fbpx

KN: Abschied mit Herz

Weitere

KN: Abschied mit Herz

Kiel. Zu einem Treffen bringt Marko Vujin in der Regel sein Herz mit. In der Brust. Auf der Zunge. Heute Abend wird der stolze Serbe nach dem Heimspiel des THW Kiel gegen die Eulen Ludwigshafen verabschiedet. Nach sieben Jahren an der Förde, 359 Spielen und nicht weniger als 1554 Toren für die Zebras.

Heute Abend verlässt Marko Vujin die Zebras nach sieben Jahren und 1554 Toren

Erst Wolkenbruch. Dann strahlender Sonnenschein. "Das ist Kiel", sagt der 35-Jährige und lacht an der Kieler Wasserkante. Symbolisch: der Fähranleger, Vujin auf dem Absprung - dazu darf ein Espresso für den Kaffeeliebhaber nicht fehlen. Wenn es dann warm und vertraut wird, könnte Vujin reden und reden. Über das Leben mit Ehefrau Tijana und Söhnchen Matej (1), über Handball, den Balkan, das Leben, die Welt. Und die hatte für einen Wimpernschlag aufgehört, sich auf gewohnter Ellipse um die Sonne zu drehen.

Denn Vujin wurde schwer krank. Er, der "Mr. Zuverlässig" der Bande von Alfred Gislason, der 340-mal in Folge kein einziges Spiel verpasste, 2014 Bundesliga-Torschützenkönig (der erste Kieler seit Predrag Timko 1980) wurde, war von der Bildfläche verschwunden, wurde nach einem Comeback wieder zurückgeworfen, ließ sich in Kiel und Flensburg monatelang therapeutisch behandeln, stand im März zum letzten Mal für den THW Kiel auf dem Feld.

"Ich hatte immer gedacht, nach meiner Karriere werde ich nicht viel vermissen. Aber das Gegenteil war der Fall. Ich lag auf dem Sofa, Final Four in Hamburg, EHF-Cup, Derby - alles vor meiner Haustür, aber ich konnte nicht bei der Mannschaft sein. Das hat mich getroffen." Vujin kann sich auf seine Rettungsanker verlassen. Auf Tijana, seine Familie, auf seine Freunde, allen voran THW-Kapitän Domagoj Duvnjak. "Er ist ein Freund bis an mein Lebensende. Wir reden jeden Tag, er und Miha Zarabec haben teilweise jeden Tag angerufen." Vujin spricht von einer "tollen Zeit" in Kiel, von einem "perfekten Gesamtpaket" aus Mannschaft, Stadt und "den netten Menschen in Kiel". Dabei hatten die Pfiffe der Fans an ihm genagt in seinen letzten Spielzeiten an der Förde. "Das hat mich traurig gemacht, das hatte ich in dieser Halle nicht oft erlebt."

Der Blick des Linkshänders schweift in die Ferne. Gelber Kapuzenpulli, schwarze Haare und dunkle Brille als Kontrast. Nachdenklich, so wie vielleicht manchmal zu sehr auf dem Feld, das auch in den kommenden Jahren sein Feld der Träume bleiben soll. Nicht in der Bundesliga, denn für Vujin gilt: "Wenn nicht Kiel, dann nicht mehr in Deutschland." Es gibt Angebote aus dem Ausland, ein neuer Vertrag bei einem Champions-League-Klub zeichnet sich ab. Egal, wo - Vujin werde Kiel, den Geburtsort seines Sohnes, im Herzen tragen. Er werde die Mannschaft am allermeisten vermissen ("Ich bin traurig, dass die letzte Saison nicht so gut für mich gelaufen ist"), aber auch mit Stolz auf seine Erfolge zurückblicken: "Ich hätte nie gedacht, so lange zu bleiben und hier Torschützenkönig zu werden. Das bleibt für ein Leben, das wird sich mein Sohn alles einmal anschauen können."

Die Zeit mit Alfred sei eine "Hassliebe" gewesen. "Aber auch bei Kritik habe ich in seinen Augen immer gesehen, dass ich wichtig bin", sagt Vujin. Die Meisterschaft 2014 mit einem Tor Vorsprung vor den Löwen war "unglaublich". Und die schlimmste Niederlage? "Beim Final Four in Köln 2016 gegen Veszprém."

Irgendwann später hörte die Welt für einen Wimpernschlag auf, sich zu drehen. Aber Vujin stand wieder auf. Und er bringt sein Herz mit. Egal, wohin er geht.

 (Von Tamo Schwarz, aus den Kieler Nachrichten vom 03.09.2019, Foto: Sascha Klahn