6:4 ein, Ekberg vollstreckte zum 7:4, und Rune Dahmke traf eiskalt zum 8:4. Neun Minuten waren gespielt, die Fans in der Assmann-Halle erlebten Tempohandball vom Feinsten. Und es war kein Tag für die Torhüter, die nur selten Ballkontakt bekamen: Auf beiden Seiten wechselten die Trainer ihre Keeper - ohne durchschlagenden Erfolg. Antreiber der Kieler Angriffe waren vor allem Johansson, der seine Mitspieler, genau wie Bilyk und Weinhold, großartig bediente. Nach 20 Minuten brachte der starke, sehr variable Rune Dahmke seine Farben erstmals mit fünf Toren in Front, traf von der Linksaußenposition zum 16:11. Hendrik Pekeler, großartig mit einem Rückhandpass von Weinhold bedient, wuchtete den Ball in der 22. Minute zum 17:12 ins Netz.

41 Treffer in 30 Minuten

Doch jedem in der Halle war klar, dass dieses Spiel nicht mit einem Sprint, sondern mit Steherqualitäten, Mut und Geduld gewonnen wird. Mit einer Torquote von 89 Prozent liefen die Kieler zur Höchstform auf. Doch auch der Aufsteiger hatte am Zielwasser genippt, blieb dem Rekordmeister mit schnellem, schnörkellosem Angriffsspiel auf den Fersen. Als Meyer in der 23. Minute zum 14:17 einnetzte, griff Filip Jicha zur Auszeit, appellierte an die Disziplin seiner Mannschaft. Dahmke erhöhte in der 24. Minute mit einem ganz ausgeschlafenen Aufsetzer an Spikic vorbei zum 18:14. Es war der fünfte Treffer des Kieler Linksaußen bei seinem fünften Versuch. Das Angriffsspiel blieb hochklassig. Allerdings bei beiden Mannschaften. Walz verkürzte kurz vor dem Pausenpfiff auf 19:21, doch THW-Kapitän Domagoj Duvnjak war hellwach, wuchtete den Ball von der Mittellinie ins leere ThSV-Tor: 22:19. 41 Treffer in 30 Minuten. Halbzeit.

Offensive THW-Abwehr bringt die erneute Wende

Aus der kamen die Gastgeber hellwach herausgestürmt: Walz, Zehnder und Snajder trafen der Reihe nach. Kiel verstolperte den Auftakt in die zweite Hälfte, Pekeler scheiterte an Kornecki, Johansson warf vorbei, Eisenach glich aus. Nach 35 Minuten stand es 22:22. Die Werner-Assmann-Halle versank im Freudentaumel, aber der THW behielt die Ruhe. Weinhold war zur Stelle, Pekeler traf ins leere gegnerische Tor. Der Rekordmeister hatte die Nase wieder vorn. So wogte die Partie mit knappem Kieler Vorsprung bis zur 41. Minute und dem 25:26 durch Mait Patrail hin und her. Dann griff Filip Jicha in die Taktik-Kiste, ließ wieder offensiv decken. Mit der 3:2:1-Formation mit Duvnjak als Speerspitze stießen die Eisenacher dann an ihre spielerischen Grenzen, produzierten technische Fehler, scheiterten das ein oder andere Mal am energischen Einsatz der THW-Abwehrhünen Wiencek, Pekeler oder Landin und Duvnjak.

6:0-Lauf erzwingt die Entscheidung

So machte der THW Kiel Durck und entschied das Spiel mit einem 6:0-Lauf bis zur 47. Minute. Die Torschützen: Landin per Tempogegenstoß, Pekeler nach grandiosem Johansson-Anspiel, Johansson mit einem Hammer aus dem Rückraum, nochmals Pekeler nach einem Duvnjak-Ballklau. Dann war Ekberg zur Stelle und als "Dule" zum 32:25 in der 47. Minute einnetzte, wurde es ruhiger im Eisenacher Hexenkessel. Ein ganz klein wenig jedenfalls. Denn auch der junge Färinger Elias Ellefsen á Skipagötu fügte sich nahtlos ins flüssige Kieler Spiel ein, traf selbst oder glänzte mit gekonnten Anspielen. Den Rest spulten die Kieler dann routiniert herunter: Niclas Ekberg sorgte mit seinem siebten Tor per Siebenmeter zum 39:30 für die höchste Kieler Führung. Und als Domagoj Duvnjak nahezu mit der Schlusssekunde per Heber zum 40. Kieler Tor einnetzte, kannte der Jubel im THW-Team keine Grenzen: Der berühmte Kasten Kaltgetränke für die weite Rückfahrt im Mannschaftsbus war gesichert, und der Kapitän muss zahlen.

Letztes Spiel 2023 am Mittwoch in der Wunderino Arena

Die Kieler machten sich direkt nach der Partie in ihrem Mannschaftsbus auf die gut siebenstündige Heimreise nach Kiel, bereits am Samstagnachmittag wird Trainer Filip Jicha seine Mannen wieder zum Training versammeln. Denn eine wichtige und schwere Aufgabe hält das Jahr 2023 noch für den THW Kiel bereit: Zur letzten Partie vor der EHF Euro empfangen die Zebras am kommenden Mittwoch um 20:30 Uhr die TSV Hannover-Burgdorf. Gegen die Niedersachsen hatten die Kieler das Hinspiel klar verloren, nun wollen sie es zum Rückrunden-Start besser machen. Für dieses vorweihnachtliche Handball-Spektakel in der Wunderino Arena gibt es noch Eintrittskarten bei CITTI, online unter www.thw-tickets.de und in der THW-FANWELT; die auch am letzten Spieltag des Jahres durchgängig bis zum Anpfiff geöffnet haben wird. Weiter geht’s gegen Hannover, Kiel!

