Zebras erkämpfen sich Punkt beim Titel-Mitfavoriten aus Berlin

Bundesliga

Zebras erkämpfen sich Punkt beim Titel-Mitfavoriten aus Berlin

Welch' eine Spannung, was für ein Drama: Das Topspiel der LIQUI MOLY Handball-Bundesliga am Sonntagnachmittag zwischen den Berliner Füchsen und dem THW Kiel endete nach einem Handball-Spektakel mit einem 28:28 (14:14)-Unentschieden. Es hätte mehr herausspringen können für die Zebras, denn 18 Sekunden vor dem Schlusspfiff des Schiedsrichter-Duos Kuttler/Merz hatten sie Ballbesitz und die Entscheidung in ihren Händen. Berlins überragender Torhüter Dejan Milosavljev rettete seinem Team aber den einen Punkt mit einer Parade gegen den Wurf von Sander Sagosen. Durch den Punktgewinn beim Titel-Mitfavoriten beendeten Kieler die 15 Spiele anhaltende Sieges-Serie der Hauptstädter.   

Ekberg bester Torschütze

Niclas Ekberg traf sieben Mal

Erfolgreichster THW-Torschütze war einmal mehr Rechtsaußen Niclas Ekberg, der sieben Mal ins Füchse-Tor traf, allerdings wie die anderen Zebras in Sachen Wurfeffektivität durchaus mit Licht und Schatten zu kämpfen hatte. Domagoj Duvnjak hatte ebenfalls Zielwasser getrunken und erzielte fünf Tore, Patrick Wiencek und Sander Sagosen waren je viermal erfolgreich. Bei den Berlinern glänzte Lasse Andersson mit fünf Toren, allesamt in den ersten 30 Minuten erzielt.

Dynamik, Kampfgeist, Willen und Tempo

Das erwartete Spitzenspiel zwischen beiden bisher verlustpunktfreien Teams im Berliner Fuchsbau hielt, was es von der Papierform versprochen hatte. Es lebte von großer Dynamik, Kampfgeist, Tempo und der extremen Willenskraft auf beiden Seiten. Den 3650 Fans stockte vor allem in der Schlussphase der Atem, als den Kielern in den letzten beiden Minuten der 28:26-Vorsprung noch aus den Händen glitt. Paul Drux traf per Solo zum 27:28, bevor er 30 Sekunden vor dem Ende nur durch ein Foul gestoppt werden konnte. Den fälligen Siebenmeter verwandelte Hans Lindberg an seinem Landsmann Niklas Landin vorbei zum Ausgleich.

Dramatik in den Schlussminuten

Sander Sagosen traf vier Mal

Als Filip Jicha dann 18 Sekunden vor dem Abpfiff zur Auszeit rief, war alles möglich. Kiels Trainer ermahnte seine Männer lautstark, kein Risiko einzugehen: "Einen Punkt haben wir sicher, werft erst frühestens zwei Sekunden vor dem Schlusspfiff!" Gesagt, getan: Die Kieler ließen den Ball um den Füchse-Deckungsverband laufen, ehe dann Sander Sagosen zwei Sekunden vor dem Ende in Wurfposition gebracht wurde. Doch die Entfernung war zu groß, um dem Ball den nötigen Druck mit auf den Weg zu geben. Mit seiner insgesamt 17. Parade verhinderte Milosavljev Kiels Sieg, sein anschließender Wurf aufs leere wurde durch die Sirene gestoppt: Es blieb beim insgesamt leistungsgerechten 28:28.  

Selbstbewusster THW-Start

Die Kieler, die ohne ihren am Oberschenkel verletzten Linksaußen Rune Dahmke antreten mussten, starteten selbstbewusst, setzten auf eine fest zupackende Abwehr um den Mittelblock mit Patrick Wiencek und Hendrik Pekeler und bestimmten den Ablauf der ersten 30 Minuten. Kiels 3:0-Lauf durch die Treffer von Sander Sagosen, Domagoj Duvnjak und Steffen Weinhold zum 4:2 brachte erstmals die Zebras in Front, die auch nach dem 4:4 (8.) durch Lasse Andersson Tempo und Spielverlauf bestimmten. Niclas Ekberg überwand Berlins Torhüter wenig später mit einem Tempogegenstoß zum 6:4, und als Steffen Weinhold in der 12. Minute mit einem frechen Dreher zum 9:6 spektakulär erfolgreich war, legten die Zebras erstmals drei Tore zwischen sich und die Füchse. 

