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Zebras im Topspiel bei den Füchsen Berlin ohne Chance

Bundesliga

Zebras im Topspiel bei den Füchsen Berlin ohne Chance

Rund 62 Stunden nach der unglücklichen 37:40-Niederlage in der Königsklasse im polnischen Kielce haben die Zebras in der LIQUI MOLY Handball-Bundesliga ihre erste Niederlage der Saison kassiert: Bei den Füchsen Berlin verlor der THW Kiel am Sonntagnachmittag deutlich mit 26:34 (10:16). Die Berliner untermauerten damit ihren Ruf als Titelkandidat, während die Kieler von ihrer fünftägigen Auswärtstournee mit zwei schmerzhaften Ergebnissen zurück an die Förde reisten. "Das war eine bittere Lehrstunde für einige meiner Spieler, die erlebt haben, mit welcher Intensität es in der Bundesliga zugehen kann. Das kann man dann eben auch mit der Champions League vergleichen", sagte THW-Trainer Filip Jicha, der den Berlinern zu ihren verdienten Sieg gratulierte. Bester Kieler Torschütze in der Hauptstadt war Kapitän Patrick Wiencek mit sieben Treffern, für die Gastgeber traf Kreisläufer Mijajlo Marsenic neunmal. 

THW Kiel dauernd in Unterzahl

Vor 9000 Fans in der erstmals seit Jahren wieder ausverkauften Max-Schmeling-Halle legten die Kieler einen Fehlstart hin. Nach Toren von Gidsel (2) und Kreisläufer Marsenic (3) bei einem Gegentor von Patrick Wiencek lagen die Kieler schnell mit 1:5 zurück. Bis zur elften Minute trafen die Zebras lediglich einmal ins von Milosavlevic großartig gehütete Füchse-Tor. Begünstigt wurde dieser Fehlstart allerdings auch durch eine Vielzahl fragwürdiger Schiedsrichterpfiffe der Unparteiischen Ramesh und Suresh Thiyagarajah. Diese verhängten in den ersten 20 Minuten gleich sechs zum Teil ungerechtfertigte Zeitstrafen gegen den THW und brachten die Spieler des Rekordmeisters damit aus dem Konzept. "Keine Ahnung, warum ich meine erste Zeitstrafe bekommen habe, ich war einen Meter von der Situation entfernt", rätselte beispielsweise Kreisläufer Patrick Wiencek, der wenig später wegen angeblicher Meckerei erneut vom Feld geschickt wurde, somit nach der zweiten Zeitstrafe als Abwehrchef kaum noch eine Rolle spielen konnte. "Ich denke, zu einem Topspiel gehören Emotionen. Wenn man die nicht mehr zeigen darf, brauchen wir kein Topspiel mehr zu spielen. Dann bin ich hier falsch", beklagte sich Kiels stets mit ganzem Herzen auf dem Platz stehender Kapitän.

Verdienter Füchse-Sieg

Dennoch: Der Sieg der Füchse, die mit Torhüter Dejan Milosavljev, ihrem neunfachen Torschützen Mijajilo Marsenic und dem dänischen Neuzugang Mathias Gidsel ihre überragenden Akteure besaßen, war natürlich absolut verdient. Der Kräfteverschleiß und das Fehlen wichtiger Leistungsträger wie die Langzeitverletzten Sander Sagosen, Hendrik Pekeler, Sven Ehrig und aktuell auch Rune Dahmke war für die Zebras in Berlin nicht zu kompensieren. "Berlin hat mit seinen Neuzugängen noch mehr Optionen, sie spielen jetzt noch schneller", analysierte Kiels sechsfacher Torschütze Wiencek. "Die Füchse haben absolut verdient gewonnen, waren über weite Strecken einfach die bessere Mannschaft. Wir standen in der Abwehr allerdings auch nicht so kompakt wie gewohnt, hinzu kamen die Zeitstrafen, da kommst du nicht ins Spiel."

Schwere Hypothek zur Pause

Jicha setzte nach dem 2:7 phasenweise auf Überzahlspiel im Angriff, nahm Niklas Landin bei eigenem Ballbesitz aus dem Tor, brachte auf Halblinks zudem Eric Johansson für Karl Wallinius. Der Schwede traf gleich zum 3:7, verkürzte nach Gidsels Wurf ins leere Kieler Tor auf 4:8. Eine Wende zeichnete sich jedoch nicht ab. Darj erhöhte auf 9:4, Nikola Bilyk war aus dem Rückraum zum 9:5 erfolgreich. Auch Kiels Umstellung auf die offensive 3:2:1-Variante in der Abwehr mit Domagoj Duvnjak in der Spitze war nur mäßig erfolgreich, die Berliner agierten mit extrem hohem Tempo. Den Doppelschlag durch Tore von Wiencek und Magnus Landin zum 7:10 beantworteten die Füchse augenblicklich durch Gidsel und Lindberg: 12:7. Dann war wiederum Patrick Wiencek zur Stelle, verwandelte akrobatisch zum 8:12, doch selbst eine eigene Überzahl nach geahndetem Kopftreffer von Vujovic gegen Niklas Landin konnten die Zebras nicht für sich nutzen. Im Gegenteil: Nach zwei Kontern über Kreisläufer Marsenvic lagen die Füchse in der 25. Minute beim 14:8 mit sechs Treffern vorn. Holm erhöhte gar auf 16:9, bevor Petter Överby den Halbzeitstand von 10:16 aus Kieler Sicht markierte.

