Zebras drehen die Partie und holen wichtige Punkte in Stuttgart
45 Minuten lang lagen die Zebras beim TVB Stuttgart hinten. Aber die ganz in Schwarz gekleideten Kieler behielten die Ruhe, feierten am Ende noch einen deutlichen 36:31 (16:17)-Erfolg und holten zwei hart erkämpfte wie wichtige Zähler in der LIQUI MOLY HBL. Wie so oft in der stärksten Liga der Welt waren es Kleinigkeiten, die am Ende das Momentum auf die Seite des THW Kiel drehen ließen: Ein erneut bärenstarker Kapitän Domagoj Duvnjak vertrat Harald Reinkind glänzend im rechten Rückraum und erzielte sieben Treffer. Ein Eric Johansson ließ es gleich acht Mal krachen, und Nikola Bilyk glänzte mit guter Regie und fünf Treffern. Natürlich gehörte auch Samir Bellahcene zur Geschichte des Spiels: Der Kieler Torhüter kam zur Pause und leistete mit seinen acht Paraden wichtige Unterstützung auf dem Weg zum Auswärtssieg.
Dahmke und Pabst wieder dabei
Für THW-Trainer Filip Jicha, der nach seinem krankheitsbedingten Fehlen in Aalborg wieder an der Seitenlinie stand, gab es vor dem Anpfiff gute Nachrichten: So reiste der zuletzt am Oberschenkel verletzte Linksaußen Rune Dahmke mit nach Stuttgart, und für den rechten Rückraum konnte er mit Henri Pabst einen jungen Spieler nach überstandenem Sprunggelenksbruch mit auf Tour nehmen. Der Youngster kam kurz vor Schluss in die Partie und konnte sich nach monatelanger Reha-Zeit über seinen Treffer zum 36:30 freuen. Doch erneut fehlten Top-Torschütze Harald Reinkind, der an einer lädierten Wadenmuskulatur laboriert, sowie die beiden Langzeitverletzten Vincent Gerard und Steffen Weinhold. Doch auch die Gastgeber konnten nicht in Bestbesetzung spielen: Ein Magen-Darm-Infekt setzte Hanusz und Röthlisberger außer Gefecht, zudem verletzte sich Serrano unter der Woche.
Kieler verschlafen den Start
Vor 5032 Zuschauern in der Porsche-Arena verschliefen die Kieler den Start in die Partie komplett: Nach 67 Sekunden führten die Gastgeber mit 3:0, und nicht wenige der Fans rieben sich ob dieses Zwischenstandes verwundert die Augen. Bilyk war es, der nach knapp drei Minuten den Kieler Tore-Bann brach. Doch die Stuttgarter blieben vorn, weil sie in der Offensive nach lange vorgetragenen Angriffen doch noch immer eine Lücke im schwarz-weißen Deckungsverbund fanden. Offensiv befreiten sich die Zebras indes früh vom Fehlerfestival der ersten Minuten, was auch an Duvnjak lag: Der Kieler Kapitän war erneut Dreh- und Angelpunkt im THW-Spiel. "Dules" No-Look-Pass auf Patrick Wiencek zum 4:5 (7.) - eine Augenweide. Dennoch bekamen die Zebras die Partie nicht in den Griff: Mit einem Doppelschlag baute Stuttgart die Führung wieder auf drei Treffer Unterschied aus - und das, obwohl sich Tomas Mrkva einige Male auszeichnen konnte.
Knapper Pausenrückstand
Ein erstes taktisches Ausrufezeichen setzte Jicha bereits nach zwölf Minuten: Für den glücklosen Eduardo Gurbindo, der mit der aggressiv-kompakten Abwehr der Süddeutschen nicht so gut zurechtkam, brachte er Rechtshänder Eric Johansson im rechten Rückraum. Und der junge Schwede bedankte sich krachend bei seinem Trainer, führte sich mit dem 7:9 gut ein, ließ die Zuschauer bei seinem Schlagwurf zum 11:12 raunen. Ein Doppelschlag von Niclas Ekberg, der Silvio Heinevetter mit einem frechen Siebenmeter-Heber überwand, ließ den THW Kiel die einzige Überzahl-Situation des Spiels mit einem 2:0 abschließen - beim 9:10 waren die Zebras wieder in Reichweite. Doch Heinevetters Parade gegen den im Wurf klar gestoßenen Petter Överby verhinderte den Ausgleich, der auch in der Folge einfach nicht fallen wollte. Die letzte Gelegenheit dazu ließ Ekberg aus, der nach der Halbzeit-Sirene mit einem Siebenmeter an Vujovic scheiterte. Mit einem 16:17-Pausenrückstand für die Kieler wurden die Seiten gewechselt.
