Geschlossen auftretender THW Kiel holt zwei wichtige Auswärtszähler in Göppingen
Am Donnerstag tüteten die Zebras bemerkenswerte Champions-League-Punkte in Paris ein, auf der Rückfahrt mit der schweren Auswärtshürde in Göppingen kamen weitere zwei wichtige Zähler dazu: In der LIQUI MOLY Handball-Bundesliga gewann der THW Kiel am Sonntagnachmittag bei Frisch Auf! mit 34:27 (19:13), feierte in der mit 5600 Zuschauern restlos ausverkauften EWS Arena einen wichtigen und verdienten Sieg. Nach der kraftraubenden Partie in Paris zeigten die Zebras Biss und Willen in der "Hölle Süd", bester Werfer im weißen Kieler Trikot war Elias Ellefsen á Skipagötu, der den Ball fünfmal ins Göppinger Tor schmetterte. Der Rest der Treffer verteilte sich nahezu aufs ganze Team, was die mannschaftliche Geschlossenheit bei diesem Auswärtserfolg unterstreicht. So waren Patrick Wiencek und Magnus Landin je viermal erfolgreich, und in der Schlussphase schraubte der nach einem Kopftreffer am Auge lädierte Torhüter Tomas Mrkva mit seinen Paraden den Deckel auf den Erfolg.
Pekeler: "Selbstvertrauen hinzugewonnen"
Nach dem Coup von Paris waren die Zebras am Freitag mit dem Schnellzug TGV in dreieinhalb Stunden nach Stuttgart gefahren, hatten sich dann im nahe von Göppingen gelegenen Schmiden im "Hotel Hirsch" der Familie des Star-Gastronomen Michael Ottinger einquartiert und in der Sporthalle Waiblingen mit Trainingseinheiten auf die Bundesliga-Partie bei FAG vorbereitet. Mit Erfolg. THW-Kreisläufer Hendrik Pekeler fiel nach dem schwer erkämpften Erfolg bei den Schwaben ein Stein vom Herzen. "Es ist immer schwer, hier in Göppingen gut auszusehen. Es stand dann auch Spitz auf Knopf, und ich bin froh, dass wir das Spiel gewonnen haben", sagte der THW-Kreisläufer und Abwehrchef. "Nach unserer schlechten Phase im Oktober war es der dritte Sieg in Folge. Aber wir haben nach der Länderspielpause drei schwere Spiele am Stück. Ich hoffe, dass wir dann an die guten Leistungen der letzten Spiele anknüpfen können. Selbstvertrauen haben wir jedenfalls dazugewonnen."
Mrkvas schmerzhafter Auftakt
THW-Trainer Filip Jicha setzte bei seiner Startaufstellung auf á Skipagötu als Mittelmann, Halblinks fing Nikola Bilyk an und im Tor stand zunächst Tomas Mrkva. Für den Tschechen begann die Partie schmerzhaft: Bereits nach 42 Sekunden wurde Kiels Schlussmann von Kresimir Kozina abgeschossen. Unabsichtlich, aber mit Wirkung: Der Ball traf Mrkva mitten ins Gesicht, er blieb über eine Minute lang liegen, raffte sich dann nach Behandlung zum fälligen Siebenmeter auf - um den von Schiller geworfenen Strafwurf dann aus dem Netz zu fischen. Kurz darauf musste Mrkva mit Problemen am Auge passen, musste Samir Bellahcene Platz machen.
Göppingen mit dem besseren Start
FAG bestimmte dann die ersten Minuten, legte durch Schmidt und Heymann eine Führung vor, á Skipagötu war dann jeweils zur Stelle, um mit raffinierten Würfen auszugleichen. In der sechsten Minute traf der junge Färinger mit einem Hammer unter die Latte zum dritten Mal und gleichzeitig zur ersten THW-Führung: 4:3. Doch das hatte nur kurze Zeit Bestand: Mit einem 3:0-Lauf bestraften die Gastgeber Kieler Unsicherheiten im Angriff und die Unterzahl, nachdem der vorn vogelwild attackierte á Skipagötu für eine läppische Abwehr-Aktion zwei Minuten bekommen hatte. Doch Frisch Auf! war das egal, der Altmeister führte nach Hermanns Wurf ins leere Kieler Tor nach acht Minuten mit 6:4.
