fbpx

Wichtige Punkte: Der THW Kiel gewinnt das “kleine Derby” gegen den HSV Hamburg

Bundesliga

Wichtige Punkte: Der THW Kiel gewinnt das „kleine Derby“ gegen den HSV Hamburg

Die Wunderino-Arena war voll, platzte erstmals seit März 2020 mit 10.285 Zuschauern wieder aus allen Nähten. Doch die Fans von Handball-Rekordmeister THW Kiel erlebten den deutlichen 29:22 (16:8)-Sieg im "kleinen Nordderby" gegen den HSV Hamburg, der in der LIQUI MOLY Handball-Bundesliga Rang zwei festigte, mit einem zwiespältigem Gefühl. Da war zum einen der große Jubel, der den reaktivierten Bjarte Myrhol zu seinen ersten beiden Bundesliga-Toren seit 2015 trug. Da war der Genuss, die Spielfreude der Zebras gegen einen von Beginn an unterlegenen Gast zu erleben. Da war aber auch der Schock, nachdem sich Rückraum-Ass Sander Sagosen in der neunten Minute schwer am linken Fuß verletzte (siehe Extra-Bericht).

Bjarte Myrhols Comeback in der stärksten Liga der Welt

Bester Kieler Feld-Torschütze: Harald Reinkind

Der Premieren-Auftritt von Bjarte Myrhol im THW-Trikot wurde von den Fans gefeiert: Der 40-jährige Norweger hatte sich bereit erklärt, für die restlichen Saisonspiele die Lücke, die die Verletzung von Hendrik Pekeler hinterlässt, zumindest im Angriff phasenweise zu stopfen. Eine Kostprobe seines immer noch vorhandenen Könnens lieferte der Norweger ab der 19. Minute dennoch ab, Myrhol traf zweimal für die Zebras, erzielte damit nach fünf Jahren Bundesliga-Pause seine Treffer 993 und 994 in der LIQUI MOLY HBL und holte zudem zwei Siebenmeter heraus. Bester Torschütze aller Spieler auf der Platte war allerdings Hamburgs dänischer Linksaußen Casper Mortensen, der zehnmal ins Schwarze traf, viermal von der Siebenmeterlinie. Für den Sieger trugen sich als erfolgreichste Werfer Magnus Landin und Harald Reinkind in die Torschützenliste ein, beide trafen je fünfmal.

HSV nur 15 Minuten auf Augenhöhe

Starker Auftritt des THW: Domagoj Duvnjak & Patrick Wiencek

Die Hamburger waren nur in der ersten Viertelstunde ein Gegner auf Augenhöhe, legten beim 1:0 durch Mortensen ihre erste und einzige Führung vor, um nach dem 2:5-Rückstand - die Zebras hatten durch zwei schlitzohrige Treffer von Sven Ehrig, Patrick Wienceks Torerfolg vom Kreis, Harald Reinkind und Magnus Landin vorgelegt - den Sagosen-Schock bei den Kielern ebenfalls durch Mortensen zum 5:5 zu nutzen: Es sollte der letzte Ausgleich bleiben. Die schnelle Antwort auf den HSV-Ausgleich folgte postwendend durch den 4:0-Lauf mit Toren von Miha Zarabec, Domagoj Duvnjak, Harald Reinkind und das Premieren-Tor im THW-Dress von Bjarte Myrhol, der Norweger traf in der 19. Minute zur 9:5-Führung.

Vorentscheidung schon zur Pause

So nahm der THW-Express Geschwindigkeit auf, setzte sich über das 11:6, von Duvnjak per Gewaltwurf erzielt, auf 13:7 in der 25. Minute ab. Verantwortlich für diesen Torerfolg war Harald Reinkind mit seinem vierten Treffer. Als Basis für die jetzt einseitige Partie entpuppte sich wieder einmal die bärenstarke Kieler Abwehrreihe um den Mittelblock Patrick Wiencek/Pavel Horak und Niklas Landin als zuverlässigem Torhüter dahinter. Bis zum Pausenpfiff enteilten die Zebras auf 16:8, drei Tore in Folge durch Duvnjak, Ehrig und Weinhold sorgten für diese kleine Vorentscheidung.

