THW Kiel kassiert gegen Leipzig die zweite Heim-Niederlage der Saison
Es hätte ein Handball-Sonntag nach Maß werden können für den THW Kiel. Nach 34:29-Triumph des Meisters Magdeburg über den Tabellenführer aus Berlin hätten die Zebras mit einem Sieg über die Sachsen einen wichtigen Schritt Richtung erneute Champions-League-Qualifikation machen können, wären auf der Minuspunktseite der Tabelle beste Mannschaft der Liga gewesen - Doch Handball ist eben kein Konjunktiv: Am Ende jubelten Spieler und Fans aus Leipzig über ihren 34:31 (16:11)-Erfolg, den ersten Sieg in der Wunderino Arena überhaupt. Größtes Manko der Kieler war einmal mehr die Chancenverwertung: Der Wille war da, aber der Ball wollte nicht ins Tor. Nach 37 Minuten lagen die Zebras beim 12:20 gar mit acht Toren zurück, bliesen dann aber zu einer eindrucksvollen Aufholjagd. Doch Leipzig hielt dem Druck am Ende stand und ging als verdienter Sieger vom Feld.
Wiencek: "Das war ein schwerer Rückschlag"
Damit versalzten die Männer des isländischen Trainers Runar Sigtryggsson der Mannschaft von THW-Coach Filip Jicha gewaltig die Suppe, ließen schwer enttäuschte Spieler in Schwarz-Weiß und ebenso enttäuschte Fans zurück. "Natürlich wussten wir um die augenblickliche Stärke der Leipziger, haben sie nicht unterschätzt", zuckte Kreisläufer Patrick Wiencek ratlos mit seinen Schultern. "Und natürlich haben wir nach der Aufholjagd noch an uns geglaubt, aber es sollte nicht mehr sein. Das war heute ganz schlecht, ein schwerer Rückschlag." Bester Torschütze beim THW Kiel war Sander Sagosen, der achtmal ins Leipziger Tor traf, für die Gäste waren Viggo Kristjansson und Patrick Wiesmach die herausragenden Werfer, sie trafen je siebenmal ins Kieler Netz.
Zebras kommen gut aus den Startlöchern
Die Kieler kamen mit viel Schwung aus den Startlöchern. Die Abwehr stand, dahinter hatte der THW mit Niklas Landin einen Schlussmann, auf den Verlass war. Die Gäste bissen sich fest, nach Zeitspiel und Landin-Parade warf Sander Sagosen zum 1:0 ein, wenig später hieß es 2:0, Magnus Landin traf souverän von der Siebenmeterlinie. Doch Leipzig kam schnell zurück, Rechtsaußen Patrick Wiesmach lief zwei Konter, nach fünf Minuten stand's 2:2, die letzte THW-Führung in Halbzeit eins besorgte dann Sander Sagosen zum 3:2. Fortan bestimmte die kompakte SC-Abwehr den Spielverlauf, verschob gut, hatte zudem mit dem Norweger Kristian Saeveras einen starken Torhüter zwischen den Pfosten. Bis zum 8:8 in der 17. Minute blieb es ein Duell auf Augenhöhe, die Gäste legten vor, Kiel zog nach.
Blackout im Angriffsspiel
Plötzlich aber hatte die Kieler im Angriffsspiel einen Blackout, trafen nicht mehr, scheiterten vor allem am guten Saeveras zwischen den Leipziger Pfosten und an ihrem zunehmend weniger werdenden Selbstvertrauen, wie Kapitän Domagoj Duvnjak später einräumte. Die Folge war ein 4:0-Lauf der Gäste zur 12:8-Führung. Klima, Preuss, Ernst und Matthes trafen für die Männer in den grünen Trikots. Filip Jicha reagierte, holte seine Männer zur Auszeit zusammen, wechselte auf den Außenpositionen Niclas Ekberg für Yannick Fraatz, Rune Dahmke kam für Magnus Landin. Ekberg setzte auch sofort einen Akzent mit frechem Dreher zum 9:12 in der 24. Minute. Doch Leipzig blieb gelassen, erstickte Kieler Hoffnungen auf einen Umschwung mit weiteren Treffern von Preuss und Kristjansson, Matthes traf in der 30. Minute zum 16:11, und als Magnus Landin kurz vor dem Pausenpfiff per Siebenmeter an El-Tayar scheiterte, stand der hohe Pausenrückstand fest, hatten die Zebras in 13 Minuten nur dreimal getroffen. Eine Riesen-Hypothek für den zweiten Durchgang.
