Zebras siegen gegen die MT Melsungen: Im “För de Küste”-Trikot an die Tabellenspitze
Drei Tage nach dem Höhenflug in der Machineseeker EHF Champions League mit dem grandiosen 37:33-Sieg über den HBC Nantes war am Sonntag in der LIQUI MOLY Handball-Bundesliga die MT Melsungen zu Gast. Und doch war es keine gewöhnliche Partie, denn: Wenige Minuten vor dem Anpfiff machte die Meldung von Magdeburgs Sieg in Berlin die Runde. Die Zebras hatten es also in eigenen Händen, mit einem Sieg die Tabellenspitze der "besten Liga der Welt" zu erklimmen. Und die Männer von Trainer Filip Jicha gaben von Beginn an Gas, hatten vor 10000 begeisterten Fans in ihrer Heimstatt Wunderino Arena bereits nach wenigen Minuten alles im Griff, lagen zur Halbzeit 17:10 vorne – um am Ende nach einer grandiosen Torwart-Show von MT-Keeper Adam Morawski doch noch ein wenig bangen zu müssen. Nikola Bilyk, mit sechs Treffern erneut bester Torschütze, erlöste Fans und Mitspieler schließlich vier Sekunden vor dem Ende, traf zum 24:22-Endstand: Der THW Kiel feierte den 3. Advent als neuer Tabellenführer der LIQUI MOLY Handball-Bundesliga.
Duvnjak: "So was passiert in der Bundesliga"
Gleichzeitig baute der deutsche Rekordmeister unter der Leitung der Schiedsrichterinnen Tanja Kuttler/Maike Merz seine beeindruckende Erfolgsserie gegen das Team von Trainer Roberto Garcia Parrondo auf 32 Siege aus 36 Spielen aus. Beste Kieler Torschützen neben Bilyk waren Niclas Ekberg (5) und Karl Wallinius (4). Für Melsungen hatte Nationalspieler Kai Häfner Zielwasser getrunken, der Linkshänder war fünfmal erfolgreich. THW-Kapitän Domagoj Duvnjak, der trotz der Schwächung durch einen grippalen Infekt in der Abwehr aufopferungsvoll geschuftet hatte, zweifelte trotz der famosen Aufholjagd der Gäste nie am Erfolg seiner Mannschaft: "Ich habe nie um den Sieg gezittert", sagte "Dule". Klar, der THW habe zwischenzeitlich sogar mit neun Toren geführt, "aber so etwas passiert in der Bundesliga. Melsungen ist eine starke Mannschaft, hatte zudem einen überragenden Torhüter. Sie haben in der Abwehr in der zweiten Halbzeit gut agiert. Und wir haben nicht mehr gut getroffen. Aber wir haben gewonnen, und am Ende fragt morgen niemand mehr, wie dieser Sieg zustande kam."
Mrkva ein starker Rückhalt
THW-Trainer Filip Jicha musste mit Eric Johansson (Mittelhandbruch), Steffen Weinhold (Kreuzbandanriss) und Sven Ehrig (Kreuzbandriss) weiterhin drei Langzeitverletzte ersetzen, Kapitän Domagoj Duvnjak war nach einer Infektion aber zurück in der Mannschaft, die gegen die Melsunger Turngemeinde von 1861 (MT) auch sehr konzentriert startete - in ungewohnten blau-grün-gelben Sondertrikots, um Aufmerksamkeit für die THW-Aktion "För de Küste" zum Schutz der Meere und der Küste zu schaffen. Gewohnt konzentriert, aggressiv in der Abwehr und mit viel Spielfreude starteten die Zebras allerdings in die Partie. Filip Jicha hatte Tomas Mrkva im Tor den Vorzug gegenüber Niklas Landin gegeben. Und der Tscheche wurde von Beginn an zum starken Rückhalt, hielt schon in den ersten 30 Minuten neun schwere Bälle und legte die Basis für die 17:10-Pausenführung.