Berlin zieht weiter davon

Eric Johansson eröffnete den Torreigen der zweiten Hälfte mit seinem Kracher zum 11:16. Neue Hoffnung? Leider nicht. Nach einem harmlosen Stoppfoul von Steffen Weinhold gegen den die Situation clever ausnutzenden Gidsel kassierte der THW-Linkshänder eine weitere, zumindest fragwürdige, Zeitstrafe. Freihöfer und Wiede nutzten den Raum und erhöhten auf 18:11, Weinhold kam zurück und traf mit Wut im Bauch zum 12:18. Die erste Berliner Acht-Tore-Führung erzielte dann Mathias Gidsel in der 40. Minute zum 21:13. Die Kieler versuchten alles, packten in der Abwehr fest zu, setzten im Angriff auf Überzahlspiel mit sieben gegen sechs Spieler. Doch Abspielfehler brachten den Gegner schnell in Ballbesitz, viele einfache Treffer ins leere Kieler Tor waren die Folge. Auch der Torwartwechsel bei den Schwarz-Weißen blieb ohne Wirkung auf das Spielgeschehen.

Kurze Hoffnung schnell erstickt

Der Doppelschlag von Wiencek und Harald Reinkind in der 48. Minute zum 20:26 weckte auf der Kieler Bank noch einmal stille Hoffnungen auf eine Wende, ließen Füchse-Trainer Jaron Siewert zur Auszeit buzzern. Das sei jetzt die entscheidende Phase, sagte Siewert. "Entweder gehen wir auf sieben, acht Tore weg oder der THW kommt auf vier heran." Gegen das Verkürzen des Rückstandes hatte Milosavljev etwas - der Füchse-Torhüter verhinderte mit einer Parade gegen den frei vor ihm auftauchenden Wiencek den Kieler Anschluss - die Partie war endgültig entschieden. Fabian Wiede traf zweimal, Holm und Drux waren per Doppelschlag erfolgreich - der Rest waren Jubel in Grün-Rot und Meisterträume der Hauptstadt-Fans. 

Bundesliga geht jetzt in die Länderspiel-Pause

Nach zuletzt zwölf Pflichtspielen in den 39 Tagen seit Saisonbeginn muss und kann der THW Kiel jetzt erst einmal kurz durchschnaufen: Die Nationalmannschaften rufen ihre Stars zum Lehrgang. Das DHB-Team hat gleich zwei Aufgaben vor der Brust: Im EHF EURO Cup trifft die Mannschaft von Alfred Gislason erst in Mannheim auf Schweden (13. Oktober, 19:00 Uhr), danach geht es auswärts im andalusischen Jaen gegen Spanien (15. Oktober, 20:15 Uhr). Am 20. Oktober stehen die Kieler dann alle wieder gemeinsam auf der Platte: In der 2. Runde des DHB-Pokals werden die Zebras ab 19 Uhr beim 1. VfL Potsdam gefordert, ehe es drei Tage später (23. Oktober, 14 Uhr) in der heimischen Wunderino Arena erneut heiß hergeht: Zu Gast in der LIQUI MOLY Handball-Bundesliga sind dann die Rhein-
Neckar Löwen. Für dieses Spiel gibt es noch einige wenige Resttickets in der THW-FANWELT, bei CITTI, in famila-Märkten mit Ticketangebot und online unter www.thw-tickets.de.

Text: Reimer Plöhn / Fotos: Sylvia Goeres

LIQUI MOLY HBL, 7. Spieltag: Füchse Berlin – THW Kiel 34:26 (16:10)

Füchse Berlin: Kireev (1 Siebenmeter, keine Parade), Milosavljev (1.-60., 13 Paraden); Wiede (3), Darj (1), Holm (5), Lichtlein, Lindberg (4/2), Gidsel (6), Freihöfer (2), Langhoff, Chrintz, Kopljar, Vujovic, Marsenic (9), Drux (4); Trainer: Siewert
THW Kiel: N. Landin (1.-39., 52.-60., 9 Paraden), Mrkva (39.-52., 1 Parade); Duvnjak, Reinkind (1), M. Landin (3), Battermann (n.e.), Øverby (1), Weinhold (2), Wiencek (7), Ekberg (5/3), Pabst (n.e.), Johansson (4), Zarabec (2), Schwormstede (n.e.), Wallinius, Bilyk (1); Trainer: Jicha