Kieler Aufholjagd nicht belohnt
Erst recht, weil die Kieler zum Start der zweiten Hälfte mehr als drei Minuten in Unterzahl agieren mussten, weil Sagosen sich nach einer Fehlentscheidung des Schiedsrichtergespanns kurz vor dem Seitenwechsel nicht im Griff hatte und eine doppelte Zeitstrafe erhielt. Das nutzten die Gäste, als Nationalspieler Simon Ernst nach 37 Minuten die 20:12-Führung erzielte, bog der Leipziger Express langsam auf die Siegerstraße ein. Filip Jicha riskierte jetzt alles, um das Unmögliche noch zu schaffen, Domagoj Duvnjak kämpfte als Speerspitze in der offensiven 3:2:1-Deckung um jeden Ball, vorne suchten die Kieler mit sieben gegen sechs Feldspieler ihr Glück. Und brachten den Gäste-Abwehrblock tatsächlich noch einmal ins Wanken. Niclas Ekberg traf von Außen und der Siebenmeterlinie, Sander Sagosen packte im Rückraum den Hammer aus. Als Magnus Landin nach 51 Minuten dann per Doppelschlag zum 24:26 einnetzte, kochte die Wunderino Arena, das kleine Handball-Wunder schien wieder möglich. Jetzt griff Sigtryggsson zur Auszeit, beruhigte seine Männer. Mit Erfolg. Nach Nikola Bilyks 28:30 (56.) machte Leipzig mit einem Doppelschlag alles klar, Nationalspieler Simon Ernst wurde zum Leader der DHfK-Mannschaft, traf selbst in wichtigen Momenten und führte sein Team zurück auf den Erfolgsweg und zum letztlich verdienten Sieg.
Mit einer Niederlage in die Nationalmannschafts-Pause
Nach der Partie trennten sich die Wege der Zebras: In der kommenden Woche sind viele der THW-Spieler mit ihren Nationalmannschaften unterwegs. "Wir gehen jetzt mit einem richtig schlechten Gefühl in die Pause", sagte THW-Kapitän Domagoj Duvnjak. Rune Dahmke wird mit dem DHB-Team beim EHF EURO CUP gleich zwei Mal auf den amtierenden Weltmeister Dänemark treffen. Zuerst spielen beide Teams im dänischen Aalborg (9. März, 20:45 Uhr, live im Stream via zdf.de/sport) gegeneinander, am 12. März geht es in Heimspiel-Atmosphäre ab 14:15 Uhr (live im ZDF) in der Hamburger Barclays Arena zur Sache. Die "Pause" endet für den THW Kiel am 19. März mit dem schweren Auswärtsspiel bei der MT Melsungen. "Gut ist, dass wir sieben Tage bis zum nächsten Spiel haben, und da müssen wir uns das Selbstvertrauen zurückholen", so Duvnjak weiter. In Kiel spielen die Zebras erst wieder am 26. März: Zu Gast ist dann der Tabellenführer aus Berlin. Die Begegnung ist nahezu ausverkauft, Resttickets gibt es in der THW-FANWELT und online unter www.thw-tickets.de. Weiter geht’s in Kassel, Kiel!
Text: Reimer Plöhn / Fotos: Sascha Klahn
LIQUI MOLY HBL, 22. Spieltag: THW Kiel – SC DHfK Leipzig 31:34 (11:16)
THW Kiel: N. Landin (1.-39., 53.-60., 8 Paraden), Mrkva (39.-53., 3 Paraden); Duvnjak 3), Sagosen (8), Reinkind (5), M. Landin (5/2), Øverby, Wiencek, Ekberg (5), Fraatz, Johansson, Dahmke, Zarabec (1), Bilyk (2), Pekeler (1); Trainer: Jicha
SC DHfK Leipzig: Säveras (1.-58., 13 Paraden), El-Tayar (58.-60. und 4 Siebenmeter, 2/2 Paraden); Wiesmach (7), Ernst (6), Krzikalla, Binder (2), Klima (1), Ivic (3), Preuss (2), Gebala (4), Matthes (2), Sajenev, Hönicke, Heitkamp, Kristjansson (7/3); Trainer: Sigtryggsson
Schiedsrichter: Nils Blümel / Jörg Loppaschewski
Zeitstrafen: THW: 4 (Øverby (23.), 2x2 Sagosen (30.), M. Landin (60.)) / Leipzig: 2 (Matthes (44.), Kristjansson (49.))
