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Sieg im 108. Derby: Starker THW Kiel zieht Flensburg den Zahn

Bundesliga

Sieg im 108. Derby: Starker THW Kiel zieht Flensburg den Zahn

Kiel feiert, die SG Flensburg-Handewitt erlebt ihre dritte bittere Niederlage innerhalb weniger Tage: Im 108. Landesderby triumphierte der THW Kiel in der Wunderino Arena mit 29:19 (13:8) Toren über den Nordrivalen, feierte bei der Mutter aller Handball-Derbys den 65. Sieg und verteidigte damit in der LIQUI MOLY Handball-Bundesliga die Tabellenführung. Nach der großartigen Handball-Performance badeten die Zebras im Jubel ihrer 10 285 völlig begeisterten Fans, die über die gesamte Spielzeit einen Höllenlärm veranstalteten und so ihre Mannschaft zum Sieg trugen. Bester Torschütze der Schwarz-Weißen war Nikola Bilyk mit sieben Treffern.

Dickes Ausrufezeichen im Meisterschaftsrennen

Niklas Landin war ein starker Rückhalt

Der Derbysieg war eine gelungene Revanche für die bittere 23:36-Hinspiel-Niederlage, im Kampf um die Deutsche Meisterschaft setzten die Kieler zudem ein dickes Ausrufezeichen. "Ein großes Kompliment an meine Mannschaft, sie hat von der ersten bis zur letzten Minute alles gegeben", freute sich Kiels Trainer Filip Jicha. "Wir hatten eine tolle Einstellung, meine Aufgabe war es nur, die Nervosität vor diesem wichtigen Spiel klein zu halten. Und die Meisterschaft? Darüber zu reden, wäre zu früh. Wir haben noch acht Endspiele bis zum Saisonabschluss." In dem großartige Handballfest vor einer völlig begeisterten Kulisse überzeugte der THW vor allem mit bravourösem Einsatz in der Abwehr, hatte in Torhüter Niklas Landin wieder einmal einen Rückhalt der Sonderklasse. Der Däne hielt 17 schwere Bälle auf, kam auf eine Quote von 46 Prozent und wurde zum Albtraum für die Gäste-Angreifer. Bester Schütze beim Sieger war Nikola Bilyk, der siebenmal ins Flensburger Tor traf, Hendrik Pekeler war viermal vom Kreis erfolgreich, Sander Sagosen, Magnus Landin und Harald Reinkind steuerten je drei Tore zum Kieler Sieg bei. 

Beide Abwehrreihen dominieren Anfangsphase

Die erste Viertelstunde stand klar im Zeichen beider Abwehrreihen, die Kieler bissen sich zunächst die Zähne an der variablen SG-Deckungsreihe aus, für Flensburg stand schon früh immer wieder THW-Torhüter Niklas Landin im Weg: Der Däne war von Beginn an hellwach, wurde erneut zum großen Rückhalt seiner Mannschaft. Nach dem 0:1 durch Jakobsen traf Harald Reinkind zum Ausgleich, dann war der enorm präsente Sander Sagosen per Doppelpack zur Stelle, traf in der vierten und sechsten Minute zum 3:1 für den Rekordmeister - Landin hatte zuvor gegen Mensah Larsen und Jakobsen gehalten. Rechtsaußen Hansen brachte die Gäste auf 3:2 heran, den Ausgleich verhinderte dann Miha Zarabec, der Jim Gottfridsson den Ball klaute und selbst zum 4:2 einnetzte. Zarabec' Steal war nur eine der Szenen, in denen man erkennen konnte, dass die Zebras nach der ungewöhnlich langen Spielpause hellwach in dieses Derby gegangen waren.

