Coole Kieler nehmen zwei Punkte vom TVB Stuttgart mit in die Nationalmannschafts-Woche

Bundesliga

Coole Kieler nehmen zwei Punkte vom TVB Stuttgart mit in die Nationalmannschafts-Woche

Der THW Kiel hat seine letzte Auswärtsaufgabe vor der Nationalmannschafts-Woche erfolgreich absolviert: Beim um den Klassenerhalt kämpfenden TVB Stuttgart gewannen die Zebras am Sonntagnachmittag mit 35:32 (23:19). In der ausverkauften Porsche Arena blieben die Kieler nach einer rasanten ersten Hälfte selbst dann cool, als Ex-Torhüter Samir Bellahcene nach dem Seitenwechsel zu großer Form auflief und seine Mannschaft so zum Ausgleich verhalf. Auf der schwarz-weißen Seite war indes Tomas Mrkva mit 16 Paraden einer der Garanten für den 20. Sieg im 20. Duell mit den Baden-Württembergern, während offensiv die Linkshänder ihre Torlaune auslebten: Der überragende Emil Madsen traf zehnmal, Lukas Zerbe war 9/4 Mal erfolgreich. 

Wiedersehen mit starkem Bellahcene

Der THW Kiel bleibt der Ergebnis-Albtraum für den TVB Stuttgart. Auch im 20. Aufeinandertreffen in der DAIKIN Handball-Bundeliga gab's für die Schwaben gegen die Zebras nichts zu holen. Der TVB bot zwar eine starke Leistung, musste sich dem Favoriten aber verdientermaßen beugen und  und steckt weiterhin im Abstiegskampf. Beide Mannschaften boten den 6300 Fans in der ausverkauften Porsche-Arena eine großartige Partie, vor allem in der ersten Halbzeit, die zu einem sehr unterhaltsamen wie temporeichen Torfestival avancierte. Bei den Gastgebern war Samir Bellahcene auffälligster Akteur. Der Franzose steigerte sich gegen seine ehemaligen Mitspieler nach dem Seitenwechsel enorm, hielt insgesamt 14 Bälle auf, davon zehn in den zweiten 30 Minuten. Ihm hatten die Stuttgarter es zu verdanken, dass sie kurz nach dem Wechsel zweimal ausgleichen konnten. Letztlich aber hatten die Kieler alles im Griff, lieferten vor der kommenden Nationalmannschafts-Woche eine souveräne Leistung ab und halten weiterhin Kontakt zu den vorderen Plätzen in der Tabelle.

42 Treffer in Halbzeit eins

Dem Rekordmeister fehlten in der baden-württembergischen Metropole mit Nikola Bilyk (Oberschenkelverletzung) und Harald Reinkind (Mittelhandbruch) erneut zwei wichtige Rückraumakteure, die Last lag also einmal mehr auf den Schultern der vier verbliebenen Stamm-Rückraumspieler. Kapitän Domagoj Duvnjak, Erik Johansson, Emil Madsen und Elias Ellefsen á Skipagötu wurden den Anforderungen mehr als gerecht, drückten dem Spiel von Beginn an ihren Stempel auf. "Dule" und Co. schoben die Kieler Tormaschinerie lauf- und trickreich an, traten in den ersten 30 Minuten gar eine Torlawine los, an der sich auch die Gastgeber beteiligten. 23:19 stand es beim Halbzeitpfiff, ein Ergebnis, das in vielen Spielen als Endresultat taugte. Die Zuschauer in der Porsche-Arena kamen so voll auf ihre Kosten, der Sieg nach 60 Minuten aber ging mit in den hohen Norden.

