Emotionen, Leidenschaft und ein starker THW Kiel: Zebras gewinnen Spitzenspiel in Magdeburg
Ein Spitzenspiel, das den Namen mehr als verdiente: In einer extrem hitzigen Atmosphäre gewann der THW Kiel am Samstagabend beim bisher zu Hause ungeschlagenen Tabellenführer SC Magdeburg mit 30:25 (17:15) und sicherte sich damit zwei wichtige Zähler im Kampf um Platz zwei. Überragend in einer schwarz-weißen Mannschaft, die alles in die Partie legte, waren die Comebacker Niklas Landin und Sander Sagosen. Landin stoppte 10 Bälle, darunter drei Siebenmeter, und Sagosen war mit neun Treffern erfolgreichster Torschütze. Am Ende feierten die Kieler ihren ersten Liga-Erfolg in Magdeburg seit sieben Jahren.
Duell mit Leidenschaft
5558 Zuschauer sorgten für den akustisch beeindruckenden Rahmen, die Spieler beider Mannschaften von Beginn an für ein Duell mit Leidenschaft. In welche Richtung dieses Spitzenspiel der LIQUI MOLY Handball-Bundesliga gehen sollte, war spätestens nach vier Minuten klar: Patrick Wiencek wurde nach einem technischen Fehler von Philipp Weber unnötigerweise in die Bande gedrückt, bekam dafür eine Zeitstrafe. Aber zur Beruhigung der Ränge trug diese Entscheidung wenig bei: Die Zuschauer peitschten ihre Mannschaft nach vorn, sorgten für einen lange nicht mehr erlebten Hexenkessel. In diesem behielten die Zebras aber kühlen Kopf, ließen die Anfangs-Drangphase der Gastgeber an sich abprallen. Auch dank eines taktischen Kniffs, mit dem die offensiv stehenden Magnus Landin und Steffen Weinhold die Wege des überragenden Magdeburgers Omar Ingi Magnusson einengen und die SCM-Offensive vom Tor weghalten sollten.
THW behält kühlen Kopf
Zwar führten die Magdeburger schnell mit zwei Toren und hielten diese Führung dank eines starken Webers und dem omnipräsenten SCM-Spieler Magnusson bis zur 15. Minute, aber die Zebras blieben stets auf Tuchfühlung. Nach Hendrik Pekelers kompromisslosen 8:9 und Steffen Weinholds Gegenstoß nach Magnus Landins Steal gab es erstmals den Gleichstand, den die Zebras sogar in doppelter Unterzahl verteidigten weil Niclas Ekberg traumhaft freigespielt zum 12:12 traf. Die Partie blieb ein Ringen um jeden Zentimeter – und in diese gewannen die Kieler langsam, aber sich die Oberhand: Nach Duvnjaks 14:14 vom Kreis kam der Auftritt von Sander Sagosen, der nach seiner Verletzung aus dem Füchse-Spiel nur das Abschlusstraining mit der Mannschaft absolvieren konnte: Mit einem Doppelschlag brachte er den THW Kiel erstmals in Führung und legte nach Niklas Landins Siebenmeter-Parade gegen Magnusson auch gleich noch das 16:14 nach. Die Körpersprache der Zebras, die jeden ihrer Treffer mit erhobenen Fäusten in Richtung des lautstarken Fanblocks unter dem Dach feierten, zeigte: Wir sind hier, und wir haben uns etwas vorgenommen. Das untermauerte Sagosen auch noch kurz vor dem Wechsel: Er hämmerte quasi mit der Halbzeitsirene das 17:15 in die Maschen des von Jannick Green gehüteten Tores.
Packender Neubeginn
Die zweite Hälfte sollte dann nicht weniger packend beginnen, als die erste endete: Pekeler traf, Reinkind traf – doch in Überzahl, Domagoj Duvnjak hatte sich nach einer Aktion an Gisli Kristjansson fair zum Foul bekannt, glich der SCM wieder aus und war seinerseits am Drücker. Cool, die die Zebras auf diese erneute Drangphase der Gastgeber reagierten: Sie blieben in Führung, weil Sagosen den starken Pekeler am Kreis fand. Weil sich der Norweger in erneuter doppelter Unterzahl zum 21:20 durchtankte. Weil Duvnjak mit Gewalt die Lücke zum 22:21 fand. Jetzt setzte THW-Trainer Filip Jicha im Angriff auf den siebten Feldspieler und ließ defensiver decken, um den Mittelblock Pekeler/Wiencek zu entlasten. Beides klappte, wenn auch mit zeitlicher Verzögerung. Denn nach Sagosens 23:21 und Magnussons Anschluss dauerte es mehr als sieben Minuten bis zur nächsten Veränderung auf der Anzeigetafel. Sieben Minuten, in denen sowohl Niklas Landin als auch der inzwischen für Green gekommene Jensen ihre Klasse unter Beweis stellten, in denen sich beide Teams aber auch einige Fehler erlaubten.
Zebras feiern mit ihren Fans
Gut für die Zebras, das Magnus Landin diese Torflaute auf beiden Seiten mit einem in den Winkel gedroschenen Siebenmeter beendete. Überragend, wie die Kieler Abwehr jetzt verschob, Lücken schloss, den Magdeburgern die Anspielstationen raubte. Und doch blieb es spannend, ehe Duvnjak mit einem Steal die stärkste Phase des THW einläutete: Reinkind verwandelte zum 26:23, Sagosen erhöhte nach Magnusson-Fehlpass auf 27:23, um wenig später das 28:23 nachzulegen. Niklas Landin parierte gegen Damgaardund bekam den Wurf auf seine Blinddarm-Narbe. Der Däne biss aber auf die Zähne, sah dann Sander Sagosen mit Verdacht auf einen Muskelfaserriss in der Wade mit schmerzverzerrtem Gesicht vom Feld humpeln. Weil er dabei noch von einzelnen Zuschauern obszön beleidigt wurde, ging es nun auch hinter der Bank emotional zur Sache. Doch das alles war letztlich nur noch eine Randnotiz: Duvnjak gab die Antwort auf dem Platz, marsschierte durch die offene SCM-Manndeckung und traf mit dem 29:24 zur Entscheidung. Der Rest war riesiger Jubel in Schwarz-Weiß: Zum ersten Mal seit vier Spielen hatten die Kieler den SCM bezwingen können, sicherten sich zwei wichtige Zähler im Kampf um Platz zwei und setzten mit einer bärenstarken Leistung ein Ausrufezeichen in der stärksten Liga der Welt.