Ekbergs 100. Saison-Tor
Rechtsaußen Julian Fuchs brachte die Hessen zwar schnell mit 1:0 in Front - doch es sollte bereits die letzte Gästeführung bleiben. Fortan bestimmten die Zebras Tempo und Gangart. Harald Reinkind glich zum 1:1 aus, Hendrik Pekeler traf zum 2:1 für Kiel. Rechtsaußen Julian Fuchs erzielte nach acht Minuten den Ausgleich für MT zum 3:3, hatte wenig später die Chance zum 4:3, scheiterte aber am Gebälk des Kieler Tores. Jetzt folgte die beste Zeit von Tomas Mrkva, der Bälle von den gegnerischen Außen, aus dem Rückraum und Mann gegen Mann entschärfte. Die Folge: Kiel legte durch Patrick Wiencek Magnus Landin und Sander Sagosen einen 3:0-Lauf hin, führte nach zehn Minuten mit 6:3 Toren. Doch die MT steckte nicht zurück, verkürzte durch Kalarash und Jonsson auf 5:6. Für Jubel auf den Rängen sorgte dann der Treffer von Niclas Ekberg zum 8:6. Es war wettbewerbsübergreifend Tor Nummer 100 für den "alten Schweden" in der laufenden Saison.
Wallinius trifft dreimal in sechs Minuten
Und dann kam der Auftritt von Karl Wallinius. Filip Jicha brachte den jungen Schweden nach 16 Minuten, und Wallinius wiederholte seine Wurf-Gala wie vor drei Tagen gegen Nantes: Er kam, sah und traf! In nur sechs Minuten war der 23-Jährige dreimal zur Stelle. Mit großer Wucht und unaufhaltsam. Als er den Ball zum 13:8 ins Melsunger Tor schmetterte, waren 24 Minuten gespielt, Parrondo nahm genervt seine erste Auszeit. Ohne einschneidende Wirkung. Die Kieler hatten großartig ins Spiel gefunden, tempo- und trickreich. Großartig der Kempa von Nikola Bilyk, aufgelegt von Harald Reinkind, sehenswert das Tor durch den Einläufer von Niclas Ekberg - angespielt von Karl Wallinius. Nikola Bilyk traf schließlich zum 17:10. Der Spielstand wurde zum Pausenresultat, weil Patrick Wiencek in letzter Sekunde einen Kempa der Gäste mit fantastischem Einsatz verhinderte. Pause.
Bilyk räumt auch noch den leisesten Zweifel aus dem Weg
Die ersten Minuten der zweiten Hälfte gehörten weiterhin den Zebras: Nikola Bilyk traf zum 18:10, Niclas Ekberg schnappte sich dann aufmerksam einen Abpraller, vollendete zum 19:10. Alles deutete auf eine klare zweite Halbzeit hin. Doch dann steigerte sich Melsungens Torhüter Adam Morawski in eine Galaform hinein, der Pole wurde minutenlang zur Wand für Kiels Angreifer, legte die Basis für einen 4:0-Lauf seiner Mannschaft. Als Kai Häfner in der 40. Minute zum 19:14 vollendete, bediente Filip Jicha den Buzzer, versammelte sein Team zur Auszeit. Die kurze Pause zeigte Wirkung: Rune Dahmke überwand Morawski zum 20:14, wenig später zum 21:14. Nach 44 Minuten war der Halbzeitabstand wiederhergestellt. Aber Adam Morawski blieb weiterhin fast unüberwindbar, glänzte allein in der zweiten Halbzeit mit 13 Paraden. Als Ignatow in der 52. Minute zum 18:22 ins Kieler Tor traf, reagierte Jicha, stellte Niklas Landin zwischen die THW-Pfosten. Und der Welttorhüter wurde seinem Ruf gerecht, hielt überragend gegen Jonsson und Häfner. Letztlich war es dann Nikola Bilyk, der auch noch den leisesten Zweifel am Kieler Sieg mit seinem furiosen Treffer zum Endstand ausräumte. Die Fans jubelten, der THW feierte am dritten Advent in seinen farbigen Trikots den Sprung an die Tabellenspitze der stärksten Liga der Welt.