Doppel-Kempa als Ausdruck Kieler Spielfreude

Sven Ehrig traf dreimal und legte das "Tor des Tages" auf

Der zweite Spielabschnitt stand aus Kieler Sicht dann unter dem Motto: Ergebnis verwalten, mit Spielfreude begeistern und die Kräfte verteilen. Alle Vorhaben gelangen nahezu mühelos gegen einen Hamburger Aufsteiger, der sich allerdings beachtlich gegen die drohende hohe Klatsche wehrte. Die erste Zehn-Tore-Führung erzielte Magnus Landin per Siebenmeter zum 20:10 in der 37. Minute, Rune Dahmke ließ dann das schönste Tor des Tages folgen, als er in der 41. Minute nach einem Doppel-Kempa zum 22:10 traf, Vorlagengeber war Sven Ehrig, der den Ball quer durch den HSV-Kreis zu seinem Mitspieler schickte und die 10.285 Zuschauer jubeln ließ. 

Unterhaltsames Derby endet mit klarem Kieler Erfolg

Dario Quenstedt hielt unter anderem einen Siebenmeter

Und was geschah sonst? THW-Trainer Filip Jicha probierte Spielzüge, wechselte Positionen und seinen Kader durch, gab auch dem 20-jährigen Leon Ciudad Einsatzzeiten, der einige Minuten gemeinsam mit seinem doppelt so alten Kreisläufer-Partner Bjarte Myrhol wirbeln durfte. Der Norweger erzielte beim 23:12 sein insgesamt 994. Bundesliga-Tor, das von den Kieler Fans erneut überschwänglich gefeiert wurde. Es war ein unterhaltsames "kleines Derby", über dem bis zum Schlusspfiff aber der dunkle Schleier der schweren Verletzung von Sander Sagosen schwebte. "Über den Sieg kann ich mich nicht wirklich freuen", sagte THW-Kapitän Domagoj Duvnjak, "sich diese Verletzung anzusehen, war traurig, unmenschlich, schlimm. Erst haben wir Peke verloren, jetzt Sander. Wir müssen jetzt als Mannschaft zusammenstehen, jeder in den letzten wichtigen Saisonspielen alles geben." Das, was der Ausfall von Sagosen bedeuten könnte, zeigte sich allein darin, dass Jicha in der Schlussphase Harald Reinkind im linken Rückraum spielen ließ, um den muskulär angeschlagenen Nikola Bilyk noch zu schonen...

Nächster Stopp: Mannheim

Für die Kieler steht am Mittwochabend das letzte Auswärtsspiel der Saison an – und das hat es in sich: Sie werden von den Rhein-Neckar Löwen gefordert, die in jüngerer Vergangenheit unter anderem die SG Flensburg-Handewitt vor große Probleme stellten und ein Unentschieden abtrotzten. Eine besondere Note bekommt die Partie, die am Mittwoch um 19 Uhr in der SAP-Arena angepfiffen und von Sky live übertragen wird, durch Andy Schmid: Die schweizer Löwen-Legende wird nach der Partie verabschiedet. „Das wird richtig schwer am Mittwoch, gerade weil uns dort nach Peke nun auch noch Sander fehlen wird“, sagt THW-Kapitän Patrick Wiencek. „Aber wir wollen die Punkte holen, denn sie sind für uns unglaublich wichtig.“ Weiter geht’s in Mannheim, Kiel!

Text: Reimer Plöhn / Fotos: Sascha Klahn

LIQUI MOLY HBL, 32. Spieltag: THW Kiel - Handball Sport Verein Hamburg: 29:22 (16:8) 

THW Kiel: N. Landin (1.-48., 7/1 Paraden) Quenstedt (48.-60. Und zwei Siebenmeter, 2/1 Paraden); Ehrig (3), Duvnjak (4), Sagosen, Reinkind (5), M. Landin (5/3), Myrhol (2), Weinhold (2), Wiencek (2), Ekberg (1/1), Ciudad, Dahmke (3), Zarabec (2), Horak, Bilyk (n.e.); Trainer: Jicha
HSV Hamburg: Bitter (1.-30., 5/1 Paraden), Vortmann (31.-60., 8 Paraden); Schimmelbauer, Niemann (1), Mortensen (10/4), Späth, Weller (3/1), Ossenkopp (2), Axmann, Gertges, Andersen, Bauer (2), Forstbauer, Bergemann (2), Kleineidam (2), Schnitter; Trainer: Jansen

