THW Kiel gewinnt mit seinen Fans neuerlichen Kraftakt gegen den TVB Stuttgart
Es war ein neuerlicher Kraftakt, an dessen Ende die Zebras gemeinsam mit ihrer fantastischen Kulisse von 9.871 Fans in der Wunderino Arena zwei wichtige Punkte feierten: Die Zebras setzten sich am Sonnabendabend in der kämpferisch auf hohem Niveau geführten Partie verdient mit 29:24 (15:14) Toren gegen den TVB Stuttgart durch. Es war der 20. Triumph in der 20. Auseinandersetzung mit den Schwaben. Das Team von Trainer Filip Jicha hatte nach dem Pokal-Erfolg in Hamburg nur zweimal geschlafen, mobilisierte aber letzte Kräfte und brachte gegen die Süddeutschen einen hart erarbeiteten Sieg unter Dach und Fach. Auffälligster Spieler in Reihen der Zebras war der junge Neuzugang Bence Imre, der zehnmal ins Tor der Stuttgarter traf.
Andi Wolff Rückhalt in der Crunch-Time
Der Ungar Imre zeigte dabei auch von der Siebenmeterlinie keine Nerven, netzte alle fünf Strafwürfe sicher ein. Gut, dass der THW sich auch wieder auf seine Torhüter verlassen kann: Half am Donnerstag Tomas Mrkva entscheidend mit, den Achtelfinal-Einzug im Pokal zu feiern, so war in der Schlussphase der engen Partie gegen Stuttgart wieder einmal auf Rückkehrer Andi Wolff Verlass: Wolff nagelte in den letzten wichtigen zehn Minuten seinen Kasten zu und wurde so zum mitentscheidenden Rückhalt seiner Mannschaft. Die Kieler steckten auch die äußerst fragwürdige Rote Karte gegen Magnus Landin weg, der in der 45. Minute nach Videobeweis und einem vermeintlichen Foulspiel an Kai Häfner beim Stand von 21:20 vom Feld geschickt wurde. Er habe keine Rote Karte schinden wollen, sagte der deutsche Nationalspieler nach der Partie. "Ich habe nur einen schmerzhaften Schlag gegen meine Schulter verspürt. Mehr weiß ich nicht."
Wolff: "Am Ende haben uns die Zuschauer gepusht"
Es sei nicht einfach gewesen gegen die unbeschwert aufspielenden Stuttgarter, sagte Andreas Wolff, "aber am Ende haben uns die Zuschauer gepusht, sie haben uns sehr geholfen, das Spiel zu gewinnen." Ob er Zweifel gehabt habe, dass es mit dem Sieg über die Schwaben in der engen Schlussphase noch klappen würde, wurde Deutschlands Torhüter Nummer eins gefragt. "Nein, überhaupt nicht, ich habe niemals Zweifel, wenn ich im Tor des THW Kiel stehe", sagte Wolff und schmunzelte. THW-Trainer Filip Jicha hatte erneut nur einen dezimierten Kader zur Verfügung. Harald Reinkind (Fersen-OP), Nikola Bilyk (Muskelfaserriss) und Elias Ellefsen á Skipagötu (Knieprobleme) waren nur Zuschauer, so lag die Last auf den verbliebenen wenigen Rückraumspieler-Schultern: Domagoj Duvnjak, Eric Johansson und Emil Madsen standen im Startaufgebot, wurden später durch Karl Wallinius und das junge Eigengewächs Henri Pabst unterstützt.
Vujovic ärgert Zebras
Die letzten Spiele in minimaler Rückraum-Besetzung waren nicht spurlos an den Kielern vorbeigegangen. Sie kamen gegen die Schwaben, die am Mittwoch gegen Zweitligist Coburg ein bitteres Pokal-Aus erlitten hatten, nur schwer ins Laufen, lagen nach fünf Minuten durch die Tore von Pribetic und Rubin 0:2 zurück. Als erster im THW-Team legte Neuzugang Bence Imre die Scheu vor dem gegnerischen Tor ab, markierte von Rechtsaußen den ersten THW-Treffer. Domagoj Duvnjak setzte danach auf Geschwindigkeit, jagte den Ball beim 2:2 mit 123 km/h unter die Latte von Torhüter Vujovic, der in der Folge ein guter Schlussmann seiner Mannschaft war, nacheinander gegen Emil Madsen, Eric Johansson und Duvnjak zur Stelle war. Er hielt seine Farben mit seinen Paraden auf Augenhöhe und in Front.