Kieler übernehmen das Kommando

Verdiente sich ein Sonderlob: Nikola Bilyk

Jim Gottfridsson, der von SG-Trainer Maik Machulla nach langer Verletzungspause das Vertrauen bekam und erstmals wieder von Beginn an dabei war, verkürzte auf 3:4, Hendrik Pekeler ließ die Zebras auf 5:3 enteilen - dann kam vorübergehend Sand ins THW-Angriffsspiel, die Gäste glichen nach 15 Minuten zum 5:5 aus. Zur erneuten SG-Führung reichte es aber nicht, weil Niklas Landin eine Glanzparade an die nächste reihte. Bruder Magnus Landin packte die Chance beim Schopfe, brachte den THW Kiel mit 7:6 in Front, doch Gottfridsson glich in der 21. Minute noch einmal aus. Allerdings zum letzten Mal. Denn jetzt folgte die beste Kieler Phase in der ersten Halbzeit, die nun wie entfesselt spielenden Zebras brachten sich gemeinsam mit ihren Fans selbst auf die Siegerstraße. Pekeler klaute hinten den Ball. Niclas Ekberg schloss den Tempogegenstoß mit frechem Dreher ab, verwandelte anschließend einen Strafwurf, und als Eric Johansson den Ball zum 10:7 in die Flensburger Maschen schmetterte, griff Machulla zur ersten Auszeit, wollte den Kieler Spielfluss stören. Jicha hatte für den Neubeginn eine Ãœberraschung parat, stellte Magnus Landin als Manndeckung für Mensah ab - mit Erfolg: Landin klaute den Ball und schickte Bilyk zum 11:7 auf die Reise. Ãœberhaupt nahmen die Zebras jetzt richtig Fahrt auf, was auch am überragenden Bilyk lag: Der Österreicher setzte sich glänzend in Szene, netzte insgesamt dreimal in Folge ein und machte den Kieler 6:0-Lauf in der 30. Minute perfekt. Jakobsen verkürzte kurz vor dem Seitenwechsel auf den 13:8-Halbzeitstand, die Wunderino Arena stand Kopf. 

Zebras beenden Flensburger Zwischenhoch mit Wucht

Und die Kieler starteten in die zweiten 30 Minuten mit genau jenem Elan, jenem Kampfgeist und jener Treffsicherheit, die sie zuvor ausgezeichnet hatten. Magnus Landin war zweimal zur Stelle, Sander Sagosen wuchtete den Ball in der 35. Minute zum 16:8 in die Flensburger Maschen. Jakobsen hatte nur ein Tor per Siebenmeter entgegenzusetzen, und Machulla hoffte wenig später beim Stand von 17:10 für die Zebras auf die Wirkung eines Torhüterwechsels: Flensburgs Trainer stellte Benjamin Buric für Kevin Möller zwischen die SG-Pfosten. Buric hielt dann auch zwei Bälle auf, Mensah Larsen und Jakobsen verkürzten auf 17:12. Doch das SG-Zwischenhoch wurde von den Zebras zügig beendet: Harald Reinkind packte den 115 km/h-Hammer aus, wuchtete den Ball unter dem Jubel der Fans zum 18:12 in den linken oberen SG-Torwinkel. Zum nächsten SG-Siebenmeter ging Tomas Mrkva zwischen die Pfosten, seine grandiose Strafwurf-Parade gegen Jakobsen riss die Fans einmal mehr von den Sitzen. 

Kiel feiert den Derbysieg

Nikola Bilyk ließ das 19:12, Hendrik Pekeler die 20:12-Führung folgen. Maik Machulla baute auf eine weitere Auszeit, forderte Aggressivität in der eigenen Abwehr. Doch echte Leidenschaft zeigten nur die Zebras, die in der Abwehr kämpften wie die Löwen, keinen Ball verloren gaben. Und vorne viel Spielfreude und die nötige Derby-Wucht an den Tag legten: Sinnbildlich das 23:15 von Johansson, der hart bedrängt von halbrechts den Ball mit über 130 km/h ins lange Eck feuerte. Patrick Wiencek traf in der 48. Minute zum 24:16, und als Bilyk das Traum-Anspiel von Eric Johansson zum 27:17 verwertete, leuchtete in der 56. Minute die erste Kieler Zehn-Tore-Führung auf dem riesigen Hallenwürfel. Der Rest war Jubel auf den Rängen und ein krönender Abschluss durch Bilyks Zaubertor zum 29:19-Endstand. Die Party auf den Rängen und auf dem Parkett war eröffnet - noch Minuten nach dem Schlusspfiff drehte sich La Ola ums Rund, feierten die Kieler Derbysieger gemeinsam mit ihrer unglaublichen "weißen Wand". 