Remis zur Pause

Emotionale Partie auch auf der Bank und auf den Rängen

Doch der Tabellendritte ließ nicht locker, traf mit eigenem 3:0-Lauf (Holm, Wiede, Andersson) zum 9:9, ehe zwei Tore des bärenstarken Patrick Wiencek und der Treffer von Niclas Ekberg die die von gut 200 Fans lautstark unterstützen Kieler erneut mit drei Toren (13:10, 23. Minute) enteilen ließen. Die letzten Minuten der ersten Halbzeit standen dann im Zeichen von Schiedsrichter-Entscheidungen, die nicht immer die Zustimmung aller Beteiligten fanden. Holm und Lindberg egalisierten schließlich Kiels 14:12-Führung kurz vor dem Pausenpfiff.

Wechselnde Führungen

Steffen Weinhold erzielte drei Treffer

Lindberg war es dann, der mit seinem Tor zum 15:14 die zweite Halbzeit einläutete, die Partie wogte mit wechselnden Führungen jetzt hin und her. Steffen Weinholds Ballklau mit anschließendem Torerfolg und Sander Sagosen Treffer zum 20:18 in der 38. Minute brachten Kiel erneut in Führung, Lindberg, Kopljar und Matthes drehten den Spieß dann auf 21:20, und als Ekberg mit seinem sechsten Treffer und Miha Zarabec zum 22:21 getroffen hatten, waren wieder die Zebras im Vorteil. Warum dem sehenswerten Außentreffer von Magnus Landin zum vermeintlichen 23:21 wegen eines Stürmerfouls die Anerkennung versagt wurde, wird eines der ungelösten Rätsel dieses Spiels bleiben. Die Füchse nutzen diese Vorlage und gingen ihrerseits durch zwei Marsenic-Tore mit 23:22 in Führung.

Kieler mit Punktgewinn zufrieden

Harald Reinkind traf kurz vor Schluss

Gut, dass Niklas Landin in dieser Phase aufdrehte: Spektakulär seine Parade mit einem sehenswerten Spagat in der 50. Minute gegen den Wurf von Hans Lindberg. So bog die Partie in die Schlussphase ein, Paul Drux traf in der 54. Minute zur 26:25-Führung für die Füchse, ehe Zarabec mit einem fantastischen Stemmer ausglich und Niclas Ekberg nach einem Einläufer und Anspiel von Sander Sagosen Kiel in der 57. Minute zum 27:26 warf. Harald Reinkind war es dann, der seinen Farben mit seinem ersten Tor überhaupt zwei Minuten vor dem Schlusspfiff auf Kurs Punktgewinn brachte. Der Rest ist bekannt. "Mit dem Punkt bin ich einverstanden", erklärte Jicha später. "Berlin hat untermauert, dass sie um die Meisterschaft mitspielen wollen. Mit einer etwas besseren Wurfeefektivität wäre heute sogar noch ein bisschen mehr für uns drin gewesen." Kiels Geschäftsführer Viktor Szilagyi fasste zusammen: "Wir haben einen Punkt bei einem direkten Konkurrenten um die Meisterschaft gewonnen."

Am Mittwoch kommt Zagreb

Die Kieler wechseln in den kommenden Wochen wieder zwischen der "stärksten Liga der Welt" und der europäischen Königsklasse: Am Mittwoch empfangen die Zebras den neuformierten HC PPD Zagreb, der unter anderem mit Torhüter Filip Ivic (kam aus Celje), Ivan Cupic (Vardar), Jakov Gojun (Berlin) und Zeljko Musa (Magdeburg) zum Angriff bläst. in der Wunderino Arena zum zweiten Heimspiel in der Gruppenphase. Anwurf ist um 18:45 Uhr, Tickets für die Begegnung gibt es in der THW-FANWELT (Mo-Mi & Fr 10-15h, Do 13-18h, Sa 10-14h) und online unter www.thw-tickets.de. Am Spieltag hat die THW-FANWELT durchgängig von 10 Uhr bis zum Anpfiff geöffnet, der Einlass erfolgt nach den 3G-Regeln (mehr Informationen). Weiter geht's gegen Zagreb, Kiel! 

Text: Reimer Plöhn / Fotos: Michael Hundt

LIQUI MOLY HBL, 6. Spieltag: Füchse Berlin - THW Kiel: 28:28 (14:14)

Füchse Berlin: Genz (n.e.)Milosavljev (1.-60., 17 Paraden); Wiede (2), Holm (4), Andersson (5), Lichtlein, Lindberg (4/3), Michalczik, Morros, Chrintz, Matthes (3), Kopljar (2), Vujovic (1/1), Koch (2), Marsenic (3), Drux (2); Trainer: Siewert
THW Kiel: N. Landin (1.-60., 10 Paraden), Quenstedt (n.e.); Ehrig, Duvnjak (5), Sagosen (4/1), Reinkind (1), M. Landin (1), Weinhold (3), Wiencek (4), Ekberg (7/1), Dahmke (n.e.), Zarabec (2), Horak (n.e.), Bilyk (n.e.), Pekeler (1); Trainer: Jicha