Vorverkauf für THW-Heimspiele hat begonnen
Für die Kieler ging es noch in der Nacht zurück in die Landeshauptstadt. Dort werden sich die Zebras in den kommenden Tagen auf den spannenden Saison-Endspurt mit dem Kampf um Platz zwei in der LIQUI MOLY HBL, dem REWE Final4 in Hamburg und dem Viertelfinale in der EHF Champions League vorbereiten. Zeit dafür gibt es, denn das nächste Spiel bestreitet der THW Kiel erst am Sonntag, 10. April, bei GWD Minden. Die nächsten Heimspiele finden am 28. April (19:05 Uhr) gegen die HSG Wetzlar und am 1. Mai (16:05 Uhr) gegen die MT Melsungen statt. Für beide Begegnungen hat der freie Vorverkauf begonnen. Tickets gibt es online unter www.thw-tickets.de und in der THW-FANWELT. Weiter geht’s in Minden, Kiel!
LIQUI MOLY HBL, 25. Spieltag: SC Magdeburg – THW Kiel 25:30 (15:17)
SC Magdeburg: Jensen (45.-60., 5/1 Paraden, Green (1.-45., 6 Paraden); Chrapkowski, Kristjansson (1), Pettersson (4), Magnusson (9/2), Hornke, Weber (5), Gullerud, Mertens (2), Saugstrup (1), O’Sullivan (2), Bezjak, Smits (1/1), Damgaard; Trainer: Wiegert
THW Kiel: N. Landin (1.-15., 21.-60., 10/3 Paraden), Quenstedt (15.-21., 1 Parade); Ehrig (n.e.), Duvnjak (4), Sagosen (9), Reinkind (3), M. Landin (2/1), Weinhold (1), Wiencek, Ekberg (5/2), Ciudad (n.e.), Dahmke, Zarabec (1), Horak (n.e.), Bilyk (n.e.), Pekeler (5); Trainer: Jicha
Schiedsrichter: Marcus Hurst / Mirko Krag
Zeitstrafen: SCM: 7 (Weber (5.), Chrapkowski (8.), 2x Saugstrup (25., 49.), O’Sullivan (31.), Gullerud (46.), Bezjak (50.)) / THW: 7 (Weinhold (7.), 2x Wiencek (19., 39.), Sagosen (20.), Duvnjak (34.), Dahmke (39.), M. Landin (57.))
Siebenmeter: SCM: 5/2 (Landin hält 3x Magnusson (29., 39., 47.)) / THW: 4/3 (Jensen hält Ekberg (46.))
Spielfilm: 2:0 (3.), 3:1, 5:3 (9.), 7:6, 9:7 (16.), 9:9 (18.), 14:14 (26.), 14:16 (29.), 15:17;
17:19 (34.), 19:19 (35.), 21:21 (41.), 21:23 (42.), 22:23, 22:25 (51.), 23:25, 23:28 (56.), 24:29, 25:30.
Zuschauer: 5558 (ausverkauft) (Getec-Arena, Magdeburg)
Stimmen zum Spiel:
THW-Trainer Filip Jicha: Magdeburg spielt eine überragende Saison, und deshalb bin ich extrem glücklich, dass wir nach so langer Zeit hier zwei Punkte holen konnten. Ich bin unfassbar stolz auf meine Jungs, insgesamt war das heute absolute Werbung für den Handballsport vor dieser Kulisse. Das hat einen Riesenspaß gemacht, Glückwunsch an den SC Magdeburg zu dieser Atmosphäre. Wir sind angesicht der bisherigen Leistungen der Magdeburger mit großem Respekt angereist und wussten, um hier bestehen zu können, müssen wir zusammenstehen und auf die Zähne beißen, um Magdeburg nicht in ihren Lauf kommen zu lassen. Das hat dann vor allen Dingen in der zweiten Halbzeit gut funktioniert. Der Sieg war wichtig für uns im extrem spannenden Rennen um Platz zwei, und der SCM schwimmt weiter im eigenen Wasser, wofür wir ihm großen Respekt zollen. Wichtig war, nach langer Zeit vor dieser Kulisse zu bestehen. Das haben die Jungs angenommen, es war sehr emotional. Das geht aber auch nicht anders hier in Magdeburg. Unsere Sportart lebt von Emotionen, für mich war das einfach ein unglaublich tolles Handballspiel.
SCM-Trainer Bennet Wiegert: Glückwunsch an den THW Kiel zu diesem verdienten Sieg. Ich bin von meiner Mannschaft sehr enttäuscht, wir hätten uns heute gerne besser präsentiert. Für einen Erfolg hat aber zu viel gefehlt, wir haben einiges vermissen lassen, was uns zuvor so stark gemacht hat. Der THW Kiel hat das gut gelöst, aber wir machen in der zweiten Halbzeit in den letzten 15 Minuten nur ein Feldtor. Das ist dann einfach zu wenig. Mit der Niederlage müssen wir umgehen. Das fällt allerdings schwer, weil wir es nicht gewohnt sind.