Schiedsrichter: Martin Thöne / Marijo Zupanovic
Zeitstrafen: THW: 3 (Dahmke (23.), M. Landin (46.), Horak (49.)) / HSVH: 5 (2x Schimmelbauer (4., 25.), Bauer (11.), Ossenkopp (37.), Späth (46.))
Siebenmeter: THW: 7/4 (Bitter hält Ekberg (11.), M. Landin an den Pfosten (58.) und überweg (60.)) / HSVH: 7/5 (Landin hält Mortensen (8.), Quenstedt hält Mortensen (48.))
Spielfilm: 0:1, 4:1 (9.), 5:2, 5:5 (15.), 9:5 (20.), 11:7, 13:7 (25.), 16:8;
17:9, 19:9 (35.), 22:10 (41.), 25:14 (47.), 25:16, 26:18 (51.), 28:20 (57.), 29:22
Zuschauer: 10.285 (ausverkauft) (Wunderino Arena, Kiel

Stimmen zum Spiel:

THW-Trainer Filip Jicha: Ich möchte meiner Mannschaft ein Lob aussprechen. Wir hatten uns vorgenommen, das Spiel zu dominieren - und das haben wir getan. Wir haben uns sehr gut in der Abwehr bewegt und haben Tempo im Angriff gemacht. Auch die Leistung in der zweiten Halbzeit war gut, ich habe dann viel durchgewechselt und unter anderem Harald Reinkind im linken Rückraum spielen lassen. Mit der Performance bin ich sehr zufrieden. Es ist natürlich brutal, dass wir innerhalb so kurzer Zeit zwei unserer Schlüsselspieler durch Verletzungen verloren haben. Wir fühlen mit Peke und jetzt Sander, wissen aber auch, dass es ohne die beiden gehen muss. Wir müssen diesen Tag jetzt erst einmal sacken lassen, aber ab morgen müssen die Köpfe hochnehmen - es geht weiter. 

HSVH-Trainer Torsten Jansen: Glückwunsch an den THW Kiel zu den verdienten zwei Punkten, die natürlich durch die schwere Verletzung getrübt wurden. Es tut mir sehr leid für Sander und den THW Kiel, der noch einiges vorhat in dieser Saison. Der THW wird jetzt noch enger zusammenrücken, um diesen Ausfall kompensieren zu können. Zum Spiel: Wir haben viel versucht und das 7-6 ordentlich gespielt, dann aber in der entscheidenden Phase zu viele Fehler gemacht. In der zweiten Halbzeit haben wir das ein bisschen besser gelöst, vielleicht auch, weil sich die Kieler ein bisschen zurückgenommen haben. Ich wünsche dem THW Kiel viel Erfolg und Sander gute Besserung. 

THW-Kreisläufer Hendrik Pekeler bei Sky: Ich kann den Fuß schon wieder ein wenig belasten, das ist schon eine große Erleichterung. In knapp zwei Wochen kann ich die Krücken weglegen. Ich möchte nicht erst 2023 wieder spielen, sondern schon in diesem Kalenderjahr. Ich habe mit Uwe Gensheimer gesprochen, der hat ein halbes Jahr für das Comeback gebraucht, das ist auch mein Ziel.
… zu Sander Sagosen: Den Ausfall können wir gar nicht gebrauchen. Auf meinen Ausfall haben wir mit Bjarte Myrhol reagiert, aber einen Ausfall von Sander Sagosen können wir nicht kompensieren. Auf ihn ist unser Angriffsspiel zugeschnitten, er hat die meisten Aktionen. Wenn so ein Spieler ausfällt, ist das immer tragisch und sehr, sehr schade.

THW-Kreisläufer Bjarte Myrhol: Es hat einen Riesen-Spaß gemacht, ab dem Einlaufen habe ich mich schon riesig gefreut. Es war sehr emotional, einmal als Spieler der Heimmannschaft in diese Halle einzulaufen - und das mit der Nummer acht auf dem Rücken. Damit ist irgendwie auch ein Traum wahr geworden. Es war schön, das zu erleben, auch wenn die Verletzung von Sander einen Schatten darüber gelegt hat. Das tut uns allen weh, und Sander natürlich besonders. Das Spiel bei den Löwen - ausgerechnet zu Andy Schmids letztem Heimspiel - wird mein nächstes Abenteuer.