Zebras erkämpfen sich gemeinsam mit ihren Fans zwei Heimpunkte gegen den TBV Lemgo Lippe
Der TBV Lemgo Lemgo ist wahrhaftig kein THW-Lieblingsgegner. Erinnert sei an die Pokal-Halbfinalniederlage 2021 und die 32:33-Heimschlappe vom vergangenen November. Am Sonntagnachmittag jubelte der THW mit seinem Anhang hingegen wieder über einen Sieg gegen die Lipperländer. Die Zebras arbeiteten konsequent gegen ihre Nervosität an, spielten eine gute Partie und schickten den TBV in der LIQUI MOLY Handball-Bundesliga mit einer 29:33 (14:16)-Niederlage auf die Heimreise. "Wir haben gewonnen, das ist wichtig", bilanzierte Kapitän Domagoj Duvnjak die 60 intensiven Minuten. Diese mündeten letztlich in einem Arbeitssieg. "Wenn es mal nicht so richtig läuft für das Team, dann muss man kämpfen. Das haben wir heute beherzigt, wurden mit dem Sieg belohnt." Kiels Kapitän ging voran: Duvnjak ließ alles auf dem Feld, war nicht nur kämpferisches Vorbild in den hinteren Abwehrreihen, sondern glänzte auch im Angriff: Er erzielte fünf wichtige Tore für sein Team.
Ekberg bester Torschütze
Bester Kieler Torschütze war Rechtsaußen Niclas Ekberg: Der Schwede steuerte sechs Treffer zum Kieler Sieg bei. Das Lachen fand auch zurück ins Gesicht von Karl Wallinius. Der junge Rückraumspieler wurde erst in der 44. Minute von Trainer Filip Jicha ins Rennen geschickt, packte aber sofort den Hammer aus, katapultierte fünf Bälle in die Lemgoer Maschen und avancierte damit in der Schlussphase zum Garant für den Kieler Erfolg. In der mit 10285 Fans ausverkauften Wunderino Arena fand Wallinius zu Spielfreude und Selbstvertrauen zurück. Erfolgreichster Schütze in Reihen der Mannschaft von Trainer Florian Kehrmann war Samuel Zehnder, der siebenmal ins Kieler Tor traf.
Gäste setzen auf Tempo-Verschleppung
Filip Jicha setzte zunächst auf seine erfahrenen Kräfte, startete ohne seine jungen Leute in die Partie. So fehlten die beiden Schweden Eric Johansson und Wallinius, Elias Ellefsen á Skipagötu blieb zunächst draußen. Im Tor vertraute Kiels Trainer auf Tomas Mrkva, der Tscheche wurde verlässlich und schnell zum Rückhalt der 6:0-Abwehr. Die Partie begann allerdings zähflüssig: Ekberg eröffnete den Torreigen mit verwandeltem Strafwurf, Lukas Zerbe, der in der kommenden Saison die Seiten wechselt, glich von Rechtsaußen zum 1:1 aus. Versteijnen traf wenig später zum 2:1 für Lemgo, es war die erste Gästeführung und zugleich die letzte in diesem Spiel. Harald Reinkind traf aus dem Rückraum für Kiel, Rune Dahmke erzielte das 3:2. Zäh ging es weiter, was auch an der extrem langsamen Spielweise der Gäste lag: Diese kreiselten rund um den Kreis, brachten den Ball nach Kieler Torerfolgen mit aller Ruhe und enervierender Gelassenheit zurück zur Mitte. Domagoj Duvnjak machte dem Treiben ein Ende und war mit energischem Einsatz zur Stelle: "Dule" wuchtete den Ball zum 4:3 in die Maschen.