THW Kiel dreimal auswärts gefordert
Für die Kieler geht es nun bis Heiligabend nur noch auswärts zur Sache – und wie! Am Donnerstag sind die Zebras, die von gut 200 Fans begleitet werden, zum letzten Mal in diesem Jahr in der Machineseeker EHF Champions League gefordert. Bei Aalborg Handbold geht es um Platz vier – und zwei wichtige Zähler im Kampf um die Königsklassen-Play-offs. Nur drei Tage später, am 18. Dezember, steht dann das Derby in Flensburg (14 Uhr, live bei Sky) auf dem Spielplan der Kieler. Doch zuvor gilt es, bei Mikkel Hansen & Co. endlich zwei Auswärts-Punkte zu holen: Weiter geht’s in Aalborg, Kiel!
Text: Reimer Plöhn / Fotos: Sascha Klahn
LIQUI MOLY HBL, 16. Spieltag: THW Kiel – MT Melsungen 24:22 (17:10)
THW Kiel: N. Landin (52.-60., 2 Paraden), Mrkva (1.-52., 11 Paraden); Duvnjak, Sagosen (1), Reinkind (2), M. Landin (1), Øverby, Wiencek (2), Ekberg (5/2), Pabst (n.e.), Fraatz, Dahmke (2), Zarabec, Wallinius (4), Bilyk (6), Pekeler (1); Trainer: Jicha
MT Melsungen: Morawski (1.-60., 19 Paraden), Simic (n.e.); Kühn (1), Malasinskas (3/1), Casado, Ignatow (1), Beekmann (1), Drosten, Jonsson (2), Arnarsson, Gomes (4), Kalarash (3), Häfner (5), Fuchs; Trainer: Parrondo
Schiedsrichterinnen: Tanja Kuttler / Maike Merz
Zeitstrafen: THW: 3 (M. Landin (12.), Wallinius (30.), Wiencek (55.)) / MT: 1 (Kalarash (24.))
Siebenmeter: THW: 2/2 / MT: 1/1
Spielverlauf: 0:1, 2:1 (4.), 3:3, 6:3 (10.), 6:5 (14.), 7:6,9:6 (19.), 11:7 (22.), 13:9 (24.), 16:9 (27.), 17:10;
19:10 (35.), 19:14 (39.), 21:14 (43.), 22:16 (48.), 23:19 (54.), 23:22 (60.), 24:22
Zuschauer: 10.049 (Wunderino Arena, Kiel)
Stimmen zum Spiel:
THW-Trainer Filip Jicha: Ich bin sehr stolz auf meine Mannschaft, dass es ihr gelungen ist, in dieser Phase der Saison Tabellenplatz eins zu erobern, weil sie das mit fleißiger Arbeit erreicht haben. Zu dieser schönen Momentaufnahme habe ich den Jungs vorhin in der Kabine gratuliert. Heute haben wir mit viel Engagement die erste Hälfte dominiert, in der zweiten Halbzeit hat dann die One-Man-Show dominiert: Morawaski hat uns alles weggenommen. Aus der Ferne, aus der Nahdistanz, von Außen - dann waren meine Jungs auf sich sauer, weil sie den Ball auch aus besten Situationen nicht mehr im Tor untergebracht haben. Am Ende aber freue ich mich über die Energieleistung mit viel Spielfreude heute gegen die MT. Einziger Kritikpunkt: Wir hätten in der zweiten Halbzeit besser werfen sollen. Nun bleibt es dabei, dass wir in den restlichen Bundesliga-Spielen alles reinhauen wollen, um diese zu gewinnen.
MT-Trainer Roberto Garcia Parrondo: Glückwunsch an den THW Kiel. Sie haben ein gutes Spiel gezeigt, waren in der ersten Hälfte schlichtweg besser als wird. Was ich mitnehmen möchte aus dieser Partie ist, dass wir weiter gekämpft haben. Wir haben den Spielverlauf verändert, standen besser in der Abwehr und waren besser im Angriff. Doch Kiel hat den letzten Wurf reingemacht, und wir hatten nicht mehr die Möglichkeit, zu reagieren.
THW-Rückraumspieler Nikola Bilyk: Die Tabellenführung ist eine schöne Momentaufnahme, hat aber in diesem frühen Stadium der Saison wenig zu bedeuten. Aber: Jetzt stehen wir oben, und natürlich wollen wir oben bleiben.