Starker THW Kiel setzt im Achtelfinal-Hinspiel auswärts ein Ausrufezeichen
Teil eins der Play-offs in der Machineseeker EHF Champions League zwischen dem THW Kiel und CS Dinamo Bukarest ist Geschichte – und schrieb zugleich Geschichte. Denn noch nie erlitt der rumänische Meister vor eigenem Publikum eine derartige Abfuhr, kassierte mit dem 28:41 (11:19)-Debakel gegen eine am Rande der Perfektion agierende Kieler Mannschaft seine höchste Heim-Niederlage überhaupt auf internationalem Parkett, die Spieler schüttelten nach der Kieler Machtdemonstration später nur noch ihre Köpfe, wussten nicht, was über sie hereingebrochen war.
Jubelnde Zebras nach Gala-Auftritt
Auf der anderen Seite lagen sich die jubelnden Zebras in den Armen, hatten sie sich doch mit diesem Gala-Auftritt am Mittwochabend im mit 5000 Fans ausverkauften Hexenkessel Sala Polivalenta in der rumänischen Hauptstadt eine grandiose Ausgangsposition für das Rückspiel am kommenden Mittwoch in der Kieler Wunderino Arena geschaffen. Wer will noch daran zweifeln, dass die Kieler in sieben Tagen alles klarmachen werden für den Einzug ins Viertelfinale der europäischen Handball-Königsklasse.
Starker Kieler Rückraum und Torhüter
Die Tore verteilten sich nahezu auf den gesamten THW-Kader. Sander Sagosen, Eric Johansson und Miha Zarabec waren mit jeweils sechs Volltreffern die erfolgreichsten Schützen beim Sieger, stark spielten zudem beide Torhüter: Niklas Landin begann, hielt sechs schwere Bälle auf, ab der 24. Minute stand dann Tomas Mrkva zwischen den THW-Pfosten, entschärfte in der Folge neun freie Würfe der Rumänen. Für den Verlierer traf Stanislav Kasparek am besten, sechsmal traf der Dinamo-Rückraumspieler ins Kieler Gehäuse.
Start nach Maß
Dabei waren die Kieler mit der Heim-Niederlage gegen Leipzig und dem mit Fehlern behafteten Sieg in der Bundesliga gegen Melsungen im Gepäck in Bukarest angereist, starteten im Hexenkessel Polivalenta, in dem auch rund 600 Fußballfans für unfassbaren Lärm über die gesamte Spielzeit sorgten, aber hochkonzentriert. In der Abwehr hatten Kapitän Domagoj Duvnjak und Co Beton angemischt, vorne machten sie Dampf und glänzten mit großartiger Trefferquote. Filip Jicha, der zwei Jahre in Barcelona unter Pascual gespielt hatte, setzte von Beginn an überraschend auf Miha Zarabec als Spielgestalter. Zudem baute er auf Rune Dahmke auf der Linksaußenposition. Das Kieler Eigengewächs dankte für das Vertrauen mit vier Toren in Halbzeit eins, war für die ersten drei THW-Tore allein verantwortlich und traf zu Beginn jeweils sicher nach den Anspielen von Harald Reinkind und Eric Johansson. Ein Start nach Maß, der Sicherheit in das Kieler Spiel brachte.
Zebras ziehen davon
Bis zum 5:5 in der 11. Minute waren die Mannschaften auf Augenhöhe, dann zelebrierten die Kieler einen 3:0-Lauf aufs Parkett, führten nach 14 Minuten mit 8:5. Niklas Landin hielt hinten seinen Kasten sauber, vorne traf Rune Dahmke zum vierten Mal, Eric Johansson brachte ein Solo im Dinamo-Tor unter: Als Trainer Pascual im Angriff auf die Variante Sieben gegen Sechs setzte, der Ball verloren wurde, brachte Niklas Landin den Ball über 40 Meter im leeren Bukarester Tor unter. Klar, dass Dinamos Trainer reagieren musste, den Buzzer für die Auszeit drückte. Die Gardinenpredigt für seine Mannen dürfte sogar der Busfahrer draußen wahrgenommen haben. Die Lautstärke des Trainerärgers über die Leistung seiner Mannen war jedenfalls enorm.
