KN: Überraschungspaket DHB-Team
Viel Verantwortung für Kieler Trio
Zwei Siege gegen Tunesien (37:30) und Island (26:25), eine Niederlage gegen die Nordmänner (24:27) - vor den europäischen Titelkämpfen in Polen (15.-31. Januar) ist das Ensemble des isländischen Chefcoaches - wieder einmal - ein Überraschungspaket. Gelassen waren die Nationalmannschaft und ihr Umfeld in das abschließende Testspiel-Wochenende gegangen. Kiels Linksaußen Rune Dahmke machte im "Aktuellen Sportstudio" im ZDF eine gute Figur, versenkte - im Gegensatz zu seinem Teammanager Oliver Roggisch – einen Ball in der Torwand (unten) und scherzte hinterher: "Das hat mich richtig geärgert, ich wollte mehr treffen." Und sogar der ansonsten humorvolle, aber distanzierte Dagur Sigurdsson schien förmlich aufzutauen. Die Hallen-Leinwände zeigten den 42-Jährigen beim Schachspielen in einer heißen Quelle und Neil Youngs „Heart of Gold“ singend am Lagerfeuer. Angesprochen auf Bruder Bjarki, der 2014 mit der isländischen Band Mono Town die Charts stürmte und mit den Pixies auf Tour ging, fingen Sigurdssons Augen regelrecht an zu funkeln: "Die sind richtig gut. Ich habe schon mit ihnen gespielt - nicht auf einer öffentlichen Bühne natürlich." Gelassenheit, die am Montag nach einem durchwachsenen Spiel gegen Island gewichen war. Die Spieler um Kapitän Steffen Weinhold nutzten ihren freien Tag für Familienbesuche, Wäsche waschen und Wunden lecken, während Sigurdsson vor den letzten vier Trainingseinheiten vor der EM in Berlin seine Baustellen in den Fokus nahm. "Wir wollen die zwei, drei Tage bis zum Turnier optimal nutzen", sagte Sigurdsson mit Blick auf das EM-Auftaktspiel gegen das Starensemble Spaniens am Sonnabend (18.30 Uhr/ZDF). Verbandsvize Bob Hanning warnte nach dem Island-Dämpfer: "Keine Mannschaft bei der Europameisterschaft wird schlechter sein als Island, von daher gilt es, eine maximale Fokussierung zu haben." Fest steht: Viel Verantwortung wird in Polen auf einem Kieler Trio liegen. Steffen Weinhold muss als Neu-Kapitän in entscheidenden Phasen mit seinem aggressiven Spiel immer wieder vorangehen. Dass das Team (noch) nicht auf die Tore von Christian Dissinger verzichten kann, hat die Niederlage am Sonntag gezeigt. Und Rune Dahmke steht als letzter verbliebener etatmäßiger Linksaußen im Kader. Über die Ausfälle von Kapitän Uwe Gensheimer, der Rechtsaußen Patrick Groetzki und Michael Allendorf sowie von Kreisläufer Patrick Wiencek und Rückraumspieler Paul Drux will der Bundestrainer nicht lamentieren, ist allerdings gezwungen, aus der Not eine Tugend zu machen. Über weite Strecken klappte das bislang auch ganz gut. In der Abwehr zeigte der "Baby-Block" mit 2,10-Meter-Mann Finn Lemke und 2,04-Meter-Riese Erik Schmidt (beide Jahrgang 1992) beim Supercup starke Ansätze. Auch die 5:1-Deckung mit einem gut die Räume eng machenden Hendrik Pekeler an der Spitze funktionierte im ersten Spiel gegen Island hervorragend. Zwischen Pekeler und Lemke harmonierte es im Mittelblock indes noch nicht. Aus der Sicht von Torwart Carsten Lichtlein liegen die Ursachen auf der Hand: "Mir ist egal, welches System wir spielen. Aber es muss genügend Bewegung da sein. Unser Block ist sehr groß, viele Bälle gehen an der Hüfte vorbei. Wir dürfen jetzt nicht die Köpfe in den Sand stecken und müssen unsere Fehler analysieren. Dann kriegen wir das Zusammenspiel zwischen Abwehr und Torhütern auch hin." Lichtlein ist die klare Nummer eins zwischen den Pfosten, doch weit entfernt ist Andreas Wolff nicht, bestätigte seine Nominierung. Dass im Rückraum viel von Dissinger und Steffen Fäth abhängen wird, weiß auch Wolff: "Das deutsche System krankte in der Vergangenheit daran, dass die einfachen Tore fehlten. Mit Dissinger und Fäth haben wir jetzt zwei echte Kanoniere." Als beide am Sonntag nicht auf dem Feld standen, fehlten am Ende die Tore. "Zwei von drei Rückraumspielern kann man nicht einfach ersetzen", sagte Sigurdsson. Ein Indiz dafür, dass er mit Fäth in der Mitte und Dissinger und Weinhold auf den Halbpositionen plant. Am Dienstagabend treffen sich Trainer und Mannschaft in Berlin. Von dort aus bricht das deutsche Team am Donnerstag mit dem Bus nach Breslau auf, wo es am Nachmittag erwartet wird. Für die rund 350 Kilometer lange Fahrt sind ungefähr vier Stunden veranschlagt. (Von Tamo Schwarz, aus den Kieler Nachrichten vom 12.01.16, Foto: Sascha Klahn)