Zerbe mit sieben Toren vor der Pause

Kreisläufer Lukas Laube eröffnete den Torreigen, traf nach glänzendem Anspiel von Ex-Nationalspieler Kai Häfner. Die Kieler antworteten mit einem Doppelschlag durch Madsen und Patrick Wiencek, der nach Steal per Tempogegensoß zum 2:1 für den THW einnetzte. Eine Viertelstunde lang wogte das Geschehen hin und her. Mit Vorteil für die Angreifer auf beiden Seiten. Beide Torhüter bekamen zunächst keine Hand an den Ball. 10:10 hieß es nach 13 Minuten. Allerdings: Für die Kieler spielte sich Rechtsaußen Lukas Zerbe in den ersten 30 Minuten mit einer 100-prozentigen Torquote in den Vordergrund, der 29-Jährige traf genau wie Madsen vor dem Wechsel siebenmal ins TBV-Netz, dreimal von der Siebenmeterlinie. Trickreich und torgefährlich zeigte sich zudem á Skipagötu, der gegnerische Abwehrlöcher suchte und fand, außerdem als ideenreicher Anspieler glänzte. 

Zur Halbzeit liegen die Zebras vier Tore vorn

Davon profitierte gegen Ende des ersten Abschnitts vor allem Madsen: Der dänischer Linkshänder brachte seine Zebras mit einem Dreierpack zwischen der 16. und 20. Minute mit 15:12 in Front, war verantwortlich für den ersten deutlichen Vorsprung der Partie. Zunächst nach Einläufer und Anspiel von "Skippy", dann über die zweite Welle, nachdem Tomas Mrkva gegen Max Häfner und Vujovic glänzend pariert hatte. Die erste Vier-Tore-Führung ging in der 24. Minute auf das Konto von á Skipagötu, der trocken zum 19:15 einwarf. Weil Tomas Mrkva sich mehr und mehr zur unüberwindlichen Wand im Tor aufbaute, lagen die Zebras in der 27. Minute mit 22:17 vorn, brachten durch den Hammer von Eric Johansson kurz vor dem Pausenpfiff noch die 23:19-Führung mit in die Halbzeitkabine.

Kieler Torflaute beim Neustart

Aus der kehrten die Zebras dann mit einer fast zehnminütigen Ladehemmung aufs Spielfeld zurück. Maßgeblich beteiligt an der plötzlichen Kieler Torflaute war Samir Bellahcene, der seinen Kasten schlichtweg zunagelte: Zerbe scheiterte zweimal, auch Hendrik Pekeler fand seinen Meister in dem Franzosen, der auch á Skipagötu nervte. Laube, Max Häfner und zwei verwandelte Strafwürfe von Fernandez fanden auf der anderen Seite ihr Ziel. In der 40. Minute hatte der TBV Stuttgart ausgeglichen, die Zuschauer in der Porsche-Arena witterten eine Überraschung. Sie hatten ihre Rechnung aber ohne die Nervenstärke des Rekordmeisters gemacht. Mrkva parierte gegen Kai Häfner, stand dann Matzken im Weg. Und vorne beendete Pekeler die neunminütige Kieler Torflaute mit einem Wirkungstreffer vom Kreis. Eric Johansson war es, der die Zebras erneut mit zwei Toren nach vorne warf. Zweimal noch, beim 25:25 und 27:27, schafften die Gastgeber aber einen Gleichstand.

THW Kiel entscheidet die Partie mit 4:0-Lauf

Dann aber setzten sich die Zebras vorentscheidend ab. Madsen traf wie er wollte, Tomas Mrkva mischte Beton im THW-Tor an. Der folgende 4:0-Lauf beendete Stuttgarts Ambitionen: Madsen nach schneller Mitte und nach Wienceks Steal per Gegenstoß, Överby nach feinem Anspiel von á Skipagötu, und Magnus Landin traf in der 51. Minute zum 31:27. Und weil Mrkva seine Glanzleistung mit großartigen Paraden gegen Häfner und Serrano noch einmal unterstrich, machten Wiencek und dann Johansson in der 58. Minute mit einem Kracher unter die Latte den Deckel auf das Spiel. 35:30, die Kieler Angriffsgala fand ein vom eigenen Anhang gefeiertes Ende, während die Zebras vor allen Dingen ihren ehemaligen Mitspieler Bellahcene herzten. "Er hat damals viel für die Stimmung in der Kabine getan und ist ein feiner Kerl", sagte Hendrik Pekeler - und verabschiedete sich in Richtung des Franzosen, um ihn in den Arm zu nehmen.