Text: Reimer Plöhn / Fotos: Sascha Klahn

LIQUI MOLY HBL; 17. Spieltag: ThSV Eisenach - THW Kiel 32:40 (19:22)

ThSV Eisenach: Spikic (20.-30., 48.-60., 2 Paraden), Kornecki (1.-20., 31.-48., 6 Paraden); Reichmuth (2), Zehnder (5), Patrail (1), Walz (4), Kraus, Grgic (2), Ende, Meyer (3), Donker (1), Kurch (1), Schneibel, Snajder (4), Weyhrauch (6), Saul (2); Trainer: Kaufmann
THW Kiel: Mrkva (1.-15., 31.-60., 5 Paraden), Bellahcene (15.-30., 1 Parade); Duvnjak (4), Reinkind, M. Landin (3), Øverby, Weinhold (5), Wiencek (2), Ekberg (7/3), Johansson (2), Dahmke (5), Gurbindo (n.e.), Wallinius, Bilyk (4), Pekeler (6), á Skipagøtu (2); Trainer: Jicha

Schiedsrichter: Marcus Hurst / Mirko Krag
Siebenmeter: ThSV: 0 / THW: 3/3
Zeitstrafen: ThSV: 2 (Walz (26.), Zehnder (36.)) / THW: 2 (Øverby (24.), Duvnjak (39.))
Spielfilm: 0:2 (3.), 2:4, 4:5 (7.), 4:8 (9.), 7:11 (14.), 11:14 (18.), 11:16 (20.), 12:17, 14:17 (23.), 15:19 (25.), 17:19, 17:21 (28.), 19:21, 19:22;
2. Hz.: 22:22 (35.), 23:24 (36.), 23:26 (38.), 25:26 (40.), 25:32 (47.), 26:35 (51), 28:36 (54.), 29:38 (55.), 32:40.
Zuschauer: 3140 (ausverkauft) (Werner-Aßmann-Halle)

Stimmen zum Spiel: 

THW-Trainer Filip Jicha: Ich bin ein zufriedener Trainer heute. Und ich bin sehr froh, dass wir diese Aufgabe hinter uns haben. Wir haben uns lange und intensiv auf diese Aufgabe vorbereitet. Ich muss meine Jungs loben, wir waren wach, bereit, in der Situation. Wir wussten, dass es hitzig wird. Die Eisenacher haben ihr Spiel gnadenlos durchgezogen, wir hatten dann ein paar Probleme. Aber wir hatten einen sehr druckvollen Angriff und konnten Lösungen finden, hinzu kam eine gute Abschlussquote in der ersten Halbzeit. In der 2. Halbzeit wussten wir, dass die Halle drücken wird. Wir haben die Startphase dann 0:3 verloren, sind dann aber mit unserer Erfahrung zurückgekommen. Wir konnten uns mit der zweiten Wellte, mit dem siebten Feldspieler sehr schnell beruhigen. Das war für uns die halbe Miete, und dann haben wir es nach Hause gebracht. Das Spiel kann hier zu beiden Seiten kippen. Ich bin stolz auf meine Jungs, dass sie unseren Plan hier so durchgezogen haben. Aber wir wissen auch, woher wir kommen. Wir hatten in der Hinserie eine sehr schwierige Phase, das macht demütig. Wir müssen unsere Aufgaben nach und nach erledigen. Heute freuen wir uns über die erledigte Aufgabe, morgen geht es weiter mit der Vorbereitung auf die nächste Aufgabe. Es gibt bei uns noch Luft nach oben.

ThSV-Trainer Misha Kaufmann: Es war ein verdienter Sieg für Kiel, wir haben ja nicht einmal geführt. Wir kommen noch einmal auf 22:22 heran, dann zieht der THW Kiel weg. Natürlich kam beim 22:22 Hoffnung auf, aber bei Kiel kommt Weltklasse für Weltklasse. Meine Mannschaft ist da auf dem Zahnfleisch gelaufen. Wir haben Freitag, Dienstag, Freitag gespielt, das war eine ziemliche Belastung. Und wir konnten uns nicht so vorbereiten, wie wir es sonst gewohnt sind. Kiel hat gut gespielt, aber ich muss auch meiner Mannschaft ein Kompliment machen: Sie hat gefightet. Schade, dass wir es dann nicht geschafft haben, länger dranzubleiben. In der entscheidenden Phase waren wir zu nervös, zu unerfahren. Insgesamt haben wir einen guten Angriff gespielt, aber in der Deckung keinen Zugriff gefunden. Das war für mich ein sehr lehrreicher Abend, der gezeigt hat, was wir noch machen müssen, dass wir aber auch nicht so weit weg sind, wie wir vielleicht selbst denken.