Knappe Kieler Pausenführung
Tim Suton markierte in der zehnten Minute das 4:4. Die Kieler legten in der Folge vor, der TBV Lemgo Lippe glich aus. Der permanent Druck machende Nikola Bilyk erzielte dann die erste Zwei-Tore-Führung für die Zebras, traf in der 16. Minute zum 9:7. Tim Suton mit sehenswertem Kempa-Trick und Lukas Hutecek stellten allerdings erneut auf Gleichstand. Nach dem dritten Treffer in seinem dritten Versuch brachte Rune Dahmke die Zebras auf 10:9 nach vorn, erneut war es dann Zerbe, der egalisierte. Es war der letzte Gleichstand beim Aufeinandertreffen des Rekord- gegen den Altmeister. Denn nun drehten die Zebras auf, begünstigt durch berechtigte Zeitstrafen für die Gäste. Ekberg läutete den ersten 3:0-Lauf für die Zebras per Siebenmeter ein, Petter Överby und Bilyk ließen dann bis zur 24. Minute die 13:10-Führung folgen. Grundlage für den kurzen Kieler Höhenflug waren die Glanzparaden von Tomas Mrkva, der Bälle von Zerbe und Suton abwehrte. In der Folge schmetterte Harald Reinkind den Ball in den Lemgoer Torwinkel, Sven Ehrig brachte den Ball im leeren TBV-Tor unter: Die Kieler hatten ihre Nase in der 26. Minute mit 15:11 vorn. TBV-Trainer Kehrmann reagierte, stellte Finn Zecher für Urh Kastelic zwischen die Pfosten. Zecher führte sich glänzend ein, parierte zweimal gegen Sven Ehrig. So robbten sich die Gäste bis zum Pausenpfiff auf 14:16 heran.
Zebras spielen sich frei
Nach Wiederanpfiff wurde es für kurze Zeit noch enger. Hutecek traf zweimal, Harald Reinkind ließ es ebenfalls krachen. 17:16 leuchtete nach 33 Minuten auf dem Videowürfel. Zeit für einen erneuten 3:0-Lauf der Zebras. Domagoj Duvnjak übernahm Verantwortung, traf zweimal energisch aus dem Rückraum, ballte die Fäuste. Niclas Ekberg war dann von Rechtsaußen erfolgreich, der THW hatte sich in nur drei Minuten auf 20:16 abgesetzt. Längst hatte Eduardo Gurbindo Reinkinds Platz eingenommen, in Abwehr und Angriff zahlte "Gurbi" das Vertrauen seines Trainers mit starker Leistung zurück. Gurbindo fügte sich verlässlich ins Kieler Spiel ein: Glänzend von Duvnjak freigespielt, traf der spanische Neuzugang nach 39 Minuten selbst zum 21:17, mischte in der Abwehr kräftig mit am Kieler Beton und sorgte für ein klares Aufbauspiel. Und auch die anderen "Zebras" schienen sich freizuspielen: Großartig war das Rückhand-Anspiel von "Dule", das Patrick Wiencek wuchtig zum 22:17 verwertete.
Wallinius sorgt für die Entscheidung
Florian Kehrmann reagierte mit der nächsten Auszeit, Filip Jicha schickte dafür in der 44. Minute Rückraumspieler Karl Wallinius aufs Parkett. Der Schwede war sofort hellwach, traf in der 45. Minute zum 25:20, holte wenig später einen Siebenmeter heraus, den Ekberg kaltschnäuzig zum 27:23 verwandelte. Die Gäste aber ließen nicht locker, Suton verkürzte nach 51 Minuten auf 24:27, forderte die Auszeit von Filip Jicha heraus. Die letzte Traineransprache war dann zündend für einen großartigen Kieler Schlussspurt - getragen von Wallinius' Treffsicherheit. Wie ein Strich fanden die Würfe des Schweden jetzt ihr Ziel. Seinen fünften Volltreffer schmetterte Wallinius dann in der 57. Minute in die Lemgoer Maschen - 33:25, die Vorentscheidung war gefallen, die Fans feierten ihre Zebras. Und die Zebras ihren jungen Schweden, den sie zum Zentrum ihres Jubelkreises machten: Ausdruck des starken Kieler Teamspirits.
Auswärtstour bis zur Nationalmannschafts-Pause
Nach dem letzten Heimspiel im Oktober spielen die Kieler bis zur Nationalmannschafts-Pause nur noch auswärts: Am Mittwoch geht’s nach Paris, wo am Donnerstag um 20:45 Uhr das Spitzenspiel der Machineseeker EHF Champions League bei Paris Saint-Germain angepfiffen wird. Aus der französischen Hauptstadt reisen die Zebras mit dem Zug direkt weiter nach Baden-Württemberg, denn am Sonntag steht dort um 16:30 Uhr die LIQUI MOLY HBL-Partie bei Frisch Auf Göppingen an. Beide Partien werden live von Dyn gezeigt. Weiter geht’s in Paris, Kiel!