Personal-Rochade bringt den THW Kiel in die Erfolgsspur
Nach der Pause stellte Jicha mit weiteren Personal-Rochaden die Weichen auf die Erfolgsspur: Im Tor stand nun Bellahcene, Johansson ließ es im linken Rückraum krachen, Bilyk führte Regie. Und auf Halbrechts sollte es nun Duvnjak richten - und tat dies. Bellahcene setzte gegen Kai Häfner das erste Ausrufezeichen, das Magnus Landin aus schwierigem Winkel mit dem 17:17 veredelte. Der erste Ausgleich in der Partie, den die Gastgeber in Überzahl postwendend mit einer erneuten Zwei-Tore-Führung konterten. Dann kam Johansson: Erst jagte der Schwede den Ball zum 19:20 in die Maschen, kurz darauf bediente er Wiencek mit einem Traumpass zum 20:20. Doch bis zur ersten THW-Führung sollte es weitere vier Minuten dauern: Bilyk traf zum 22:22, Bellahcene hielt gegen Lönn, und Bilyk bediente Landin mit einem Rückhand-Pass zum 22:23 (42.). Langsam übernahmen die Zebras das Kommando, auch wenn Häfner den TVB wieder in Führung bringen konnte.
Zebras machen den Sack zu
Doch nach Pfattheichers 25:24 (45.) setzte die zunehmend flinker auf den Beinen agierende THW-Abwehr den Gastgebern richtig zu. Im Angriff räumte Duvnjak für Ekberg ab: Ausgleich. Bellahcene hielt gegen den freien Kreisläufer Laube, Wiencek traf im Gegenstoß. Hinten schnappte sich Bilyk einen Pass auf Pfattheicher, ehe sich Duvnjak auch auf der ungewohnten Position gewohnt eindrucksvoll zum 27:25 durchtankte. Zwar blieben die Süddeutschen dran, aber der THW hatte immer eine Antwort parat. Wie bei Bilyks Anspiel auf Johansson, wie beim Alleingang des Österreichers, wie bei Överbys Gegenstoß nach Ekberg-Steal. Nach Max Häfners 29:30 (53.) setzten sich die Zebras dank ihrer Arbeit in der Abwehr endgültig ab: Duvnjak traf von Halbrechts, Bellahcene hielt einen Kempaversuch von Zieker. Landin traf zum 32:29. Dann spitzelte der Däne den Ball aus den Händen von Häfner, Pekeler sicherte den Ball und Johansson traf mit Urgewalt. Der TVB versuchte es nun mit dem siebten Feldspieler. Ein Plan, den Pekeler mit seinem Steal und Duvnjak mit Treffer sieben ins leere Tor vereitelten. 34:29 - drei Minuten vor dem Ende war die Partie zugunsten der Zebras entschieden, die dann noch kollektiv Pabsts-Comeback-Tor und nach der Schlusssirene die zwei Punkte feierten. In einem harten Match, das Kraft gekostet hat, hatten die Zebras die Ruhe bewahrt und sich einen wichtigen Auswärtssieg geholt.
Donnerstag Königsklassen-Kracher gegen PSG
Für die Kieler rückt nach dem harten Stuttgart-Spiel wieder die Machineseeker EHF Champions League in den Vordergrund: In der spannendsten Gruppenphase seit langem haben die Zebras noch zwei Endspiele im Jahr 2023. Den Auftakt macht am kommenden Donnerstag der Königsklassen-Kracher gegen Paris Saint-Germain: Die Franzosen wollen Rache für die Hinspiel-Niederlage und stehen aktuell auf Platz fünf der extrem starken wie ausgeglichenen Gruppe A. Denn nur zwei Punkte trennen sie vom THW Kiel, der weiterhin die Tabelle anführt. Um 18:45 Uhr geht’s in der Wunderino Arena rund, für die Partie gegen Paris Saint-Germain gibt es noch Tickets online unter www.thw-tickets.de, bei CITTI und in der THW-FANWELT. Weiter geht’s gegen Paris, Kiel!