Kiel kontert und gleicht aus
Als Heymann wenig später mit einem Kracher zum 7:5 für den Altmeister einwarf, nahm Filip Jicha in der neunten Minute seine frühe erste Auszeit. Er schwor die Mannschaft ein und stellte Samir Bellahcene zwischen die Kieler Pfosten. Der Franzose war sofort zur Stelle, parierte zweimal in Folge. Magnus Landin und Eias "Skippy" á Skipagötu nutzten die Ballgewinne, glichen zum 7:7 aus. Schmidt brachte Göppingen erneut in Front, Bilyk glich aus - zusätzlich verhängten die Unparteiischen eine Zeitstrafe gegen Schmidt. Hendrik Pekeler traf wenig später überlegt ins verwaiste FAG-Tor, sorgte beim 9:8 in der 14. Minute für die zweite Kieler Führung. Erneut wogte das Spiel mit wechselnden Führungen hin und her. Persson warf in der 18. Minute zum 11:11 für die Gastgeber ein.
Zebras zünden den Turbo
Dann aber zündeten die Zebras ihren Turbo, packten in der Abwehr fester zu, klauten in Gestalt von Domagoj Duvnjak und Magnus Landin Bälle, profitierten auch von technischen Fehlern des Kontrahenten und nutzten eigene Chancen eiskalt. Diese beste Phase der Kieler endete schließlich in einem 6:0-Lauf, der wohl vorentscheidend für die gesamte Partie war. Bilyk traf aus dem Rückraum, Niclas Ekberg versenkte den Ball nach einem Einläufer, und auch die zweite Auszeit von FAG-Coach Markus Baur hielt den THW-Express nicht auf. Sven Ehrig netzte das Anspiel von á Skipagötu ein, Eric Johansson ließ es genauso krachen wie Duvnjak, und als "Skippy" den Ballklau von Duvnjak in der 26. Minute im Göppinger Netz versenkte, führte der Deutsche Meister mit 17:11. In der EWS Arena war es plötzlich mucksmäuschenstill, nur noch die THW-Fans waren zu hören. Wenig später wurden die Seiten gewechselt, der THW verschwand mit einem verdienten Polster von 19:13 in den Kabinen.
Kurzfristig Sand im Kieler Getriebe
Den ersten Treffer im zweiten Abschnitt erzielte mit Magnus Landin dann wieder ein Kieler, á Skipagötu hatte den THW-Linksaußen vortrefflich bedient. Bis zur 40. Minute verwaltete der THW dann seinen klaren Vorsprung, Filip Jicha wechselte, gab allen Spielern Anteile am Geschehen. Eduardo Gurbindo kam für Harald Reinkind, hatte gleich mit seinem Treffer zum 23:17 einen Einstand nach Maß. Dann aber kam mit den müder werdenden Beinen Sand ins Kieler Angriffsspiel. Außerdem scheiterten Johansson, Duvnjak und Co. mehrfach an FAG-Schlussmann Marin Sego, der Glanzparaden am Stück zeigte, vor allem Kiels Siebenmeterschützen düpierte: Nacheinander scheiterten Ekberg, á Skipagötu und schließlich auch Magnus Landin an Göppingens Schlussmann. Der THW-Vorsprung schrumpfte. Filip Jicha hielt mit einer Auszeit dagegen, forderte verloren gegangene Lockerheit zurück und appellierte an die Kampfkraft seiner Mannen. Zunächst aber verkürzte Heymann in der 50. Minute mit einem weiteren Kracher aus dem Rückraum auf 23.25.
