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THW Kiel erkämpft sich in Gummersbach zwei ganz wichtige Punkte und springt an die Spitze

Bundesliga

THW Kiel erkämpft sich in Gummersbach zwei ganz wichtige Punkte und springt an die Spitze

60 Minuten Kampf – das hatte THW-Trainer Filip Jicha vor der Auswärtsreise nach Gummersbach vom Sonntagsspiel in der LIQUI MOLY Handball-Bundesliga erwartet. Der erfahrene Kieler Coach sollte recht behalten: Im Duell Altmeister gegen Rekordmeister wurde sich nichts geschenkt, hart ging es auf dem Feld zu, bisweilen überhitzt auf den seit Wochen ausverkauften Tribünen. Am Ende behielten die Zebras sportlich einen kühlen Kopf. Der THW Kiel feierte einen ganz wichtigen und verdienten 30:26-Erfolg beim VfL Gummersbach, hievte sich damit ersten Mal seit dem Kurz-Intermezzo im Dezember wieder an die Tabellenspitze. Bester Torschütze war Niclas Ekberg mit sieben Treffern.

Steffen Weinhold feiert Comeback

Die Kieler brauchten vor 4132 Zuschauern eine ganze Zeit, um in die Partie zu finden. Die VfL-Defensive kaufte den Zebras mit einer gehörigen Portion Härte anfangs den Schneid ab und profitierte auch von seinem starken Schlussmann Tibor Ivanisevic, der den Kieler Angreifern reihenweise Bälle abkaufte und am Ende allein vier Siebenmeter gehalten hatte. Gut für die Schwarz-Weißen, dass auch Niklas Landin wieder in starker Form war: Seine Paraden halfen, dass der Rückstand beim 3:8 nach perfekten 18 Minuten für die Gastgeber „nur“ fünf Tore betrug. Jicha reagierte, beorderte sieben Wochen nach seiner Schulterverletzung Steffen Weinhold aufs Feld und ließ die Abwehr fortan offensiver heraustreten. Maßnahmen mit überragendem Ergebnis: Die Defensive stellte nun Gummersbach vor unlösbare Probleme, technische Fehler des VfL und schnelle Ballgewinne waren die Folge. Und Weinhold brachte Sicherheit in den Angriff.

8:0-Lauf ebnet Weg zur Halbzeitführung

Der Routinier, erst gegen Ende der Woche erstmals wieder im Mannschaftstraining aktiv, traf zum 5:8 und nach einer Landin-Parade gegen Köster auch zum 6:8. Dann schnappte sich Hendrik Pekeler hinten den Ball, in Überzahl traf Sander Sagosen zum Anschluss ins leere Tor. Rune Dahmke war es dann, dem nach einer weiteren Landin-Glanztat der erste Ausgleich der Partie gelang. Besser noch: Överbys schnelle Hände eroberten erneut den Ball, dieses Mal jagte Pekeler den Gegenstoß zur Kieler Führung in die Maschen, die der Kieler Kreisläufer kurz darauf nach starkem Bilyk-Anspiel sogar auf 10:8 ausbaute. Als Bilyk 46 Sekunden vor der Halbzeit mit einem Dreher gar auf 11:8 erhöhte, waren die Gastgeber bereits mehr als zwölf Minuten ohne eigenen Treffer. Das sollte sich in der turbulenten Schlussphase der ersten Hälfte allerdings ändern: Noch zweimal traf Gummersbach, einmal Sagosen - vier Toren in eben diesen 46 Sekunden. Mit einer 12:10-Führung für den THW Kiel wurden die Seiten gewechselt.

Gummersbach schwächt sich selbst

Der Wiederbeginn gehörte dann erneut dem VfL, auch weil die schwarz-weiße Siebenmeterschwäche in dieser Partie anhielt und nun falsche Sperren, Stürmerfouls und ein geblockter Wurf ins Toraus Gummersbach in Ballbesitz brachte: Styrmisson traf zum 14:14 (39.), die Partie war wieder vollkommen offen. Und doch blieben die Kieler am Drücker: Reinkind traf bei drohendem Zeitspiel, Tomas Mrkva hielt einen Siebenmeter von Gummersbachs Torjäger Lukas Blohme, und Niclas Ekberg traf im insgesamt fünften Anlauf erstmals vom Siebenmeterstrich: 17:15 (42.). Dann schwächte sich Gummersbach selbst: Schluroff kassierte innerhalb von sechs Minuten drei Zeitstrafen, und auch der früh mit zwei Zeitstrafen vorbelastete Vidarsson musste sich die restlichen Minuten außerhalb des Feldes ansehen - dritte Zeitstrafe in der 45. Minute. "Da hatten wir eine Phase mit unnötigen Zeitstrafen, und durch den Verlust der beiden hatten wir nur noch wenig Alternativen", sagt VfL-Coach Gudjon Valur Sigurdsson nach der Partie.

