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KN: Regel-Reform statt Revolution

Bundesliga

KN: Regel-Reform statt Revolution

Kiel. Die Handball-Welt beäugt fünf seit dem 1. Juli geltende Regeln kritisch (wir berichteten). Wie sehr werden sie das Spiel verändern? "Das ist eine Reform, keine Revolution", sagt Bundesliga-Schiedsrichter Kay Holm. Der 47-Jährige aus Hagen (Kreis Segeberg) brachte in einem Workshop der Vereinigung Schleswig-Holsteinischer Sportjournalisten (VSHS) Medienvertretern die Änderungen näher und beleuchtete sie aus Sicht der Unparteiischen.

Bundesliga-Schiedsrichter Kay Holm erklärt die neuen Handballregeln

Gemeinsam mit dem Hamburger Matthias Brauer hat Holm fast 800 Bundesliga- und DHB-Pokalspiele geleitet. Aus seiner Sicht wird sich bei drei Neuerungen gar nicht viel verändern. Die Sonderregeln der letzten 30 Spielsekunden wurden bereits in der vergangenen Saison in den Bundesligen angewandt, werden nun auf den gesamten Spielbetrieb ausgeweitet. So wird es auch nicht mehr zu Unklarheiten wie beim Pokalspiel zwischen Melsungen und den Rhein-Neckar Löwen kommen. Ohnehin sind Falschauslegungen der neuen Regeln kein Protestgrund. "Es sind Tatsachenentscheidungen", erklärt Holm. Er sieht "Rot plus Strafwurf" bei Verhinderung einer Torchance oder schnellen Spielfortsetzung positiv. "Früher profitierten die Falschen, nämlich der nächste Gegner durch die automatische Sperre eines Spielers. Jetzt profitiert die aktuell geschädigte Mannschaft." Die Blaue Karte ist lediglich ein Stück Transparenz. "Nach Außen soll deutlich gemacht werden, dass der Roten Karte ein Bericht und damit eine Sperre folgt", sagt Holm. Und auch beim passiven Spiel sieht er keine Revolution. "Das ist nicht die Änderung, die wir uns gewünscht haben", sagt er. "Man hat alles nach dem Vorwarnzeichen geregelt - aber das Entscheidende, nämlich wann ein Schiedsrichter Zeitspiel signalisiert, ist immer noch Ermessenssache." Wie die Mehrheit aller Beteiligten hätten sich auch die Unparteiischen eine festgelegte Angriffszeit gewünscht. "Wir sind etwas unglücklich darüber, dass wir das noch selbst und damit subjektiv regeln müssen." Wie die anderen Änderungen wurde die neue Passivregel bei den Panamerika-Meisterschaften getestet - im gesamten Turnier gab es keinen einzigen Freiwurf wegen Zeitspiels. "Nicht weil die Schiedsrichter die Pässe nicht richtig gezählt haben, sondern weil kein Angriff nach erhobenem Arm über den vierten Pass hinausging", berichtet Holm. Größere Folgen könnte die Zwangspause für auf dem Feld behandelte Spieler haben. Nicht nur THW-Coach Alfred Gislason befürchtet Vorteile für hart spielende Teams. Denn gibt es keine Strafe, könnte so ein wichtiger Gegenspieler aus dem Spiel genommen werden. Holm betont in diesem Zusammenhang ein grundsätzliches Vorhaben der Schiedsrichter: "Wir müssen die Progression im Auge behalten und früh Bestrafungen aussprechen, um solche Dinge zu unterbinden." Es gehe darum, in den ersten zehn Minuten einen Rahmen festzusetzen, von Beginn an konsequent zu pfeifen. Ob Schauspielereien so wie erhofft ausbleiben, wird sich ebenso zeigen wie die Antwort auf die Frage, ob sich tatsächlich angeschlagene Spieler über die Belastungsgrenze hinaus schinden, nur um nicht pausieren zu müssen. "Wir müssen selbst Erfahrungen sammeln, etwa bei den Vorbereitungsspielen", so Holm. Gravierendste Änderung ist die Neuregelung des siebten Feldspielers. Auch hier besteht die Befürchtung, unfaire Teams würden bevorzugt, da eine Unterzahl durch den leichteren Wechsel von Feldspieler zu Torwart nicht mehr so schwer wiegt. Auch eine massive Beeinflussung des Abwehrverhaltens weg von offensiven Deckungsformen steht im Raum. Das kann Holm ohne praktische Erfahrung nicht ausräumen, doch sieht er auch Vorteile: "Es entsteht ein größerer taktischer Spielraum für die Trainer." Das sieht THW-Coach Gislason anders, fand der Isländer doch klare Worte zu den "komischen Regeln, die den Handball ruinieren könnten". Landsmann und Bundestrainer Dagur Sigurdsson ist weniger drastisch, findet die Neuerungen spannend: "Ich habe viele Überlegungen angestellt. Mal sehen, was unsere Gegner machen, wir müssen darauf reagieren. Ich glaube, es wird sehr interessant." In Rio sind die Nationalspieler Versuchskaninchen und die Bundesliga-Schiedsrichter Beobachter. Die Änderungen waren am vergangenen Wochenende Thema des Elitekader-Lehrgangs. Wie die Umsetzung hierzulande gelingt, weiß Handball-Deutschland am 27. August: Dann stehen die Erstrundenturniere im DHB-Pokal an. (Von Niklas Schomburg, aus den Kieler Nachrichten vom 12.07.2016)