Nationalmannschafts-Woche und dann Heimspiel gegen Lemgo

Nach der Partie zerstreute sich die Zebraherde einmal mehr in alle Winde: Die Nationalmannschafts-Woche mit Qualifikationsspielen hat die Handball-Welt in den kommenden Tagen fest im Griff. Für die Kieler weiter geht es dann mit einem Heimspiel: Am Mittwoch, 15. Mai, gastiert um 20 Uhr der TBV Lemgo Lippe in der Wunderino Arena. Die Ostwestfalen, die zuletzt mit einem deutlichen Heimsieg gegen Flensburg, der unglücklichen Last-Minute-Niederlage in Hannover und dem Neun-Tore-Sieg gegen Gummersbach auf sich aufmerksam machten, reisen mit breiter Brust an die Förde und wollen sich für die knappe 22:23-Heimniederlage gegen den THW Kiel an Weihnachten revanchieren. Karten für das Spiel gibt es in der THW-FANWELT; bei CITTI und online unter www.thw-tickets.de. Weiter geht’s Mitte Mai gegen Lemgo, Kiel!

Text: Reimer Plöhn / Fotos: Tom Weller/24passion

DAIKIN Handball-Bundesliga, 28. Spieltag: TVB Stuttgart - THW Kiel 32:35 (19:23)

TVB Stuttgart: Vujovic (17.-27., 1 Parade), Bellahcene (1.-17., 27.-60., 14 Paraden); Bacani, M. Häfner (3), Serrano (2), Fernandez (7/4), Oberman, Schöttle (3), Pribetic (2), Toskas (1), Röthlisberger, Matzken (3), Laube (6), Zieker (1), K. Häfner (4), Rubin; Trainer: J. Schweickardt
THW Kiel: Mrkva (1.-60., 16 Paraden), Wolff (n.e.); Duvnjak, Landin (1), Överby (1), Wiencek (2), Pabst (n.e.), Johansson (5), Dahmke (1), Zerbe (9/4), Kutz (n.e.), Madsen (10), Pekeler (2), á Skipagötu (4), Imre (n.e.); Trainer: Jicha

Schiedsrichter: Thomas Kern / Thorsten Kuschel
Zeitstrafen: TVB: 1 (Röthlisberger (9.)) / THW: 3 (2x Pekeler (15., 34.), Överby (43.))
Siebenmeter: TVB: 4/4 / THW: 4/4
Spielfilm: 1.Hz.: 1:0, 1:2 (2.), 3:4 (5.), 5:4 (7.), 8:7 (9.), 8:9 (11.), 12:12 (16.), 12:15 (19.), 15:17 (22.), 15:19 (23.), 17:20 (25.), 17:22 (26.), 19:22 (29.), 19:23;
2. Hz:23:23 (37.), 23:24 (40.), 25:27 (45.), 27:27 (47.), 27:31 (51.), 29:33 (54.), 30:35 (59.), 32:35.
Zuschauer: 6300 (ausverkauft) (Porsche Arena, Stuttgart)

Stimmen zum Spiel: 

THW-Trainer Filip Jicha: Wir sind mit unserem Angriff sehr gut in diese intensive Partie hereingekommen. Da hatten wir eine sehr hohe Abschlussquote und konnten so Druck auf Stuttgart ausüben und ein wenig absetzen. Mit Beginn der zweiten Halbzeit haben wir das innerhalb von drei Minuten aber alles liegengelassen, vier Fahrkarten, drei nicht so gute Aktionen in der Abwehr – und schon war es wieder ausgeglichen. Ab dr 50. Minute konnten wir uns dann wieder absetzen. Es war ein Spiel, in dem sich beide Halbzeiten glichen. Ich bin aber zufrieden, dass wir mit Geduld gespielt haben und die zwei Punkte mit nach Hause nehmen können.

