Beeindruckendes Kennenlernen: Zwei Zebras treffen zwei Holocaust-Überlebende
Es kommt wohl nicht häufig vor, dass die gestandenen Handball-Profis Patrick Wiencek und Magnus Landin vor einem Treffen mit Fans nervöser als ihr Gegenüber sind. Doch jetzt war alles anders: Schließlich trafen die beiden Zebras die Holocaust-Überlebenden Dagmar und Ivar Buterfas-Frankenthal, die als Zeitzeugen seit Jahrzehnten jüngeren Menschen über die schrecklichen Erlebnisse ihrer Kindheit und Jugend sowie die Grausamkeiten der NS-Herrschaft berichten, um gegen das Vergessen zu kämpfen.
Gelungene Überraschung
"Ich werde verrückt, mein Lieblings-Handballer ist hier. Dass ich das erleben darf!" Ivar Buterfas-Frankenthal rang sichtlich nach Fassung, als nach einer von mittlerweile insgesamt über 1500 Vortragsveranstaltungen überraschend Patrick Wiencek gemeinsam mit Magnus Landin den Raum betrat. Zwei Handball-Fans, die jeweils einem der beiden Nordclubs aus Kiel und Flensburg die Daumen drücken, hatten Wiencek berichtet, dass Ivar Buterfas-Frankenthal am Holocaust-Gedenktag im Januar am Rande einer Veranstaltung an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel den Wunsch äußerte, ihm einmal die Hand zu schütteln. "Dieses große Interesse hat mich überrascht, aber vor allen Dingen auch geehrt", sagt Patrick Wiencek. "Ich spiele leidenschaftlich gern Handball. Wenn man aber die Lebensgeschichte und das Engagement des Ehepaars Buterfas-Frankenthal betrachtet, bekommt man deutlich vor Augen geführt, dass es wesentlich wichtigere und bedeutsamere Dinge gibt."
Vertraute Gesprächsatmosphäre
Deshalb freute es Wiencek auch besonders, dass Dagmar und Ivar Buterfas-Frankenthal jetzt auf Einladung von Landespolizeidirektor Michael Wilksen zu Gast in Altenholz waren. In direkter Nachbarschaft zum THW-Trainingszentrum sprachen die beiden Holocaust-Überlebenden vor rund 300 Polizeibeschäftigten in der Fachhochschule für Verwaltung und Dienstleistung. Im Anschluss an eine Trainingseinheit des THW Kiel kam es dann zum Treffen der beiden Zeitzeugen mit Wiencek und Magnus Landin, der wie der THW-Kapitän großes Interesse am persönlichen Kennenlernen hatte. Die Überraschung gelang - schnell entwickelte sich eine vertraute Gesprächsatmosphäre, in der sich alle sichtlich wohlfühlten. Während Ivar Buterfas-Frankenthal mit den beiden Handballern unter anderem über die Titelchancen des THW Kiel fachsimpelte und viele Fragen zum Lebenslauf der beiden Top-Sportler hatte, waren die beiden Zebras beeindruckt von den Erzählungen des in Hamburg Geborenen, den eine enge Freundschaft mit dem deutschen Box-Schwergewichtsweltmeister Max Schmeling verband und der einst auch eine Box-Veranstaltung mit Lokalmatador Lothar Abend in der damaligen Kieler Ostseehalle organsierte.
Interesse der Zebras an seiner Person rührt den Zeitzeugen
Man merkte Ivar Buterfas-Frankenthal an, dass ihm der Austausch mit den beiden Sportlern gut tat, hatte er doch in der offiziellen Veranstaltung zuvor rund zwei Stunden lang über die schrecklichen Erlebnisse als Kind und Jugendlicher unter der Terrorherrschaft der Nationalsozialisten berichtet. Gerührt war der Holocaust-Überlebende über das große Interesse von Magnus Landin und Patrick Wiencek an seiner Person: Beide hatten sich sofort nach der Anfrage intensiv mit dem Leben und dem heutigen Engagement des Ehepaars Buterfas-Frankenthal beschäftigt.
Wiencek und Landin wollen Vortragsveranstaltung besuchen
Er schenkte ihnen jeweils ein Exemplar seines Buches "Von ganz, ganz unten", in dem er seine Lebensgeschichte verarbeitet hat, und nahm sich die Zeit, um persönliche Widmungen in die Bücher zu schreiben. Landespolizeidirektor Michael Wilksen (Foto, rechts) und Jens Borchardt, Leiter des Aus- und Fortbildungsbereiches der Polizeidirektion für Aus- und Fortbildung und für die Bereitschaftspolizei, waren bewegt von der Freude, die das Treffen mit den beiden Handballern bei ihren Gästen ausgelöst hatte. Auch Patrick Wiencek und Magnus Landin war anzumerken, wie sehr sie das gut halbstündige Treffen mit dem Zeitzeugen berührte. Ein von Wiencek signiertes und gerahmtes Foto soll jetzt im Zuhause des Ehepaares Buterfas-Frankenthal einen Ehrenplatz neben einem Bild von Max Schmeling erhalten. "Das ist eine riesige Ehre", sagte Wiencek, der gemeinsam mit Magnus Landin das Ehepaar zu einem Heimspiel des THW Kiel einlud. Außerdem wollen die beiden THW-Handballer unbedingt eine der kommenden Vortragsveranstaltungen von Ivar Buterfas-Frankenthal besuchen, um mehr über die schreckliche Zeit und das Leben des 90-Jährigen, der für sein Wirken gegen Ausländerfeindlichkeit, Fremdenhass und Antisemitismus unter anderem mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande ausgezeichnet wurde, zu erfahren. "Besonders gefreut hat uns, dass wir sofort einen guten Draht zueinander hatten", erklärte Patrick Wiencek nach der herzlichen und innigen Verabschiedung, und fügte nach den besonderen Momenten an: "Magnus und ich hoffen wirklich, dass sich der Besuch bei einem Vortrag der beiden realisieren lässt."
Zur Person: Ivar Buterfas-Frankenthal
Ivar Buterfas-Frankenthal wuchs als Sohn einer christlichen Mutter und eines jüdischen Vaters in Hamburg auf. Kurz nach seiner Einschulung im Jahr 1938 musste er die Schule verlassen, da er "Halbjude" war. Buterfas-Frankenthals Vater wurde in Konzentrationslagern inhaftiert, die Mutter flüchtete 1942 mit ihren Kindern. Unter abenteuerlichen Bedingungen kam die Familie noch während des Krieges zurück nach Hamburg, wo sie Krieg und Verfolgung in einem Kellerloch überlebte. Ivar Buterfas-Frankenthal berichtet seit Jahrzehnten in mittlerweile mehr als 1.500 Veranstaltungen aus seinem Leben und von den Erfahrungen aus der Zeit der Nationalsozialisten.
Text: Astrid Jöhnck / Fotos: Jöhnck, Jens Borchardt