Weiteres Spitzenspiel nach der Nationalmannschafts-Pause

Party auf den Rängen: Derbysieger!

Die Zebras verabschiedeten sich nach der Partie in alle Himmelsrichtungen: Die Nationalmannschaften kämpfen in der kommenden Woche um die EM-Teilnahme oder den EURO Cup. Der THW Kiel ist dann am Mittwoch, 3. Mai, wieder gefordert: Dann steht das Spitzenspiel beim DHB-Pokalsieger Rhein-Neckar Löwen auf dem Programm. Die Begegnung in der mit über 13.000 Zuschauern ausverkauften SAP-Arena wird um 19:05 Uhr angepfiffen, Sky überträgt live. Für den Viertelfinal-Kracher in der Königsklasse gegen Paris Saint-Germain am Mittwoch, 10. Mai (20:45 Uhr), gibt es allerdings noch Tickets: Diese sind in der THW-FANWELT, an allen bekannten Vorverkaufsstellen, bei CITTI, famila und online unter www.thw-tickets.de erhältlich. Weiter geht’s in Mannheim, Kiel!

Text: Reimer Plöhn / Fotos: Sascha Klahn

LIQUI MOLY HBL, 27. Spieltag: THW Kiel – SG Flensburg-Handewitt 29:19 (13:8)

THW Kiel: N. Landin (1.-60., 17 Paraden), Mrkva (1 Siebenmeter, 1/1 Parade); Duvnjak (1), Sagosen (3), Reinkind (3), M. Landin (3), Øverby (n.e.), Wiencek (2), Ekberg (2/1), Pabst (n.e.), Fraatz, Johansson (3), Dahmke, Zarabec (1), Bilyk (7), Pekeler (4); Trainer: Jicha
SG Flensburg-Handewitt: Buric (37.-60., 7 Paraden), K. Möller (1.-37., 7 Paraden); Golla, Hald (1), Einarsson (1), Mensah (3), Sögard, Gottfridsson (2), Hansen (2), Pedersen (1), Jakobsen (5/2), Semper, Mensing (3), L. Möller, Röd; Trainer: Machulla

Schiedsrichter: Tanja Kuttler / Maike Merz
Zeitstrafen: THW: 2 (M. Landin (9.), Wiencek (36.)) / SG: 3 (Hald (3.), Röd (23.), Mensah (55.).
Siebenmeter: THW: 2/1 (Ekberg an den Pfosten (14.)) / SG: 3/2 (Mrkva hält Jakbosen (42.))
Spielverlauf: 0:1, 3:1 (6.), 5:3 (15.), 5:5 (17.), 7:7 (20.), 13:7 (29.), 13:8;
16:8 (36.), 17:9, 17:12 (40.), 20:12 (44.), 23:15 (48.), 25:17 (53.), 28:17 (59.), 29:19.
Zuschauer: 10285 (ausverkauft) (Wunderino Arena, Kiel)

Stimmen zum Spiel: 

THW-Trainer Filip Jicha: Ich bin stolz auf meine Mannschaft, und ich nehme die Glückwünsche von Maik sehr gerne an. Wir haben heute den Fokus vor allen Dingen auf unsere Leistung gelegt und wussten, dass Flensburg in den 14 Tagen, die wir zur Vorbereitung auf das Derby hatten, vier Spiele absolvieren musste. Das haben wir genutzt, und unsere Leidenschaft heute war es, Flensburg immer wieder vor neue Aufgaben zu stellen. Bis zum 7:7 war es ein enges Spitzenspiel mit wenigen Toren, dann haben wir die Abwehr umgestellt und haben mit zwei „billigen“ Ballgewinnen den Schalter umgelegt. Wir haben die Brisanz des Spiels genutzt und die Zuschauer-Energie hat uns sehr geholfen. Flensburg hat gekämpft, aber wir sind dann auch sehr gut aus der Pause gekommen, was uns Elan gegeben hat. Ich freue mich für meine Spieler, dass sie in so einem Spiel solch eine Leistung bringen konnten.