Starker Bilyk schraubt den Deckel drauf

Die Überzahlsituation lösten die Zebras zunächst nicht gut, kassierten den 19:19-Ausgleich. Dann aber bediente Sagosen Pekeler mustergültig zum 20:19, verzog Pregler, traf der immer stärker werdende Bilyk wieder zur Zwei-Tore-Führung. Dann klaute Överby hinten den Ball, Pekeler erhöhte auf 22:19. Und nachdem Niklas Landin Schrovens Wurf gefangen hatte, war es Ekberg per Strafwurf, der eiskalt zum 23:19 vollstreckte (48.). Entschieden war die Partie allerdings noch nicht, verkürzten die Blau-Weißen in Überzahl durch Häseler doch wieder auf 22:25. Doch ausgerechnet in Unterzahl sorgten die Zebras für die Vorentscheidung: Bilyk traf zum 26:22, Landin schickte Domagoj Duvnjak auf die Reise, der mit Wucht und Entschlossenheit zum 27:22 traf (53.). Noch einmal konterte der Aufsteiger mit einem Doppelpack, doch Ekberg mit einem frechen Siebenmeter-Heber und Bilyk bei drohendem Zeitspiel schraubten den Deckel auf den wichtigen Erfolg nach einem spannenden, emotionalen und packenden Spiel. Die Zebras feierten mit einem kurzen Jubelkreis zwei hart erkämpfte, wichtige Zähler und den Sprung an die Tabellenspitze.

Spitzenspiel am Ostersonntag

Eine ungewöhnliche Pause steht den Zebras bevor: Erst am kommenden Sonntag bestreiten die Kieler ihr nächstes Spiel. Das hat es dafür aber mehr als in sich: Ab 14 Uhr kommt es in der seit Wochen ausverkauften Wunderino Arena zum Spitzenspiel gegen den deutschen Meister SC Magdeburg. Der SCM sitzt dem THW im Nacken und schickt sich an, seinen Titel in der "stärksten Liga der Welt" zu verteidigen. Die Mannschaft von Bennet Wiegert kann sogar noch vom Triple aus Champions League, Pokalsieg und Meisterschaft träumen, da die Magdeburger in allen Wettbewerben noch aussichtsreich im Rennen sind. Auf das Team von Filip Jicha wartet also eine weitere Herkulesaufgabe, bei der die „weiße Wand“ den Zebras helfen muss: Weiter geht’s im Spitzenspiel gegen den SCM, Kiel!

Fotos: Philipp Ising

LIQUI MOLY HBL, 25. Spieltag: VfL Gummersbach – THW Kiel 26:30 (10:12)

VfL Gummersbach: Norsten (n.e.), Ivanisevic (1.-60., 14/4 Paraden); Ohl, Vidarsson (4), Kodrin (2), Köster (2), Blohme (5/2), Schroven (2/1), Häseler (2), Schluroff (1), Pregler (4), Styrmisson (1), Kiesler (1), Stüber, Jansen (2), Zeman (2); Trainer: Sigurdsson
THW Kiel: N. Landin (1.-58., 14/1 Paraden), Mrkva (58.-60. und 2 Siebenmeter 2/1 Paraden); Duvnjak (1), Sagosen (4), Reinkind (2), M. Landin (1), Øverby (1), Weinhold (2), Wiencek (n.e.), Ekberg (7/3), Fraatz, Johansson, Dahmke (1), Zarabec (n.e.), Bilyk (6), Pekeler (5); Trainer: Jicha