Text: Reimer Plöhn / Fotos: Sascha Klahn
LIQUI MOLY HBL, 10. Spieltag: THW Kiel – TBV Lemgo Lippe 33:29 (16:14)
THW Kiel: Mrkva (1.-60., 10/1 Paraden), Bellahcene (3 Siebenmeter, 2/2 Paraden); Ehrig (1), Duvnjak (5), Reinkind (3), Landin, Øverby (1), Wiencek (3), Ekberg (6/3), Johansson (n.e.), Dahmke (3), Gurbindo (1), Wallinius (5), Bilyk (3), Pekeler (2), á Skipagøtu; Trainer: Jicha
TBV Lemgo Lippe: Zecher (24.-60., 6 Paraden), Kastelic (1.-24., 2 Paraden); Hutecek (3), Theilinger, Zehnder (7/2), Brosch (2), Tomashevskyi, Lærke (2), Schagen, Carstensen, Suton (5), Zerbe (5/1), Versteijnen (5), Houtepen, Petrovsky; Trainer: Kehrmann
Schiedsrichter: Steven Heine / Sascha Standke
Siebenmeter: THW: 3/3 / TBV: 6/3 (Mrkva hält Zehnder (26.), Bellahcene hält Zehnder (47., Nachwurf verwandelt) und Brosch (52.))
Zeitstrafen: THW: 3 (Øverby (26.), Reinkind (32.), Wie3ncek (47.)) / TBV: 4 (Petrovsky (17.), Versteijnen (21.), Zerbe (24.), Brosch (28.))
Spielfilm: 1:0, 1:2 (5.), 3:2 (7.), 6:6 (14.), 8:6; 9:7 (16.), 9:9 (18.), 10:10, 13:10 (24.), 15:11 (25.), 15:13 (28.), 16:14
2. Hz.: 17:16 (33.), 20:16 (36.), 22:17 (39.), 26:21 (46.), 26:23, 27:24 (51.), 29:24, 31:25 (55.), 33:26 (57.), 33:29.
Zuschauer: 10285 (ausverkauft) (Wunderino Arena, Kiel)
Stimmen zum Spiel:
THW-Trainer Filip Jicha: Wir nehmen die Glückwünsche gerne an. Ich bin heute sehr zufrieden mit unserer Leistung, wir haben viel von dem umgesetzt, was wir uns vorgenommen hatten. Wir haben sehr viel Fleiß, sehr viel Arbeit auf die Platte gebracht, und ich habe viele gute Momente gesehen. In den ersten zehn, 15 Minuten konnte man meiner Mannschaft ansehen, dass sie doch ein bisschen nervös ist und die Leichtigkeit deswegen fehlte. Dann bin ich aber stolz darauf, wie meine Jungs den Kampf angenommen und diesen Arbeitssieg eingefahren haben.
TBV-Trainer Florian Kehrmann: Glückwunsch an den THW Kiel zu diesem Sieg. Wir haben in der ersten Halbzeit in den ersten 20 Minuten gut dagegen gehalten, haben im Sechs-gegen-Sechs Bälle erzwingen können. Dann spielen wir gefühlt die letzten zehn Minuten der ersten Hälfte in Unterzahl, und der THW Kiel konnte ein bisschen wegziehen. Wenn man dann gegen den THW und dieses Publikum mit drei, vier Toren hintendran ist, ist es schwierig, wieder heranzukommen. Das ist uns trotzdem gelungen, aber wir werfen beim Ein-Tore-Rückstand zweimal einfache Bälle weg, und die Kieler konnten – wie immer, wenn sie mussten – nachlegen. Beim 24:27 waren wir trotzdem noch dran, haben dann aber nicht das Momentum, eine Parade, einen abgefangenen Ball, bekommen, das es braucht, um hier was mitzunehmen. Denn dafür braucht man einen perfekten Tag, wenngleich ich mit unserer heutigen Leistung zufrieden bin. Wir können erhobenen Hauptes nach Hause fahren.