THW Kiel agiert in überlegener Schlussphase
Außerdem ordnete Jicha den letztlich entscheidenden Offensiv-Schachzug an: Die Zebras setzten auf das Sieben-gegen-Sechs im Angriff, es war das goldrichtige Konzept. Weil die Kieler es so effektiv spielten, das Göppingen nur noch die Zuschauerrole blieb. Patrick Wiencek wurde in dieser schwierigen Phase am Kreis gesucht und gefunden, erzielte wichtige Tore. Außerdem beorderte Jicha Tomas Mrkva zurück ins Tor, der Tscheche wurde schnell zum wichtigen Rückhalt. Als Harald Reinkind in der 56. Minute zum 30:26 traf, wurden die Kieler Mienen entspannter. Markus Baur bemühte seine letzte Auszeit. Vergeblich. Der THW war nicht mehr aufzuhalten. Bilyk netzte zum 32:27 ein, Johansson nahm sich ein Herz, traf wuchtig zum 33:27. Und fast mit dem Schlusspfiff war erneut Patrick Wiencek zur Stelle, sorgte für den Treffer zum 34:27-Endstand.
Nationalmannschafts-Pause für den THW Kiel
Nach jetzt 18 Pflichtspielen seit dem Supercup-Sieg Ende August legen die Zebras erst einmal eine kurze Pause ein. Durchschnaufen können die meisten Spieler des THW Kiel allerdings nicht: Gleich zehn von ihnen reisten zum Teil noch direkt aus Göppingen zu ihren Nationalmannschaften. Weiter geht es für den THW Kiel im November mit einem weiteren Auswärts-Doppelpack: Am Donnerstag, 9.11. (19 Uhr) sind die Zebras bei der TSV Hannover-Burgdorf gefordert, drei Tage später (12.11, 14:05 Uhr, beide live bei Dyn) bei den Rhein-Neckar Löwen. Das nächste Heimspiel der Kieler ist am Donnerstag, 16.11. (18:45 Uhr) die Top-Partie in der Königsklasse gegen Aalborg Handbold. Für diese Begegnung, dem Wiedersehen mit Ex-Torhüter Niklas Landin, gibt es noch Tickets bei CITTI, in der THW-FANWELT und online unter www.thw-tickets.de. Weiter geht’s nach der Nationalmannschafts-Pause, Kiel!
Text: Reimer Plöhn / Fotos: Frisch Auf!
LIQUI MOLY HBL, 11. Spieltag: Frisch Auf! Göppingen – THW Kiel 27:34 (13:19)
Frisch Auf! Göppingen: Ravensbergen (1.-25., 4 Paraden, 1 Tor), Buchele (n.e.), Sego (25.-60., 10/3 Paraden); Kneule (3), Goßner, Heymann (6), Poteko, Persson (1), Schiller (6/4), Lastro (2), Röller, Newel (1), Hermann (1), Kozina (2), Malus (1), Schmidt (3); Trainer: Baur
THW Kiel: Mrkva (1.-9., 54.-60., 7/1 Paraden), Bellahcene (9.-54., 9 Paraden); Ehrig (2), Duvnjak (3), Reinkind (3), Landin (3/1), Øverby (1), Wiencek (4), Ekberg (3/2), Johansson (4), Dahmke (n.e.), Gurbindo (1), Wallinius, Bilyk (3), Pekeler (2), á Skipagøtu (5); Trainer: Jicha
Schiedsrichter: Sebastian Grobe / Adrian Kinzel
Siebenmeter: FAG: 5/4 (Mrkva hält Schiller, Nachwurf verwandelt (58.)) / THW: 6/3 (Sego hält Ekberg (29.), á Skipagötu (32.), Landin (43.))
Zeitstrafen: FAG: 6 (Lastro (9.), Schmidt (13.), 2x Schiller (29., 59.), Heymann (35.), Poteko (40.)) / THW: 4 (á Skipagötu (6.), Duvnjak (14.), 2x Øverby (21., 38.))