TVB-Trainer Jürgen Schweickardt: Wir haben ein sehr gutes Spiel gemacht, vor allen Dingen im Angriff. Vielleicht lassen wir wieder ein paar Bälle zu viel liegen bei den freien Würfen, aber was wir in der ersten Hälfte offensiv gespielt haben, war nahezu perfekt. In der Abwehr leider nicht, da hatten wir in den ersten 30 Minuten zu wenig Zugriff und zu wenig Paraden. Zweite Halbzeit sind wir dran, aber am Ende fehlen in allen Bereichen ein paar Prozent. Ein bisschen Abwehr, ein bisschen Angriff, vielleicht auch ein bisschen Torhüter und der ein oder andere Pfiff, den wir zu wenig bekommen. Leider können wir uns nichts von diesem guten Spiel kaufen.

THW-Torhüter Tomas Mrkva bei Dyn: Wir wussten, dass es hier ein schweres Spiel werden könnte, und das ist es dann auch geworden. Stuttgart hat das sehr gut gemacht. Wir konnten lange nicht ins Spiel finden, uns dann aber kurz vor der Pause ein wenig absetzen. Anfang zweiter Halbzeit hatten wir dann aber eine schwere Phase, in der Stuttgart trotzdem nie in Führung gehen konnte. Vorn haben die Jungs es bis auf diese eine Phase richtig gut gemacht. Deswegen haben wir verdient gewonnen. . Ich freue mich, dass ich mit meinen 16 Paraden helfen konnte, dieses Spiel nach Hause zu bringen. Ich habe mich für Samir über dessen Leistung in der zweiten Halbzeit gefreut, er ist ein richtig guter Torhüter, was er bei uns ja auch gezeigt hat. Jetzt  sind wir froh, dass wir ein paar Tage frei haben. Die Rückreise wird eher ruhiger, weil wir alle richtig tot sind.

TVB-Kreisläufer Lukas Laube bei Dyn: Wir können auch ein bisschen stolz sein auf uns. Vor solch einer Kulisse gegen den THW Kiel solch ein Spiel zu absolvieren, zeigt, was wir können. Aber es fehlen auch drei, vier Prozent. Das wissen wir, und das hat uns Kiel heute auch vor Augen geführt. Wir haben offensiv einen Top-Handball gespielt, Da können wir uns nichts vorwerfen. Aber das, was wir in den ersten 30 Minuten hinten gespielt haben, reicht einfach nicht. Emil Madsen hat uns ein paar Bälle zu viel ins Tor gefeuert, aber wir hatten uns vorgenommen, nach der Pause besser in der Abwehr zu stehen, damit unsere Torhüter auch ein paar Würfe halten können. Die Paraden haben uns beflügelt, wir sind ins Tempo gekommen, was das Spiel dann insgesamt einfacher macht.

THW-Kreisläufer Hendrik Pekeler bei Dyn: Gegen Mannschaften, die um den Klassenerhalt kämpfen, ist es auswärts richtig schwer. Stuttgart kämpft um die Existenz, und deshalb hatten wir auch ein schweres Spiel erwartet. Den Spielverlauf hatten wir uns aber ein Stück weit auch selbst zuzuschreiben. Wir gehen mit vier Toren Vorsprung in die Halbzeit, lassen dann aber Anfang der zweiten Hälfte zu viel liegen und Stuttgart damit wieder heran. Da hat Samir einfach zu viele freie Bälle gehalten, das war der Grund für unseren schwierigen Start in die zweite Hälfte. Insgesamt hat der TVB im Angriff stark gespielt, konnte mit dem Kreisläufer machen, was er wollte. Zum Glück hat Tomas einige Paraden gezeigt, sodass wir die Punkte mit nach Hause nehmen können.

Wir wollen mit einem guten Gefühl zu den Maschinensucher EHF Finals fahren, damit wir zum weiteren Saison-Höhepunkt auch richtig fit sind. Die Intensität im Training ist daher im Moment ein ganzes Stück größer als normalerweise in dieser Phase. Das erklärt vielleicht auch die leicht schweren Beine heute (schmunzelt).