Dinamo mit früher zweiter Auszeit
Der Polterauftritt verhallte, bewirkte gar nichts. Das lag auch an dem weiterhin konzentrierten, unbeirrten Glanzauftritt der Kieler Mannschaft. Miha Zarabec und Domagoj Duvnjak zogen die Fäden, Eric Johansson, Sander Sagosen, Harald Reinkind und Co ließen Ball und Gegner laufen, trafen zudem fast wie sie wollten. Der 4:0-Lauf erzielt durch sehenswerte und glänzend herausgespielte Tore von Miha Zarabec, Eric Johansson, Harald Reinkind und Domagoj Duvnjak bescherte dem THW nach 16 Minuten beim 12:6 die erste Sechs-Tore-Führung. Pascual griff früh zur zweiten Auszeit. Aber seine Spieler wirkten weiterhin ratlos, reihten in ihrer Hilflosigkeit Fehler an Fehler, die der THW gnadenlos bestrafte. Nach 21 Minuten kehrte nach dem Treffer von Kasparek zum 9:13 ein wenig Hoffnung zurück, doch das technisch großartige Solo von Miha Zarabec und der Treffer von Hendrik Pekeler nach Tempogegenstoß ließen Kiel wieder auf 15:9 enteilen. Neun Toren legten die Zebras dann kurz vor dem Wechsel zwischen sich und den überforderten Rumänen. Sander Sagosen war mit einem Doppelpack beteiligt, Yannick Fraatz traf von Rechtsaußen. Die Seiten wurden schließlich mit 19:11 für die Gäste gewechselt.
Klare Angelegenheit in Hälfte Zwei
Dinamo kehrte aggressiver zurück, wirkte anfangs entschlossener als in Halbzeit eins und kämpfte sich nach 37 Minuten auf 15:22 heran. Es war zugleich ein Weckruf für die Kieler, die durch Harald Reinkind, Rune Dahmke, Eric Johansson und Patrick Wiencek mit einem 4:0-Lauf antworteten. Patrick Wiencek erzielte in der 41. Minute die erste Zehn-Tore-Führung für den deutschen Rekordmeister, machte sich selbst ein passendes Geschenk zu seinem 34. Geburtstag. Und läutete dabei zugleich eine Kieler Schlussphase ein, in der so gut wie alles klappte. Nikola Bilyk reihte sich ebenfalls in die Torschützenliste ein, traf zweimal zum 33:20. Auch der Kieler Rückwärtsgang funktionierte wie geschmiert. So machte Harald Reinkind mit energischem Einsatz einen Dinamo-Tempogegenstoß unschädlich, Sander Sagosen verwandelte wenig später einen Strafwurf zur 38:23-Führung: 15 Tore vorn! Filip Jicha ließ jetzt auch seinen Youngster ran, Henri Pabst dankte es seinem Coach mit dem letzten Kieler Treffer zum 41:27. Ein denkwürdiger Abend fand sein Ende, die Kieler packten einen grandiosen Sieg als wohltuendes Gepäck in ihren Flieger, der nur eine Stunde später abhob. Am Sonntag kommt Berlin zum Bundesliga-Spitzenspiel in die Wunderino Arena: Dafür haben die Kieler jede Menge Selbstvertrauen getankt.
Text: Reimer Plöhn / Fotos: CS Dinamo Bukarest
Noch Tickets für das Rückspiel erhältlich
Das Achtelfinal-Rückspiel findet in einer Woche, am Mittwoch (29. März), um 18:45 Uhr in der Wunderino statt. Für die Begegnung gibt es an allen bekannten Vorverkaufsstellen, in der THW-FANWELT und online unter www.thw-tickets.de noch Eintrittskarten in allen Kategorien. Doch zuvor richten sich die Augen Handball-Deutschlands auf das Spitzenspiel in der LIQUI MOLY Handball-Bundesliga: Am Sonntag empfangen die Zebras den Tabellenführer und aktuell heißesten Meisterschafts-Kandidaten aus Berlin zum Top-Spiel in ihrer eigenen Halle. Für die Begegnung gegen die Füchse, die um 14 Uhr angepfiffen und live von Sky übertragen wird, gibt es noch einige wenige Stehplatz-Tickets im Vorverkauf. Weiter geht’s gegen die Füchse, Kiel!