Spielfilm: 2:1 (3.), 3:2, 3:4 (6.), 6:4 (8.), 7:5, 8:7 (13.), 8:9 (14.), 10:9 (17.), 11:11 (18.), 11:17 (25.) , 12:19 (27.), 13:19;
2. Hz.: 13:20 (31.), 15:20, 15:22 (37.), 17:22, 20:23 (46.), 21:25 (48.), 23:25 (50.), 26:28 (54.), 26:31 (57.), 27:32 (58.), 27:34.
Zuschauer: 5600 (ausverkauft) (EWS-Arena, Göppingen)
Stimmen zum Spiel:
THW-Trainer Filip Jicha: Ich möchte zunächst einmal meiner Mannschaft gratulieren. Wir hatten großen Respekt vor diesem Spiel. Auch, weil die Partie in Paris richtig Kraft gekostet hat. Daher wussten wir, dass wir in Göppingen Außergewöhnliches leisten müssen, um zu gewinnen. Mich hat gefreut, mit welchem Elan wir in die Partie gegangen sind. Anfangs waren wir vielleicht mit zuviel Respekt und Nervosität unterwegs, das war dann ein bisschen Handball Marke Brechstange. Dann sind wir noch vor der Pause ins Laufen gekommen. In der zweiten Halbzeit kamen wir dann in eine Stresssituation. Wir hatten da nicht mehr die frischesten Beine, und Göppingen hat das gnadenlos ausgenutzt. Dann kam Tomas, der nach dem Kopftreffer mit Augenproblemen kämpfte, zurück, zeigte einige Paraden. Und wir haben das Sieben-gegen-Sechs im Angriff auf den Punkt gespielt. Ich bin froh, dass wir hier gewonnen haben.
FAG-Trainer Markus Baur: Die Niederlage passt, fiel aus meiner Sicht aber leider ein bisschen zu hoch aus. Die ersten 15, 20 Minuten waren ok, dann haben wir in Überzahl zwei klare Aktionen weggeworfen und der THW Kiel ist von 11:11 auf 17:11 weggezogen. Dann wird es schwer. Wir hatten uns deshalb für die zweite Halbzeit vorgenommen, unsere Angriffseffektivität zu steigern und überzeugter in unsere Aktionen zu gehen. Wir sind dann rangekommen und haben bei zwei Toren Vorsprung für Kiel wieder die Chance, heute was mitzunehmen. Dann kam das Kieler Sieben-gegen-Sechs, auf das wir uns zwar vorbereitet hatten, das der THW Kiel heute aber so genau auf den Punkt und klar gespielt hat, dass es uns das Genick gebrochen hat. Aber ich ziehe den Hut vor der Leistung meiner Mannschaft in der zweiten Halbzeit. Das ist die Basis, auf der wir aufbauen wollen.
THW-Kapitän Domagoj Duvnjak: Wir sind überglücklich, dass wir unsere Aufgabe hier erledigt und gewonnen haben. Diese Woche haben wir genossen: Wir haben in Paris und in Göppingen gewonnen, das ist das, was zählt. Heute waren wir in der ersten Halbzeit überragend, in der zweiten Hälfte kam Marin Sego mit seinen Paraden. Er hat Göppingen zurück ins Spiel gebracht. Aber wir waren geduldig genug, die zwei Punkte zu holen.
THW-Linksaußen Magnus Landin: Das war ein hart erkämpfter, aber verdienter Sieg. Wir haben fast das gesamte Spiel kontrolliert, hatten nur einen kurzen Ausfall in der Mitte der zweiten Halbzeit. Wir haben heute super gekämpft und sind auf einem guten Weg, haben zwei gute Auswärtsspiele in den letzten Tagen gemacht und wissen, woran wir nach der Nationalmannschafts-Pause anknüpfen müssen.