ZEBRA Journal: Sag zum Abschied leise Servus
Dieser Artikel ist im ZEBRA Journal der Kieler Nachrichten erschienenAm Ende seiner Zeit als Zebra macht Dominik Klein eine neue Erfahrung. Kein Titel - das hat er in zehn Jahren THW noch nicht erlebt. Und so gibt es auch bei den Fans nur ein Gesprächsthema: den Abschied von "Mini". "Der THW verliert sein Gesicht", sagt jemand. "Ein großer Fehler, ihn gehen zu lassen", schimpft ein anderer. Dominik Klein biegt um die Ecke, in Polo-Shirt, Jeans-Shorts und gut gelaunt wie immer. Von Abschiedsschmerz keine Spur. Er ist extra früh gekommen. Vielleicht, weil er ahnt, dass er heute schon vor dem Anpfiff überdurchschnittlich viele Autogramme schreiben wird. Aber er hat auch noch etwas anderes vor. Erster Halt zwischen vielen Foto-Wünschen der Fans: Thomas Kleinschmidt, seit 28 Jahren der Wächter über die Parkplatz-Schranke. Normalerweise nimmt er Klein dessen Parkausweis für den Spielerparkplatz ab. Heute bekommt er eine Einladung in die Hand gedrückt. Für ein Weißwurstfrühstück, mit dem Klein sich am Morgen nach seinem Abschiedsspiel bei der "THW-Familie hinter den Kulissen", wie er es nennt, verabschieden will. Kleinschmidt hat in fast drei Jahrzehnten Schranken-Dienst nur fünf Spiele verpasst. "Dass die Menschen hier so lange arbeiten, macht einen großen Teil des familiären Flairs aus", sagt Klein. Kleinschmidt war für ihn bei jedem Heimspiel der erste Anlaufpunkt. Seit er in der Innenstadt wohnt und zu Fuß zu den Spielen kommt, haben sie noch mehr miteinander zu tun. Mal nutzten Familienmitglieder den Ausweis für Parkplatz Nummer 31, mal Freunde. "Ich habe ihm dann vorher gesagt, welches Auto kommt", erzählt Klein. Auch Schlüsselübergaben organisierte Kleinschmidt. Nun gibt er Klein ein letztes Versprechen mit auf den Weg: "Wenn du mal wieder hier bist - hier hast du einen Dauerparkplatz. Und das nächste Mal bekommst du auch deine Nummer 33." Einige Schritte und viele Unterschriften weiter steht Holger Ramlau an der Tür des Spielereingangs. Auch er bekommt eine Einladung als Dank fürs jahrelange Verwalten der Eintrittskarten für Familie und Freunde. "Er hat irgendwie alles im Griff und ist dabei so lieb", sagt Klein. Dann trifft er auf dem Weg durch die Katakomben auf Harald Stenzel, "eine der treuesten Seelen überhaupt im Verein. Ihm muss ich mal ein Mega-Kompliment machen". Stenzel ist der Mann, der die Halle vor den THW-Spielen vorbereitet. Er weist Gastmannschaften den Weg, sorgt für Getränke, übernimmt Fahrdienste zum Flughafen. "Für meinen Umzug hat er mir ein großes Auto organisiert. Er war einer meiner ersten Kontakte beim THW", erinnert sich Klein. "Außerdem ist er der Mann, der immer weiß, wo ein Kasten Bier versteckt ist. Oder auch zwei..." Bier gibt es aber erst nach getaner Arbeit. Zunächst macht Klein sich auf den Weg dorthin, wo Stenzel vor jedem Spiel eine Uhr aufhängt und sie anschließend wieder abnimmt: in den Besprechungsraum. An Kleins letztem Spieltag ist einiges anders als sonst. Beim Aufwärmen schreibt er Autogramme, geht zur Seitenwahl, läuft als Erster in die Arena ein. Alfred Gislason hat ihn zum Kapitän für einen Tag bestimmt. In Abwesenheit von Domagoj Duvnjak und Joan Cañellas übernimmt er auch die Rolle des Mittelmanns, erzielt seine letzten beiden Tore für den THW. "Ich will mich gar nicht richtig verabschieden", hatte er vor dem Spiel gesagt. Zum einen, weil das richtige Abschiedsspiel noch kommt. Zum anderen, weil er sich in seiner Heimat Obernburg auch nie verabschiedet habe. "Kiel ist inzwischen auch Heimat und wird immer ein Ort sein, an den ich gern zurückkomme." Offiziell gehen zunächst nur sieben andere Zebras. Klein soll anschließend nur noch einmal für sein Abschiedsspiel werben und die Fans zur Abschluss-Feier auf den Hallenvorplatz locken. Doch sie lassen ihn nicht zu Wort kommen. Sie stehen auf, und als bei "Mini" nun doch Tränen fließen, klatschen sie minutenlang, bis er wieder sprechen kann. Das letzte Spiel ist gespielt, die Tränen schnell getrocknet. Familienfoto im Tor, Selfies mit den Fans, weiter geht die Abschieds-Runde. Auch Ordner Werner Bresa gehört zu Kleins THW-Familie. Die beiden verbindet eine besondere Geschichte: Bei der WM 2007 sicherte sich Bresa einen Spielball. Weil sein Platz am Eingang in die Katakomben ist, wo er nur Spieler und Offizielle durchlässt, kam er mit allen Weltmeistern in Kontakt. "Sie mussten ja in der folgenden Saison alle mal an mir vorbei." Also sammelte er Unterschriften. Schließlich übergab Bresa den Ball mit allen Weltmeister-Autogrammen an Klein. "Ich wusste, dass er sich für den Kampf gegen Mukoviszidose engagiert und dachte, dass der Ball dazu etwas beitragen könnte." Klein hat ihn noch immer, will ihn zum Abschied versteigern und den Ertrag spenden. Dass Kleins besondere Beziehung zu den Fans ihm so manche Überstunde einhandelte, stört Bresa nicht. "Er war zwar meistens der Letzte in der Halle, aber wir konnten ihn ja nicht rausschmeißen. Das hier ist doch sein Zuhause, er ist die Galionsfigur des Vereins und ein liebenswerter Kerl, den man immer ansprechen kann." Auch im VIP-Raum beim Team von Service-Chefin Feri Otto kennt man das Warten auf Dominik Klein. "Wenn ich dort ankam, ging es oft schon dem Ende entgegen", sagt Klein. Seinen Kräuterlikör trank er dann mit dem Service-Team. "Dominik hält alles zusammen", sagt Otto. "Er ist der Kitt zwischen Spielern und Fans." Auch hier hatte Klein schnell einen festen Platz. "Er hat meine Leute länger beschäftigt, da habe ich ihn auch eingespannt", sagt sie augenzwinkernd. So stapelte der Handballer zu später Stunde mal Tassen, trocknete Teller ab. "Eigentlich wollte ich ihn anlernen. Auch deshalb ist es schade, dass er geht." Viel Zeit für den üblichen Klönschnack hat Klein heute nicht. Rund 4000 Fans warten vor der Halle auf ihn und die Mannschaft. Seit "Pitti" Petersen seine Karriere beendet hat, ist Klein als Zeremonienmeister, Sänger und Co-Moderator auf der Bühne unverzichtbar. "Wenn wir doch bloß einen verdammten Pokal hier hätten", sagt er irgendwann. Ganz perfekt ist sein Abschied nicht, aber es kommt ja noch das Abschiedsspiel am 16. Juli im Kreis der THW-Familie. "Denn Familie", findet Klein, "kann man nie genug haben."