SG-Trainer Maik Machulla:
Glückwunsch an den THW Kiel zum hochverdienten, auch in der Höhe, Sieg. Wenn du es hier nicht schaffst, fehlerfrei zu spielen und die Chancen zu nutzen, geht es hier relativ schnell. Und wenn du dann erst einmal mir vier oder fünf Toren hinten liegst, ist es schwer, zurückzukommen. Wir haben mental sehr harte Tage hinter uns. Wir hatten uns viel vorgenommen, ich hatte mir Präsenz gewünscht und Bereitschaft. Ich wollte Leben in der Mannschaft haben, das habe ich alles gesehen. Die Leidenschaft und die Agressivität waren da, bis zum 7:7 haben wir 20 Minuten lang fantastisch verteidigt. Der THW Kiel musste sich seine Möglichkeiten hart erarbeiten. Dann hat er einen 6:0-Lauf, weil wir viel liegen lassen und uns technische Fehler erlauben. Das wird hier und gegen jede europäische Spitzenmannschaft hart bestraft. Die Nackenschläge vor und nach der Pause konnten wir nur schwer verarbeiten, und dann hat Niklas Landin auch seine außergewöhnliche Qualität wieder unter Beweis gestellt. Das war eine sehr brutale Niederlage, wir sind aktuell sehr angeknockt. Das haben wir uns selbst zuzuschreiben, jetzt müssen wir in die Spur kommen und wieder Erfolgserlebnisse feiern. Von der Meisterschaft brauchen wir aktuell nicht zu reden, ich bin aber froh, dass wir noch immer das Ziel Champions-League-Platz zwei haben.

SG-Kapitän Johannes Golla bei Sky: Das Traurige an der Niederlage ist, dass wir unsere Fehler aus den Niederlagen zuvor hier wiederholt haben. Klar, wir hatten zuletzt ein schweres Programm, aber das darf keine Ausrede sein. Wir machen viele technische Fehler, verwerfen freie Bälle und werden dann in drei Minuten von den Kielern überrollt. 

THW-Abwehrchef Hendrik Pekeler bei Sky: Heute hat vieles gepasst. Wir haben uns in der Abwehr sehr gut bewegt. Wir wussten, dass die Flensburger durch die Niederlagen in den letzten beiden Spielen verunsichert sind, deswegen wollten wir von Anfang an Gas geben. Wir wollten schnell in Führung gehen, damit der Kopf bei ihnen wieder anfängt zu denken.

THW-Torhüter Niklas Landin bei Sky: Wenn der Torhüter gut hält, dann steht die Abwehr oft sehr gut vor dem Torwart. Heute hat unsere Abwehr extrem gut gearbeitet. Es waren immer zwei THW-Spieler gegen einen SG-Spieler, das hat das ganze Spiel geprägt. Für uns war es jetzt das vierte oder fünfte Endspiel in Folge. Wir sind unglaublich froh, dass wir es immer noch in der eigenen Hand haben. Mit solchen Leistungen wie heute müssen wir uns nicht so viele Gedanken um die anderen machen. Wir wissen aber auch: Mit ein paar Prozenten weniger verlieren wir gegen jede Mannschaft in der Liga. 

Bundestrainer Alfred Gislason bei Sky: Auch wegen der Härte lässt man sich so ein Derby nicht entgehen. Das ist ein Kampfspiel, und jeder Spieler haut alles rein. Es ist völlig egal, wie die Mannschaften vorher gespielt haben. Wenn Derbytime ist, ist es immer etwas Besonderes. Niklas Landin ist ein Phänomen. Ein unglaublicher Torhüter, der mit seiner Ruhe und seinem Stellungsspiel unheimlich schwer zu überwinden ist.