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KN-Interview mit Bernhard Bauer: “Wir haben eine Bringschuld”

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KN-Interview mit Bernhard Bauer: "Wir haben eine Bringschuld"

Kiel. Kurz vor der WM in Katar (15. Januar bis 1. Februar) spricht Bernhard Bauer, Präsident des Deutschen Handballbundes (DHB), mit Wolf Paarmann von den Kieler Nachrichten über die schwierige Situation des deutschen Handballs, Menschenrechte in Katar und die Ziele für das Turnier in der Wüste.

Handball-Präsident sieht Nationalmannschaft vor WM auf gutem Weg

Herr Bauer, die deutschen Handballer starten mit dem Rückenwind einer starken Vorbereitung zur WM nach Katar. Wie ist ihr Eindruck von der Mannschaft so kurz vor dem Turnier? Ich bin begeistert von der Art und Weise, wie die Mannschaft spielt und auftritt. Es gibt zwar immer noch Luft nach oben, doch im Hinblick auf die WM bin ich guter Dinge. Die Arbeit des neuen Trainers Dagur Sigurdsson scheint Früchte zu tragen. Ich bin beeindruckt von seiner Persönlichkeit und der Art und Weise, wie er mit der Mannschaft umgeht. Dagur ist im Reden ein Minimalist. Aber das, was er sagt, hat Hand und Fuß. Er hat einen klaren Plan. Er weiß, wohin er will. Er sieht die Abwehr als Fundament, das wie bei einem Hochhaus immer sicher und tragfähig sein muss, wenn man Spiele gewinnen will. Zudem hat er ein sehr gutes Händchen für die richtige Mischung, das Gefüge der Mannschaft. Deshalb bin ich davon überzeugt, dass die Arbeit Dagurs reiche Früchte tragen wird. Spielt es da eine Rolle, dass er im Gegensatz zu seinem Vorgänger viele Jahre in der Bundesliga gearbeitet hat? Ja. Das war ja auch Teil unseres Anforderungsprofils. Wir brauchten einen Trainer, der bewiesen hat, dass er kontinuierlich erfolgreich arbeiten kann. Ich bin davon überzeugt, dass es unserer Nationalmannschaft hilft, einen Trainer zu haben, der Woche für Woche im Brennpunkt steht und im Ligaspielbetrieb oft schnelle taktische Entscheidungen treffen muss. Trainerwechsel, Wildcard-Debatte, TV-Ärger – Sie blicken auf ein turbulentes erstes Kalenderjahr Ihrer Amtszeit zurück... Ich hätte mir natürlich ein weniger turbulentes Jahr 2014 gewünscht – vor allem sportlich. Es war für mich eine große Enttäuschung, dass wir die Qualifikation für die WM in den Play-off-Spielen gegen Polen nicht geschafft haben. Ich hatte geglaubt, dass wir im Entwicklungsprozess der Mannschaft weiter gewesen wären. Weil wir sportlich nicht erfolgreich waren, mussten wir mit dem Trainerwechsel eine harte, aber konsequente Entscheidung treffen. Am Ende bin ich für den deutschen Handball aber froh, dass wir die WM-Wildcard für Katar bekommen haben. Es ist für uns die Chance, zu beweisen, dass wir zu den besten Mannschaften der Welt gehören. Nach dem geschenkten WM-Ticket hagelte es Kritik. Haben Sie auch mal daran gedacht, mit einem WM-Verzicht vielleicht ein Zeichen für den fairen sportlichen Wettbewerb zu setzen? Nein, das habe ich nicht. Keine Sekunde. Alles andere wäre gelogen. Es war eine einstimmige Entscheidung der IHF-Exekutive. Ich halte es für wichtig, dass man respektiert, was Verbandsgremien entscheiden – und zwar ungeachtet dessen, ob das für einen selbst positiv oder negativ ausfällt. Darauf basiert unser Zusammenleben. Hat diese Wildcard-Entscheidung mit ihrer anschließenden öffentlichen Debatte dem deutschen Handball geschadet? Eine Entscheidung, die nicht transparent und nachvollziehbar erklärt wird, führt immer zu Diskussionen und Spekulationen. Deshalb war die öffentliche Debatte für den Handball sicherlich nicht gut. Wir betrachten die Wildcard jedoch als unverhofftes Geschenk und eine große Chance, uns nun sportlich zu rehabilitieren. Ich wünsche mir freilich generell, dass man Verbandsentscheidungen, wie auch immer sie ausfallen, so transparent und so schlüssig wie möglich darstellt und erklärt. Anfang Dezember folgte der nächste Schock: Nach der TV-Absage von ARD und ZDF wird es keine Live-Bilder von WM-Spielen im frei empfangbaren Fernsehen geben. Wie bedrohlich ist die gegenwärtige Situation für den Volkssport Handball gerade auch in Bezug auf die öffentliche Wahrnehmung? Wir haben als Sportart Handball eine Bringschuld, wenn wir breit öffentlich wahrgenommen werden wollen. Gerade dann, wenn man wie wir, in den vergangenen Jahren weniger erfolgreich war und nicht wie der Fußball ständig in der Öffentlichkeit steht, müssen wir durch Leistung überzeugen. Das wissen unsere Spieler. Sie wissen, dass sie nur breit zu sehen sein werden, wenn sie erfolgreich sind. Aber auch bei uns im Verband müssen wir daran arbeiten, um deutlich zu machen, dass wir in vielen Bereichen gesellschaftliche Verantwortung übernehmen, beispielsweise für Behinderte, für Kinder und Jugendliche. Wir müssen uns verstärkt in Gremien der nationalen und internationalen Verbände engagieren, um Einfluss auf die Zukunft des Handballsports nehmen zu können, auf seine Attraktivität und auf seine Darstellung in den Medien. Stichwort gesellschaftliche Verantwortung: Wie sehen sie die Situation zurzeit in Katar? Gab es bei Ihnen im mitgliederstärksten Handball-Verband der Welt die Diskussion, ein Zeichen zu setzen und auf die WM in der Wüste zu verzichten? Ich glaube, dass Boykott oder Verzicht die falschen Antworten sind. Das war für uns kein Thema. Es gibt nichts Verbindenderes als Sportveranstaltungen, Spiele und Wettkämpfe. Athleten aus unterschiedlichsten Nationen, Kulturen und Gesellschaftskreisen sprechen miteinander und reichen sich einander die Hand. Man hat die Möglichkeit, über unterschiedliche gesellschaftliche Verhältnisse zu diskutieren. Ich glaube, es ist wichtig, dass der Sport solche Möglichkeiten schafft. Lassen Sie uns zum Abschluss über die sportlichen Ziele sprechen. Wie lautet die Vorgabe des Verbandschefs für Trainer Sigurdsson und sein Team? Dagur ist jetzt zwar fast fünf Monate unser Trainer. Dies ist eine relativ kurze Zeit, in der er schon viel bewegt hat. Wir sollten allerdings weder den Trainer noch die Spieler überfordern. Ich wünsche mir, dass die Mannschaft mit ihrer Art und Weise, mit ihrem Spiel beweist, dass die Kluft zur Weltspitze kleiner geworden ist. Das Achtelfinale zu erreichen, halte ich für Pflicht, das Viertelfinale wäre angesichts der starken Gegner schön. (Das Interview führte Wolf Paarmann, aus den Kieler Nachrichten vom 13.1.2015)