Fotos: Marco Wolf
LIQUI MOLY HBL, 14. Spieltag: TVB Stuttgart – THW Kiel 31:36 (17:16)
TVB Stuttgart: Heinevetter (1.-30., 49.-57., 5 Paraden), Vujovic (31- 49., 57.-60. und 1 Siebenmeter, 4/1 Paraden); M. Häfner (3), Fernandez (6/2), Lönn (3), Bacani, Uskok, Lucas (1/1), Nicolaus (1), Forstbauer, Laube (2), Zieker (1), Pfattheicher (6), Maric (3), K. Häfner (5); Trainer: Schweikardt
THW Kiel: Mrkva (1.-30. und 1 Siebenmeter, 6 Paraden), Bellahcene (31.-60., 8 Paraden); Ehrig (n.e.), Duvnjak (7), M. Landin (4), Øverby (1), Wiencek (4), Ekberg (6/4), Pabst (1), Johansson (8), Dahmke, Gurbindo, Wallinius (n.e.), Bilyk (5), Pekeler, á Skipagøtu; Trainer: Jicha
Schiedsrichter: Nils Blümel / Jörg Loppschewski
Siebenmeter: TVB: 3/3 / THW: 5/4 (Vukovic hält Ekberg (30.))
Zeitstrafen: TVB: 1 (K. Häfner (17.)) / THW: 2 (2x M. Landin (35., 38.))
Spielfilm: 3:0 (2.), 4:1 (4.), 4:3 (5.), 5:4, 7:4 (9.), 10:7 (15.), 10:9 (18.),15:14 (28.), 17:16;
2. Hz.: 17:17, 19:17 (36.), 20:18, 20:20 (38.), 22:21, 22:23 (42.), 24:23 (44.), 25:24, 25:27 (48.), 29:30 (53.)., 29:34 (57.), 31:36.
Zuschauer: 5032 (Porsche Arena, Stuttgart)
Stimmen zum Spiel:
THW-Trainer Filip Jicha: Das war ein typisches Spiel in der LIQUI MOLY HBL. Es war umkämpft, es war ausgeglichen. Ich hatte nichts anderes erwartet. Hier zwei Punkte zu holen, ist immer ein harter Kampf. Stuttgart hat das sehr gut gemacht. Wir wussten, was auf uns zukommt. Trotzdem hat Stuttgart nach harter Abwehrarbeit oft doch noch das Tor erzielt, das hat uns zwischendurch ein wenig frustriert. Aber ich bin stolz auf meine Mannschaft, wie wir gekämpft und gearbeitet haben. Mit einem erfahrenen Domagoj Duvnjak im rechten Rückraum waren wir sehr effizient im Angriff, dazu hat Samir einige wichtige Bälle gehalten. So kippte das Momentum in unsere Richtung. Ein Sieg in Stuttgart ist für uns auf unserem Weg Gold wert, zumal ich nach meiner Rückkehr in die Trainingshalle eine gewisse Müdigkeit festgestellt habe. Aber die Jungs sind tapfer und verdienen Respekt, die Kirche sollte man bei Vergleichen mit früher aber im Dorf stehen lassen: Von uns eine Dominanz wie in der Vergangenheit zu erwarten, wäre unglaublich respektlos der Konkurrenz gegenüber, die mächtig aufgerüstet hat.
TVB-Spieler Sascha Pfattheicher: Wir hatten einige Ausfälle, da uns in den letzten zehn, 15 Minuten die Puste ausgegangen. Daher hat es am Ende nicht gereicht. Wir wollten eine kompakte Abwehr stellen, um das Kieler Kreisläufer-Spiel nicht zur Geltung kommen zu lassen. Das hat gut funktioniert, dafür kann man sich am Ende aber auch nichts kaufen. Wir haben 50 Minuten eine Top-Leistung gezeigt, auf der wir aufbauen können.
THW-Kreisläufer Hendrik Pekeler: Wir haben uns in der Halbzeit gesagt, dass wir nicht schnell genug auf den Beinen sind und uns verbessern können. Das haben wir dann gemacht, und wir hatten mit Samir einen guten Torwart in der zweiten Halbzeit. Wenn Du weißt, dass im Tor einer steht, der auch mal schwierige Würfe hält, dann kannst du als Abwehrspieler ein bisschen mehr riskieren. Samir liefert immer, wenn er reinkommt. Ob das heute eine Trendwende war? Das vermag ich nicht zu sagen, ähnliches hatte ich nach unseren Siegen in Paris und Göppingen gedacht. Wir waren heute 15 Minuten gut, davor war Stuttgart besser. Deshalb tun wir gut daran, uns immer nur auf die nächste Aufgabe zu konzentrieren. Und da wartet mit Paris am Donnerstag ein unglaublich schweres Spiel.