KN: Ege: Das ist ein großes Abenteuer
Torhüter lebt den Spagat zwischen seinem Leben in Kopenhagen und dem THW-Comeback
Ege hatte Kiel im November 2002 mit einem unguten Gefühl verlassen. Dass er zusagte, hing auch damit zusammen, dass er Frieden mit einem Verein schließen will, an dem sein Herz hängt. "Ich fühlte mich vom Management damals nicht gut behandelt", sagt Ege, der den 43. Geburtstag im Skiurlaub mit seiner Familie feiern wollte. Stattdessen erlebte er ihn in Kiel. Allein im Hotel "Atlantic". Ege war im Sommer 1999 vom VfL Gummersbach zum THW gekommen. Er spielte eine überragende Saison, eine, in der die Zebras zwar das Champions-League-Finale gegen den FC Barcelona verloren. Aber sie wurden Meister und Pokalsieger. Ege verlängerte vorzeitig um zwei Jahre bis Juni 2005, als bei ihm ein kapitaler Knorpelschaden diagnostiziert wurde. Auf Rat von Trainer Noka Serdarusic und Mannschaftsarzt Dr. Frank Pries ließ er sich zudem die Beine begradigen. Ein komplizierter Eingriff. Aber einer, der dazu führte, dass er noch als 40-Jähriger spielen konnte. Es sollte elf Monate dauern, bevor er sein Comeback geben konnte."Ich bin damals durch die Hölle gegangen." Der THW hatte mit ihm zu diesem Zeitpunkt aber längst abgeschlossen. "Es ging nur noch darum, ob ich nach Lübbecke oder Wetzlar ausgeliehen werde", sagt Ege, der resigniert klingt, als er sich an diese Schlüsselstelle seiner Karriere erinnert. "Aber über meine Zukunft wollte ich selbst entscheiden. Deshalb wählte ich Gran Canaria", ergänzt er mit einer Spur Galgenhumor. Im November 2002 wechselte er zum spanischen Erstligisten CBM Galdar. Gran Canaria mag für Urlauber interessant sein, aber nicht für einen Handballer, der zweimal in Folge zum besten Torhüter der Liga gewählt worden war. Dass er zusagte, bis zum Saisonende die Lücke zu schließen, die durch die Verletzungen von Andreas Palicka (Sehnenanriss) und Johan Sjöstrand (Maltafieber) entstanden ist, hat aber auch andere Gründe. Einer ist das Einverständnis seiner Frau Lene. "Sie hofft, dass ich so meine Midlife-Krise endgültig beende", sagt Ege und lacht. Im Herbst hätte er nicht zugesagt, auch für den THW Kiel nicht. "Die jetzige Phase der Saison ist besonders, es stehen die Entscheidungen an. Es ist ein großes Abenteuer für mich, ich konnte eigentlich gar nicht ablehnen." Storm bat ihn um Hilfe, auch Trainer Alfred Gislason meldete sich. Doch Ege hatte Zweifel. Nach der Insolvenz des dänischen Meisters AG Kopenhagen im August 2012 hatte er mit dem Handball abgeschlossen. Auch eine lukrative Anfrage von Atletico Madrid habe ihn "überhaupt nicht mehr gekitzelt". Die beiden Kinder im schulpflichtigen Alter, die Familie in Kopenhagen verwurzelt, Ege entschied sich, sesshaft zu werden. Ein AG-Sponsor bot dem gelernten Zimmermann an, sich in dessen Firma darum zu kümmern, dass norwegische Werften Fachkräfte erhalten und Bauteile für Schiffe geliefert werden. "Ich war bereit für etwas Neues. Das war im Handball für mich nicht mehr möglich." Als Leistungssportler hätte er zudem in einer Blase gelebt. Alles hätte sich nur darum gedreht, das nächste Spiel zu gewinnen. Tatsächlich ginge es im Leben aber um viel wichtigere Dinge. In diesen verrückten Tagen versucht Ege den Spagat zwischen den Rollen eines Vaters, Ehemannes, und eines verlässlichen Arbeitnehmers. Aber wenn er fast dreizehn Jahre nach seinem Abschied wieder das THW-Trikot überstreift, betritt er auch bewusst wieder diese Blase. Bevor er zusagte, trainierte der 262-malige Nationalspieler zweimal beim Zweitligisten FIF Kopenhagen mit. "Ich hatte Angst davor, dass ich mich bei den Würfen hinter dem Pfosten verstecke. Aber so schlimm war es dann doch nicht." Er sagte zu, weil er davon ausging, dass mit Sjöstrand dem THW noch ein Weltklasse-Torhüter zur Verfügung stehe. Dass er nur in der zweiten Reihe sitzen würde. Doch als er zum ersten Mal die Trainingshalle betrat, teilte ihm Gislason mit, dass Sjöstrand erkrankt sei und sie mit ihm und dem erst 22-jährigen Kim Sonne zum Bundesligaspiel nach Erlangen fahren würden. Das war am 28. März. Der Tag, an dem Ege erfuhr, wie groß dieses Abenteuer tatsächlich ist. (Von Wolf Paarmann, aus den Kieler Nachrichten vom 22.04.2015, Foto: Archiv/Sascha Klahn)