Machineseeker EHF Champions League, Play-off-Hinspiel: Dinamo Bucuresti – THW Kiel 28:41 (11:19)
Dinamo Bucuresti: Ghedbane (15.-24., 44.-60., 4 Paraden), Saeid (1.-15., 24.-44., 3 Paraden); Racotea, da Silva, Ghionea, Gurbindo (1), Negru, Pascual (5/3), Kukic (3), Kasparek (5), Kuduz (6), Akimenko, Shebib (3), Zein (5), Militaru, Sorhaindo; Trainer: Pascual
THW Kiel: N. Landin (1.-24., 5 Paraden, 1 Tor), Mrkva (24.-60., 9 Paraden); Duvnjak (2), Sagosen (6/1), Reinkind (3), M. Landin (n.e.), Øverby, Wiencek (2), Ekberg (1), Pabst (1), Fraatz (4), Johansson (6), Dahmke (5), Zarabec (6), Bilyk (3), Pekeler (1); Trainer: Jicha
Schiedsrichter: Vaclav Horacek / Jiri Novotny (Tschechien)
Zeitstrafen: Dinamo: 1 (Militaru (3.)) / THW: 3 (2x Øverby (29., 32.), Wiencek (45.))
Siebenmeter: Dinamo: 3/3 /THW: 1/1
Spielverlauf: 1:0, 2:1 (5.), 2:3 (7.), 5:5 (11.), 6:8 (15.), 6:12 (17.), 7:13, 9:13 (21.), 9:15 (23.), 10:16, 10:19 (29.), 11:19;
12:19, 12:21 (32.), 14:21, 16:23 (38.), 16:26 (41.), 17:29, 20:31 (46.), 20:33, 22:35 (50.), 23:38 (56.), 25:40 (58.), 28:41.
Zuschauer: 5000 (ausverkauft) (Sala Polivalenta, Bukarest)
Stimmen zum Spiel
THW-Trainer Filip Jicha: Ich bin sehr zufrieden mit dem Spiel und vor allen Dingen mit der Leistung meiner Jungs. Wir haben viel Energie gezeigt und unser Ziel verfolgt, den Fokus komplett auf unsere Performance zu legen. Das war wichtig, auch im Hinblick auf die kommenden Spiele. Am Mittwoch müssen wir im Rückspiel aber genauso bereit sein wie heute, um unseren Traum vom Viertelfinale gegen Paris weiterleben zu können. Und wir haben in diesen Wochen der Wahrheit überhaupt keine Zeit, unseren Fokus auch nur ansatzweise zu verlieren. Die Atmosphäre heute war unglaublich, genau solch eine Stimmung wünsche ich mir auch am Sonntag und dann am Mittwoch.
THW-Linksaußen Rune Dahmke: Die Atmosphäre hier war außergewöhnlich, die Fans haben 60 Minuten lang gesungen und Druck gemacht – trotz des klaren Ergebnisses. Wir haben heute endlich mal wieder über 60 Minuten gezeigt, was wir können. Zuletzt hatten wir da ja ein paar Schwankungen. Aber: Es ist erst Halbzeit, aber wir wollen gemeinsam mit unseren Fans am Mittwoch den nächsten Schritt gehen. Es ist ein Achtelfinale, und genau das sind die Spiele mit der Stimmung, auf die wir Spieler uns das ganze Jahr freuen.
THW-„Geburtstagskind“ Patrick Wiencek: Aktuell bin ich glücklich über diesen Sieg, den ich mir heute unbedingt gewünscht hatte. Wir haben jetzt eine gute Ausgangslage geschaffen, aber noch stehen 60 Minuten in der Wunderino Arena zwischen uns und dem Viertelfinale. Mit unseren Fans wollen wir unbedingt gewinnen, und wenn wir so auftreten wie heute, werden wir das auch. Ab morgen gilt dann alle Konzentration dem Top-Spiel gegen Berlin.