Schiedsrichter: Hanspeter Brodbeck / Simon Reich
Zeitstrafen: VfL: 6 (3x Vidarsson (17., 22., 45), 3x Schluroff (42., 44., 48.)) / THW: 6 (Johansson (7.), Øverby (18.), Pekeler (41.), Ekberg (52.), N. Landin (58.), Sagosen für Jicha (60.))
Disqualifikation: Vidarsson (VfL, 3. Zeitstrafe (45.)), Schluroff (3. Zeitstrafe, 48.))
Siebenmeter: VfL: 5/3 (Landin hält Köster (2.), Mrkva hält Blohme (41.)) / THW: 8/3 (Ivanisevic hält 3x Ekberg (8., 11., 55.) und Sagosen (24.), M. Landin vorbei (33.))
Spielverlauf: 2:0 (4.), 2:1 (6.), 3.2 (10.), 5:2 (13.), 5:3, 8:3 (18.), 8:11 (30.), 10:12;
10:13, 13:13 (36.), 15:15 (40.), 15:17 (42.), 17:19, 19:19 (45.), 19:23 (48.), 22:25, 22:27 (53.), 24:27 (54.), 24:29 (58.), 26:30.
Zuschauer: 4132 (ausverkauft) (Schwalbe Arena, Gummersbach)

Stimmen zum Spiel: 

THW-Trainer Filip Jicha: Der "große" Favorit waren wir nicht, das wäre respektlos gegenüber Gummersbach und deren Leistungen. Sie machen einen unglaublichen Job, sie haben jede Mannschaft hier am Rande einer Niederlage. Wir wussten von Anfang an, dass es ein richtiger Kampf wird. Es war ein super Spiel, sehr intensiv. Es hätte auf beide Seiten kippen können. Es war mir klar, dass der VfL so auflaufen würde mit einer starken Mentalität und einer sehr robusten und aggressiven Abwehr. Wenn man dann nicht bereit ist, bekommt man Probleme wie wir in den ersten Minuten, als wir beeindruckt waren. Die Würfe, die wir uns dann genommen haben, hat quasi schon traditionell der Torwart des VfL gehalten. Das hat uns nicht gerade Sicherheit gegeben, aber wir haben weitergemacht und dann einen 8:0-Lauf gestartet. Das hat uns letztlich ins Spiel gebracht. Wir haben einen kühlen Kopf bewahrt, am Ende konnten wir uns absetzen. Es war ein super Spiel mit einem Super-Publikum. Ich muss meiner Mannschaft ein Lob aussprechen. 

VfL-Trainer Gudjon Valur Sigurdsson: Ich bin unglaublich stolz auf meine Mannschaft, was wir geleistet haben und wie wir gedeckt haben. Das hat unser Niveau noch einmal übertroffen, weil es einfach Kiel war. Am Anfang war Tibor überragend, da hat er alles, was durchgekommen ist, gehalten. Man muss aber auch realistisch sein und sehen, dass Kiel mehr verwirft als sonst. Am Ende der ersten Hälfte, wenn die Kräfte nachlassen und wir nicht mehr mit voller Intensität in die Zweikämpfe gehen, war es schwer für uns. Dann ist der THW eine Nummer zu groß. Selbst, wenn wir uns dann mal freigespielt haben, steht auch dort ein überragender Torhüter. Wir haben uns dann in die Pause gerettet. Die Intensität blieb hoch und egal, wer reingekommen ist, hat alles gegeben, auch ein Finn Schroven, der das am Anfang der zweiten Halbzeit super macht und das gegen so eine Mannschaft wie den THW Kiel. Leider hatten wir eine Phase mit unnötigen Zeitstrafen und verlieren Edi und Miro, da hatten wir nur noch wenige Alternativen. Trotzdem bin ich stolz, denn die Jungs machen riesige Schritte. Was sie gegen Leipzig und auch heute geleistet haben, ist nicht selbstverständlich. Ich möchte mich auch herzlich bei den Fans bedanken. Bejubelt zu werden, wenn man einen 0:8-Lauf hat und mit vier Toren verliert, ist schon riesig und das haben sich die Jungs auch verdient. Schlussendlich hat aber auch der THW verdient gewonnen.

VfL-Spieler Tom Kiesler bei Sky: Wir haben vielleicht ein paar technische Fehler zuviel gemacht und sind nicht so erfahren wie die Kieler. Der Kampfgeist hat gestimmt, umso bedauerlicher, dass wir keine Punkte mitnehmen. Wir waren anfangs sehr beweglich, es war aber klar, dass wir das nicht über 60 Minuten durchhalten würden. Die Kieler haben dann ihre Klasse gezeigt, aber wir hätten auch etwas verdient gehabt. Wenn man so auftritt wie heute, kann man auch mit den Großen mithalten. Die Fans waren heute unglaublich, die Unterstützung war überragend.