Siebenmeter: THW: 6/4 (El-Tayar hält M. Landin (30.) und Ekberg (41.)) / Leipzig: 3/3
Spielfilm: 2:0, 2:2, 3:4, 6:7, 8:8, 8:12, 10:13, 10:15, 11:16;
12:17, 12:20 (37.), 14:20, 16:21 (40.), 18:23, 19:25 (46.), 22:25 (49.), 24:26 (51.), 24:28 (43.), 27:29 (55.), 28:30, 28:32 (57.), 30:34 (60.), 31:34.
Zuschauer: 10049 (Wunderino Arena, Kiel)
Stimmen zum Spiel:
THW-Trainer Filip Jicha: Glückwunsch an Leipzig zum verdienten Sieg. Das war ein bitterer Nachmittag für uns, der eigentlich gut begann: Meine Spieler wollten, rund um die 8. Minute begann dann aber das, womit wir die ganze Woche schon Probleme hatten: Wir kommen zu Chancen, aber unsere Abschlussquote ist nicht effizient. Wir machen immer wieder die Chancen nicht rein, scheitern am Torwart oder Pfosten - damit begann die Hypothek. Ab der 35. Minute haben meine Jungs gekämpft wie die Löwen, haben alles auf dem Feld gelassen. Aber Leipzig ist eben nicht umsonst die Mannschaft der Stunde, ist ruhig geblieben und hat so verdient die Punkte mitgenommen. Wir müssen uns fragen, warum wie die Tore nicht machen, warum wir schlechte Entscheidungen treffen, warum können wir das, was wir uns vornehmen nicht umsetzen. Vielleicht war der Druck, heute nach Minuspunkten Tabellenführer werden zu können, zu groß. Wir müssen uns alle hinterfragen, beginnend bei mir. Ich werde das sehr intensiv tun.
Leipzigs Trainer Runar Sigtryggsson: Wir sind hierher gefahren, um zwei Punkte zu holen. Jetzt sind viele meiner Spieler überrascht, dass es geklappt hat. Respekt für ihre Leistung, und ich bin jetzt einfach zu glücklich, um noch mehr zu sagen.
THW-Kapitän Domagoj Duvnjak bei Sky: Wir starten gut ins Spiel, und dann haben wir richtig viele Chancen verschossen. Wir hatten kein Selbstvertrauen und so begann die Unruhe, wie schon in Norwegen gegen Elverum. Das Spiel steckte irgendwie noch drin. Die Niederlage müssen wir jetzt akzeptieren, aber die tut natürlich richtig weh. Auch für unsere Fans. Leipzig hat überragend gespielt und verdient gewonnen. Sie haben gezeigt, dass sie eine gute Mannschaft haben. Die Bundesliga geht aber weiter. Für uns war das Spiel heute das wichtigste. Leider haben wir verkackt, wenn ich das so sagen darf. Wir spielen als nächstes gegen Melsungen und dann kommt Berlin. Ich glaube, dass es bis zum letzten Spiel sehr eng bleibt.“
Leipzigs Rückraumspieler Simon Ernst bei Sky: Ich bekomme das Grinsen gar nicht mehr aus dem Gesicht. Es ist verrückt, was wir aktuell für einen Lauf haben und wie wir die Ausfälle kompensieren, vor allem im Rückraum fehlen uns heute vier wichtige Spieler. Es macht Spaß. Ich glaube das war der erste Sieg hier für DHfK und für mich persönlich. Die Heimfahrt wird spaßig. Der Glaube war der entscheidende Faktor. Wir glauben, dass wir jeden Gegner schlagen können. Das war uns in der Hinrunde verloren gegangen, und jetzt haben wir es Stück für Stück wieder aufgebaut. Wir hatten uns was zurecht gelegt, weil wir im Hinspiel nach einer starken ersten Halbzeit noch gescheitert sind. Unser Torhüter hat vor allem in der ersten Halbzeit super gehalten und es war ein rundum gelungener Tag.