Schiedsrichter: Ramesh Thiyagarajah / Suresh Thiyagarajah
Zeitstrafen: Füchse: 5 (Gidsel (22.), Vujovic (23.), 2x Drux (26., 57.), Kopljar (56.)) / THW: 8 (Øverby (2.), 2x Wiencek (6., 11.), 2x Duvnjak (14., 19.), 2x M. Landin (18., 48.). Weinhold (31.))
Siebenmeter: Füchse: 2/2 / THW: 3/3
Spielverlauf: 1:1 (5.), 5:1 (10.), 5:2, 7:2 (13.), 10:5 (16.), 10:7 (18.), 12:7 (21.), 12:8, 14:8 (26.), 16:9 (29.), 16:10;
16:11, 18:11 (35.), 21:13 (38.), 22:14, 22:16 (42.), 24:16 (44.), 26:18 (45.), 26:20 (48.), 28:22, 30:22 (54.), 30:24 (55.), 32:24 (57.), 34:26.
Zuschauer: 9000 (ausverkauft) (Max-Schmeling-Halle, Berlin)

Stimmen zum Spiel: 

THW-Trainer Filip Jicha: Berlin hatte heute eine viel bessere Energie und bessere Lösungen, deshalb war es eine verdiente Niederlage. In der ersten Halbzeit haben wir mehr mit den Schiedsrichterentscheidungen gehadert, als unser Spiel zu spielen. Wir bekommen zwei Zeitstrafen für Undiszipliniertheiten, Patrick für Emotionen. Wenn man keine Emotionen mehr zeigen darf, ist das bitter. Berlin hat das clever genutzt, und Mathias Gidsel hat das auch sehr schlau gemacht. Ihn und sein Spiel kennt man noch nicht so in der Liga, und er bringt eine gewisse Theatralik rein, die dann auch die Zuschauer mitnimmt. Aber nochmal: Unser Spiel hat in der ersten Halbzeit nicht stattgefunden, und so war die Partie frühzeitig entschieden, weil diese Hypothek zu hoch war. Das war eine bittere Lehrstunde für einige meiner Spieler, die erlebt haben, mit welcher Intensität es in der Bundesliga zugehen kann. Das kann man dann eben auch mit der Champions League vergleichen. Aber so ist der Sport – das Leben geht weiter. Meine Spieler, die nicht zu den Nationalmannschaften fahren, bekommen jetzt zwei Tage frei, dann ist Training, dann gibt es wieder zwei freie Tage: Sie sollen Kraft tanken können in der nächsten Woche.

Füchse-Trainer Jaron Siewert: Das heute ist eine schöne Momentaufnahme. Wir hatten eine Woche Zeit, uns auf dieses Spiel vorzubereiten und die Belastung so zu steuern, dass wir heute viel Tempo gehen konnten. Dann haben wir es gut runtergespielt. Ein bisschen bange war mir beim 26:20, als Kiel die Chance hatte, auf fünf Tore Unterschied zu verkürzen. Aber da machen wir dann ein ganz wichtiges Tor. Aber es war nur ein Spiel, und ich möchte jetzt nichts von Fingerzeig hören. Heute freuen wir uns, und dann haben wir noch ganz viel Arbeit vor uns.

THW-Geschäftsführer Viktor Szilagyi: Glückwunsch an die Berliner. Wir kamen überhaupt nicht in das Spiel, und die Hypothek der ersten 15 Minuten war dann zu groß. Wir sind nicht annähernd an die Leistung vom Kielce-Spiel herangekommen. Das war ein Lehrbeispiel dafür, was es heißt, Donnerstagabend und Sonntagmittag ein Top-Spiel zu haben. Wir haben viel versucht, haben aber das Torwart-Duell klar verloren. Entscheidend war aber die hohe Anzahl an technischen Fehlern, durch sie sind wir nie in einen Flow gekommen. Jetzt schicken wir einen Großteil der Mannschaft zu den Nationalmannschaften und müssen dann in zehn Tagen in Potsdam eine bessere Vorstellung abliefern.

THW-Kapitän Patrick Wiencek: Die beiden frühen Zeitstrafen gegen mich zu kommentieren, ist schwierig. Bei der ersten stehe ich ziemlich weit weg vom Geschehen, bei der zweiten Zeitstrafe wegen 'Meckern' weiß ich dann gar nicht mehr, was ich gemacht haben soll. Ich mache das Tor, und zeige Emotionen. Emotionen gehören zu einem Top-Spiel dazu, wenn man die nicht mehr zeigen darf, brauchen wir kein Top-Spiel mehr spielen. Dann bin ich hier falsch. Aber das soll keine Ausrede sein: Berlin hat vollkommen verdient gewonnen, sie waren in allen Belangen besser als wir. Wir standen in der Abwehr nicht so kompakt, wie wir uns das vorgestellt haben. Dadurch kommen wir nicht ins Spiel. Jeder muss an sich selbst arbeiten und seine Fehler korrigieren.

Füchse-Vorstand Sport Stefan Kretzschmar: Wir haben heute etwas Besonderes erreicht, Kiel ist für mich immer das Maß aller Dinge. Wir waren nach sieben Tagen Vorbereitung auf dieses Spiel kräftemäßig im Vorteil, und die Jungs waren extrem heiß. So ein Fest vor dieser Kulisse feiern zu dürfen, ist brutal schön.