“Wenn dich der Präsident mit deinem Namen anspricht, ist das irgendwie unglaublich”

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“Wenn dich der Präsident mit deinem Namen anspricht, ist das irgendwie unglaublich”

Noch vor einem Jahr war Samir Bellahcene wohl nur den größten Handball-Insidern ein Begriff. Im April 2023 feierte er sein Debüt in der Nationalmannschaft, im September wechselte er aus Dunkerque zum THW Kiel, bei dem er nach starken Leistungen im Dezember seinen Vertrag verlängerte. Im Januar 2024 triumphierte der 28-Jährige als Nummer eins der französischen Nationalmannschaft bei der EHF EURO 2024 und kehrte von seinem ersten großen Turnier als einziger Spieler der LIQUI MOLY HBL mit der Goldmedaille zurück. Im Interview mit ZEBRA versucht der THW-Torhüter, das Märchen der vergangenen Monate einzuordnen, und blickt voraus auf das Liga-Topspiel gegen den SC Magdeburg.

Erst in der THW-Trainingskabine den Triumph begriffen

ZEBRA: Samir, wann hast du zum ersten Mal wirklich realisiert, dass du Europameister bist?
Samir Bellahcene: Ganz ehrlich? Als ich zum ersten Mal wieder in unsere Trainings-Kabine in Altenholz gekommen bin. Da waren all diese vielen Spieler wie Dule, Eki, Patrick oder Magnus, die in ihrer Karriere mit dem THW Kiel und ihren Nationalmannschaften schon unglaublich viele Titel, Trophäen und Medaillen geholt haben. Die Champions-League-Sieger, Welt- und Europameister sind oder bei Olympia erfolgreich waren. Und alle diese erfolgreichen Spieler haben mich herzlich begrüßt, mich beglückwünscht und mir ihren Respekt entgegengebracht. Da habe ich erst richtig gemerkt, was ich bei meinem ersten großen Turnier erreicht haben muss.

Nimm uns doch einmal mit auf die Zeitreise nach dem Triumph in Köln …
Uff. Da ist in kurzer Zeit wirklich viel passiert, es kommt mir vor wie ein Zeitraffer. Direkt nach dem EM-Finale habe ich mit Thierry Omeyer gesprochen. Er hat mir gesagt, dass es in einem Finale wichtig sei, die wichtigen Bälle zu halten. So wie ich es in der Verlängerung getan hätte. Er ist eine Legende, in Frankreich und Kiel. Und er hat mir gratuliert. Ein besonderer Moment für mich. In Paris dann wurden wir in unserem Trainingszentrum empfangen. Da gibt es eine Wand der Champions, auf der alle Namen von Spielern verzeichnet sind, die für Frankreich einen Titel gewonnen haben. Meinen Namen dort an der Wand zu lesen, war surreal.

"Die letzten Monate waren wie ein Traum"

Dann ging es ja auch noch zum Präsidenten Emmanuel Macron in den Élysée Palast…
Ja, eine große Ehre. Ich war unglaublich stolz, dass meine Eltern mich dorthin begleiten durften. Sie haben so viel für mich getan, nun durfte ich die wichtigsten Menschen in meinem Leben den wichtigsten Menschen Frankreichs vorstellen. Emmanuel Macron war sehr freundlich, hat mit jedem einzelnen Spieler gesprochen. Und ganz ehrlich: Wenn dich der Präsident der Französischen Republik erkennt, mit Namen anspricht und dir zu deiner Leistung gratuliert, ist das für jemanden wie mich irgendwie auch unglaublich.

Droht man da nicht, abzuheben?
Nein. Die letzten sechs Monate waren wie ein Traum für mich. Aber ich werde hart dafür arbeiten, dass dieser Traum niemals endet. Ich habe zum ersten Mal in der Lanxess Arena gespielt, habe meinen größten Erfolg dort gefeiert. Im Juni möchte ich unbedingt mit dem THW Kiel wieder dorthin zurückkehren. Aber bis dahin wird noch viel passieren. Jetzt bin ich wieder in Kiel, habe meinen Fokus komplett auf den THW gerichtet. Wir haben zuletzt viel und hart trainiert, das sorgt für Bodenhaftung. Und ich habe viel mit meinen Mitspielern in Kiel gesprochen, die sehr viel mehr Erfahrung als ich im Titelgewinnen haben.

"Jeder von uns weiß, wie wichtig das Magdeburg-Spiel ist"

Hast du all das schon verarbeitet?
Ich versuche noch, all das, was in den letzten Tagen, Wochen und Monaten passiert ist, zu verstehen. Was mir dabei hilft: Die nächste Herausforderung ist der SC Magdeburg. Das zu verstehen und zu realisieren, ist wesentlich leichter für mich. Denn jeder von uns weiß, dass dieses Spiel wichtig ist. Vielleicht ist es sogar das wichtigste der Saison, denn wir wollen in der Liga unseren Weg, den wir vor Weihnachten eingeschlagen haben, fortsetzen.

Die Pause nach dem EM-Titel war kurz, jetzt folgt gleich das nächste Top-Spiel…
Es ist natürlich eine besondere Situation, dass ausgerechnet dieses Spitzenspiel direkt nach der EM stattfindet. Gegen viele Magdeburger habe ich gerade noch mit Frankreich gespielt, ich weiß also, was auf mich zukommt. In Magdeburg haben wir verloren, aber jetzt spielen wir zu Hause. Unsere Fans werden uns richtig pushen, und wir wollen gegen den SCM an die großartigen Heimspiele gegen Berlin, Kolstad, Paris anknüpfen. 

Freust Du dich auf deine Kieler Fans?
Riesig. Auch, wenn ich jetzt ein EM-Finale gewonnen habe, werde ich niemals den Moment vergessen, als ich zum ersten Mal beim THW Kiel mit dem THW-Logo auf dem Shirt trainieren durfte. Das war ein ganz besonderer Augenblick für mich persönlich und für meine Karriere. Und ich möchte mich bei den THW-Fans bedanken. Sie haben mich sofort nach meinem Wechsel zum THW Kiel herzlich aufgenommen. Sie haben mir sofort das Gefühl gegeben, ein richtiges Zebra zu sein. Und ich habe nach dem EM-Gold sehr, sehr viele Nachrichten von ihnen bekommen. Das war großartig, und es ist nicht selbstverständlich. Liebe THW-Fans, ich freue mich auf Euch - wir sehen uns am Mittwoch!