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KN: Ein Abend der großen Emotionen

Bundesliga

KN: Ein Abend der großen Emotionen

Kiel. Es ist 21.40 Uhr am Freitagabend. Die Halle ist in schrillen Jubeltaumel gehüllt, und doch übertrumpft ein Urschrei den Lärm. Ein Urschrei von Filip Jicha, mit dem er die Meisterschale in die Luft reißt und sie kräftig schüttelt. Über 60 Minuten hat der THW-Kapitän sich im Zaum halten müssen, hat keine Chance seine Emotionen im Spiel abzustreifen, denn eine Schambein-Entzündung hindert ihn daran, das letzte Saisonspiel mitzubestreiten. 

Nach der Überreichung der Schale feierten die THW-Stars

Umso mehr löst sich nun bei ihm die Anspannung. Und während hinter ihm die Teamkollegen in Gebrüll ausbrechen, die Pyro-Fontänen samt Böllerschuss in die Luft jagen und die Zuschauer den Lärmpegel noch einmal in die Höhe treiben, reicht der Kapitän das Objekt der Begierde, diesen flachen Silberteller, nur zu gern an seine Kollegen weiter.An den jungen Rune Dahmke etwa, der mit einem breiten Grinsen seinen unglaublichen Aufstieg innerhalb eines Jahres realisiert – vom Amateur zum Stammspieler beim deutschen Meister. Oder an Steffen Weinhold, der als Champions-League-Sieger kam und nun auch den deutschen Meistertitel in seine Vita aufnehmen kann. Auch an die weiteren Zugänge der Saison, an Domagoj Duvnjak und Joan Canellas, die schon Weltstars waren und doch erst in dieses Team hineinwachsen mussten. 

Die scheidenden Kollegen nehmen die Schale mit besonderer Ehrfurcht entgegen wie Rasmus Lauge, mit Küsschen wie Aron Palmarson oder mit Genuss wie Andreas Palicka. Palle hatte einige Minuten mehr Zeit, sich auf diesen Moment vorzubereiten. In der 51. Minute der abschließenden Partie beendete er seinen Dienst beim THW Kiel. Nach sieben Jahren in Kiel bekommt er mit seiner Auswechslung seinen Extra-Moment. Das Publikum verneigt sich vor dem Schweden, der in der abgelaufenen Saison zu seiner besten Leistung gefunden hat, mit einem gesonderten Applaus. Die Meisterschalen in tausendfacher Pappausfertigung werden zu diesem Zeitpunkt im weiten Rund gewunken.

Noch mehr als eine halbe Stunde nach Spielschluss ist die Halle mit Tausenden Zuschauern gefüllt. Sie erleben mit, wie Trainer Alfred Gislason mitten im Fernseh-Interview die obligatorische Bierdusche über sich ergehen lassen muss. Und sie schwelgen in Abschiedsstimmung, als die scheidenden Spieler mit Geschenken von Filip Jicha und Spielszenen vom Videowürfel aus Kiel verabschiedet werden. Steinar Ege und Henrik Lundström, die vom Verein aus dem Handball-Ruhestand zurückgeholt wurden, um in der Verletzten-Notlage auszuhelfen, erleben diesen Abschied bereits zum zweiten Mal. Rasmus Lauge denkt mit gemischten Gefühlen an seine Kieler Zeit zurück: "Ich habe diese Zeit sehr genossen, obwohl ich zwei schwere Verletzungen hatte." Und obwohl er nun zum Erzrivalen nach Flensburg geht, beteuert der Däne: "Ich wünsche diesem THW noch viele Erfolge. Wir sehen uns wieder." Wie Lauge geht auch Johan Sjöstrand nach zwei Jahren als Zebra: "Für diesen Verein zu spielen, war ein Kindheitstraum für mich. Ich bin sehr stolz." Für Andreas Palicka und Aron Palmarsson endet dagegen jeweils eine Ära. "Ich bin ja als junger Mann gekommen, mit zwölf oder so", behauptet Palmarsson. "Ich möchte mich bedanken - vor allem bei Sabine (Holdorf-Schust, d. Red.), bei Alfred (Gislason, d. Red.) und bei Uwe Schwenker." Und dann darf Andreas Palicka noch einmal an das Mikrofon: "Ich habe immer mit Stolz meinen Dienst hier versehen." In sieben Jahren ist Kiel nicht nur seine sportliche Heimat geworden. "Mein größter Diamant ist ein Kieler – mein Sohn." Den größten Edelstein will der THW zügig fest an Kiel binden: Manager Thorsten Storm kündigte während der Meisterfeier an, dass er heute auf Sylt mit Alfred Gislason über eine Vertragsverlängerung bis 2019 sprechen will. (Von Ralf Abratis und Wolf Paarmann, aus den Kieler Nachrichten vom 6.6.2015, Fotos: Sascha Klahn)