Schiedsrichter: Maike Merz / Tanja Kuttler
Zeitstrafen: Füchse: 4 (Lindberg (22.), Andersson (34.), 2x Marsenic (42., 46.), Drux (50.)) / THW: 3 (Sagosen (30.), Wiencek (39.), Pekeler (60.))
Siebenmeter: Füchse: 4/4 / THW: 3/3
Spielfilm: 1:0, 2:1 (3.), 2:4 (5.), 4:4 (8.), 4:6 (10.), 6:7, 6:9 (12.), 9:9 (18.), 9:12 (22.), 10:13, 12:13 (26.), 14:14 (30.);
15:14, 18:18 (36.), 18:20 (38.), 21:20 (41.), 21:22, 23:22 (46.), 24:23, 24:25 (50.), 26:25 (54.), 26:28 (58.), 28:28.
Zuschauer: 3650 (ausverkauft) (Max-Schmeling-Halle, Berlin)

Stimmen zum Spiel:

THW-Trainer Filip Jicha: Das war ein echtes Spitzenspiel, das sehr, sehr intensiv war und mit einer unglaublichen Energie in den Zweikämpfen geführt wurde. Beide Mannschaften hatten einen unfassbaren Willen, jeden Zweikampf zu führen und um jeden Zentimeter zu kämpfen. Mir hat gefallen, wie wir diesen Kampf angenommen haben. Mit dem Punkt bin ich einverstanden, Berlin hat untermauert, dass sie um die Meisterschaft spielen wollen. Um hier beide Punkte mitnehmen zu können, hätte bei uns die Angriffseffektivität größer sein müssen. Deshalb sind meine Jungs ein bisschen geknickt. Aber insgesamt war das heute Werbung für den Handball.

Füchse-Trainer Jaron Siewert: Glückwunsch an beide Mannschaften für diese Werbung für unseren Sport und an unsere Fans: Ohne sie wären wir heute nicht einmal in die Nähe dieses Resultats gekommen. Wir hatten heute mit ein bisschen mehr Sieben-gegen-Sechs und 3-2-1 der Kieler gerechnet, aber wir hatten heute mit Milosavljev einen großen Rückhalt. Genau solche Paraden brauchst du, wenn du diesen Punkt gegen Kiel holen willst. Das Wort "Meisterschaft" werde ich aber nicht in den Mund nehmen, Kiel und Magdeburg sind sehr gut drauf.  

Stefan Kretzschmar, Vorstand Sport der Füchse: Ich sehe vier zufriedene Gesichter auf dem Pressekonferenz-Podium. Das war ein kolossales Handballspiel mit großen Emotionen auf dem Platz, auf den Bänken und auf den Zuschauertribünen. Heute standen sich zwei Spitzenteams gegenüber, Kiel hat relativ wenig technische Fehler gemacht. Dafür hatten wir mit Milosavljev unseren stärksten Fuchs, der unglaublich stark gehalten hat. Man hat aber auch gesehen, dass zwei Paraden von Landin reichen, um das Spiel wieder zu kippen. So eng ist Handball, und wir können einen Punkt gegen ein Weltklasse-Team feiern.

THW-Geschäftsführer Viktor Szilagyi: Das war ein sehr intensives, phasenweise hochklassiges Spiel. Das Unentschieden geht in Ordnung, auch wenn wir am Ende zwei Angriffe hatten, in denen wir mit einer besseren Effektivität auch beide Punkte hätten holen können. Aber: Wir haben auswärts bei einem Mitkonkurrenten um die Meisterschaft einen Punkt geholt, der am Ende der Saison noch sehr wichtig werden kann.

Füchse-Kapitän Paul Drux bei sky: Wir haben die Kräfte bei uns ganz gut verteilt, aber es war super intensiv und hat mal wieder richtig Spaß gemacht, vor einer - so weit wie möglich - ausverkauften Halle zu spielen. Es war richtig geil, beide Mannschaften haben sich nichts geschenkt und wir haben den Zuschauern ein schönes Handballspiel geboten. Zum Schluss - als ich den Siebenmeter herausgeholt habe - war es viel Kampf, da muss man clever spielen. Wir haben extra nicht versucht, den Schuss aus der Distanz zu nehmen, weil Niklas Landin da Weltklasse ist. Ich habe versucht, die Chance zu nutzen, und daran, dass Hans Lindberg den Siebenmeter dann reinmacht, haben wir alle geglaubt.