Johansson wirft sich ins Getümmel
Und die Zebras? Rannten sich in den Anfangsminuten oft in der dichtgestaffelten Abwehr der Stuttgarter fest. Immerhin hatte Bence Imre in seinem bisher besten Spiel für die Kieler Heißhunger auf Tore, erzielte bereits nach zehn Minuten seinen dritten Treffer. Nach 14 Minuten wurde es sogar ein wenig unruhig auf den erfolgsverwöhnten Tribünen. Vujovic zeigte eine weitere Glanzparade gegen Emil Madsen, und vorne warfen Zieker und Pribetic den Außenseiter nach 14 Minuten mit 7:5 in Front. Die Kieler blieben ruhig, hatten in Duvnjak einen umsichtigen Regisseur und mit Eric Johansson einen Rückraumschützen, der in diesen wichtigen Minuten zur Stelle war und die Lücken in der Gästeabwehr konsequent nutzte. Der Schwede traf unter Zeitdruck per Solo zum 7:7 und in der 20. Minute mit einem Unterarm-Kracher zum 9:8 - es war die erste Führung für die Kieler. Die Fans honorierten es mit stehenden Ovationen.
Knappe Kieler Pausenführung
Stuttgarts Antworten waren zu diesem Zeitpunkt viele Foulspiele, die von den Unparteiischen konsequent mit Zeitstrafen geahndet wurden. So standen in der 23 Minuten für 17 Sekunden nur vier TVB-Spieler auf dem Parkett. Holztreffer und technische Fehler verhinderten in dieser Phase eine höhere Kieler Führung. Mehr als zwei Tore brachten die Jicha-Schützlinge nicht zwischen sich und die eifrigen Gäste, die in der 28. Minute sogar wieder auf 13:13 egalisierten. Der junge Henri Pabst brachte Kiel erneut in Front, Karl Wallinius erhöhte auf 15:13, ehe Massana fast mit dem Pausenpfiff auf 14:15 verkürzte. In den zweiten 30 Minuten spielten beide Mannschaften lange Zeit auf Augenhöhe. Auffälligster Kieler Spieler war zunächst wieder Kapitän Duvnjak, der selbst zweimal in wichtigen Phasen traf, zudem Hendrik Pekeler zweimal in Folge großartig in Szene setzte. Kiels Kreisläufer bedankte sich in der 44. und 45. Minute mit den Treffern zum 20:19 und 21:20. Dann folgte Rot gegen Landin und der Ausgleichstreffer von Zieker per Siebenmeter. Als Eric Johansson dann unglücklich am Pfosten scheiterte, warf Lenny Rubin den Gast mit 22:21 in Front - die Halle war da längst zum Tollhaus geworden.
Zebras schalten in den Express-Gang
Denn die Zebras antworteten prompt: Rune Dahmke traf zum Ausgleich, Patrick Wiencek netzte in der 50. Minute das großartige Johansson-Anspiel ein. Damit läutete er die beste Kieler Phase ein. Mit Wut im Bauch über die Landin-Entscheidung, den sie nun frenetisch anfeuernden Fans im Rücken und Andreas Wolff im Tor machte der THW Kiel nun einen auf Express. Imre traf doppelt zum 25:22, und als Andreas Wolff den Siebenmeter plus Nachwurf von Zieker unschädlich machte, die Arena mit seinen Glanzparaden noch lauter machte, bogen die Kieler auf die Siegerstraße ein. Dahmke verwandelte nach Duvnjak-Pass und Einläufer eiskalt zum 26:22 und als Emil Madsen in der 58. Minute das 27:22 folgen ließ, war Stuttgart zum 20. Mal geschlagen.
Dienstag Heimspiel-Start in die EHF European League
Am Dienstag startet der THW Kiel endlich auch in den dritten Wettbewerb: Um 20:45 Uhr ist der spanische Handball-Senkrechtstarter Bathco BM Torrelavega, aktuell sensationell Tabellenführer der Liga Asobal, zu Gast in der Wunderino Arena. Die Gäste von der Atlantikküste bestreiten in Kiel ihr erstes internationales Spiel, folglich ist die EHF European League-Partie auch das erste Aufeinandertreffen mit den Zebras. Für den Heimauftakt auf der europäischen Bühne gibt es noch Tickets in fast allen Kategorien, rund 3500 Plätze sind bisher belegt. Eintrittskarten sind unter www.thw-tickets.de sowie in der THW-FANWELT, die Dienstag von 10 bis 20:45 Uhr geöffnet hat, und bei CITTI erhältlich. Weiter geht’s gegen Torrelavega, Kiel!
Text: Reimer Plöhn / Fotos: Sascha Klahn
DAIKIN HBL, 5. Spieltag: THW Kiel – TVB Stuttgart: 29:24 (15:14)
THW Kiel: Mrkva (28.-45., 1 Parade), Wolff (1.-28., 45.-60., 10/1 Paraden), Bellahcene (n.e.); Duvnjak (4), Landin, Överby (1), Wiencek (1), Pabst (1), Johansson (3), Dahmke (2), Zerbe (n.e.), Kutz (n.e.), Madsen (3/1), Wallinius (2), Pekeler (2), Imre (10/2); Trainer: Jicha
TVB Stuttgart: Starkloff (57.-60., keine Parade), Vujovic (1.-57., 11/1 Paraden); Bacani, Serrano (2), Pribetic (5), Reguart (4), Toskas (3), Ivankovic, Eckert, Laube (1), Zieker (3/2), Häfner (1), Rubin (5); Trainer: Schweikardt
Schiedsrichter: Steven Heine / Sascha Standke
Zeitstrafen: THW: 2 (Wallinius (39.), Landin (41.)) / TVB: 5 (Ivankovic (21.), Häfner(22.), Pirbetic (23.), Laube (25.), Zieker (49.))
Rote Karte: Landin (THW, grobes Foulspiel (45.))
Siebenmeter: THW: 6/5 Vujovic hält Madsen (27.)) / TVB: 3/2 (Wolff hält Zieker und den Nachwurf (55.))
Spielfilm: 0:2 (5.), 2:2 (7.), 5:5, 5:7 (13.), 7:8 (17.), 9:8 (20.), 11:9 (22.), 13:11 (25.), 13:13, 15:13 (29.), 15:14;
2. Hz: 16:14, 17:15 (35.), 17:17 (38.), 21:20 (44.), 21:22 (49.), 27:22 (58.), 29:24.
Zuschauer: 9871 (Wunderino Arena, Kiel)
Stimmen zum Spiel:
THW-Trainer Filip Jicha:Stuttgart konnte heute komplett befreit aufspielen, das hat der TVB auch sehr gut gemacht. Wir hingegen haben in der ersten Halbzeit kaum Zweikämpfe gewonnen. Den Fokus in Richtung Tor hatten wir dann erst in der zweiten Hälfte. Trotzdem war das Spiel lange Zeit ausgeglichen, es war ein erneuter Kraftakt – ohne Wenn und Aber. Ich habe einen Riesen-Respekt vor meinen Jungs, da Hamburg nur zwei Tage her ist. Unsere drei Rückraumspieler werden nicht frischer, deshalb ein Kompliment für den entscheidenden 6:0-Lauf. Bence hat ein sehr gutes Spiel gemacht, Eric hatte einen unfassbaren Willen, Dule war als Kapitän und Anführer da, als er gebraucht wurde, ist in die Tiefe gegangen, hat das Spiel gelenkt. Es war heute viel Arbeit dabei, aber auch guter Handball. Besonders gefreut hat mich heute, wie die Fans und die ganze Halle hinter dem Team stand. Das war toll zu erleben. Jetzt gibt es morgen einen Tag frei, dann ist Montag Abschlusstraining und Dienstag wieder spiel – weiter geht’s!
TVB-Trainer Michael Schweikardt: Wir hatten unglaublich schwere Voraussetzungen. Da war der Dämpfer mit dem Pokal-Aus in der Woche, dann haben wir einen Spieler nach dem anderen verloren und am Ende hat uns noch eine Krankheitswelle erwischt, die zwei Spieler und vier Staffmitglieder außer Gefecht gesetzt hat. Umso bemerkenswerter war es, wie wir gefightet und uns hier präsentiert haben. Es war unser bestes Saisonspiel, ein Lebenszeichen von uns. Wir hatten eine Phase, in der uns das Spiel wegläuft. Wenn du aber in Kiel was holen willst, muss auch solch eine Phase für dich laufen. Trotzdem ein Kompliment an meine Mannschaft.