THW Kiel scheidet nach Niederlage gegen Wetzlar aus dem DHB-Pokal aus

DHB-Pokal

THW Kiel scheidet nach Niederlage gegen Wetzlar aus dem DHB-Pokal aus

Große Enttäuschung in der dritten DHB-Pokalrunde für den THW Kiel: Die Zebras unterlagen am Dienstagnachmittag vor 4389 zumeist jungen Zuschauern in der Wunderino Arena mit 31:32 (17:19) gegen die HSG Wetzlar. Nach einem echten Pokal-Krimi, in dem die Kieler an ihrer fatalen Chancenverwertung scheiterten, sind die Zebras damit früh auf der Strecke geblieben. Zuletzt waren sie 2001 in der dritten Runde dieses Wettbewerbs ausgeschieden. Das REWE Final4 in Köln findet damit erneut ohne den Rekord-Pokalsieger statt. Mit viel Einsatz, einem überragenden Till Klimpke im Tor, den bärenstarken Domen Novak und Lenny Rubin im Angriff sowie der nötigen Portion Glück verdienten sich die Mittelhessen den Einzug in die nächste Runde. 

Letzte Aktion sinnbildlich für 60 Minuten

Traf fünf Mal: Harald Reinkind

Es hätte kurz vor dem Abpfiff beim 31:32 nach der Glanzparade von Tomas Mrkva gegen den allein vor ihm auftauchenden Novak noch ein kleines Happy-End geben können, die Zebras hätten sich in die Verlängerung retten können. 24 Sekunden Restspielzeit blieben, was folgte, war allerdings sinnbildlich für die 60 Minuten: Vor dem Tor blieben die Zebras zu harmlos, nahmen sich nicht den Wurf, sondern versuchten es mit einem Anspiel an den Kreis. Dieses wurde abgefangen - die Chance auf Verlängerung wurde vertändeltet. Wetzlar jubelte, die THW-Fanschar war fassungslos. "Leider ist unsere Pokal-Saison schon vorbei", resümierte ein enttäuschter Harald Reinkind. "Wir kommen gut ins Spiel, gehen in Führung. Aber dann war Wetzlar plötzlich vorn. Fortan sind wir ständig einem Rückstand hinterhergelaufen, haben das Spiel einfach nicht mehr in den Griff bekommen." Kapitän Domagoj Duvnjak, sichtlich gezeichnet von 60 harten Minuten, fasste das Geschehen ganz kurz zusammen: "Das ist ein Schock. Für jeden von uns."

Top-Torschütze Eric Johansson humpelte vom Feld

Sieben Treffer: Eric Johansson

Harald Reinkind war noch ein Lichtblick im Kieler Angriff, in dem THW-Trainer Filip Jicha auf den sich seit drei Wochen mit Rückenbeschwerden herumplagenden Nikola Bilyk bis auf einen Kurzeinsatz verzichten musste. Reinkind glänzte mit Torvorlagen und erzielte selbst fünf Treffer gegen die robuste HSG-Abwehr. Bester Kieler Torschütze war Eric Johansson, der siebenmal erfolgreich war. Kurz vor dem Abpfiff, als das Spiel auf Messers Schneide stand, konnte er aber nicht mehr helfen: Er humpelte erst anschlagen vom Spielfeld und später mit einem dicken Eisbeutel um das rechte Sprunggelenk in die Kabine. Den THW Kiel lange Zeit im Spiel hielt Torhüter-Neuzugang Samir Bellahcene, der zehn Bälle parierte. Bei den Gästen überzeugten ebenfalls die Torhüter, vor allem Till Klimpke: Der wurde zum Alptraum für die Kieler Angreifer, hielt 13 zumeist freie Würfe und avancierte so zum Wetzlarer Pokalhelden. Bester Torschütze der Gäste war Rechtsaußen Domen Novak, der zehnmal ins Kieler Tor traf.

Klimpke wird zum Kieler Pokal-Alptraum

Doch von Anfang an: Aus dem ganzen Land waren Vereine mit ihren Jugendmannschaften nach Kiel gepilgert, um in der Wunderino Arena die Zebras zu unterstützen. Die 4389 zumeist jungen Zuschauer sahen eine HSG, die anders als vor einem Monat in der Bundesliga selbstbewusst startete. Lenny Rubin traf gleich beim ersten Versuch zum 1:0 für die Gäste, Harald Reinkind glich aus, doch Mellegard und nochmals Rubin legten erneut vor. Gut, dass Harald Reinkind in der Anfangsphase am Zielwasser genippt hatte: Der Norweger jagte den Ball zum zweiten Mal links oben in den Torwinkel, Eric Johansson und der Schung ins Angriffsspiel bringende Elias Ellefsen á Skipagötu ließen Kiels Treffer vier und fünf folgen. Als dann Harald Reinkind nach sehenswertem Solo und Niclas Ekberg mit raffiniertem Heber auf 7:4 erhöhten, schien die Partie den aus Kieler Sicht erhoffte Lauf zu nehmen. Aber Wetzlar blieb dran, konnte sich vor allem auf den Till Klimpke im Tor und Rechtsaußen Domen Novak verlassen. Per Doppelschlag holte Mellegard dann die Führung für Wetzlar zurück.

Zwei Tore-Rückstand zur Pause

Niclas Ekberg war fünf Mal erfolgreich

Einen schwarzen Tag erwischte Rune Dahmke, der viermal in Folge an Klimpke scheiterte. Aber auch die anderen Kieler Angreifer waren vergeblich auf der Suche nach Treffsicherheit, spielten sich glänzend frei, um dann zu scheitern. Die Gäste nahmen die Kieler Geschenke dankbar an. Trainer Filip Jicha haute beim 11:14 in der 21. Minute zum ersten Mal auf den Auszeit-Buzzer. Wurde laut und forderte energisch: "Haut die Bälle einfach rein!" Hinter der nicht sattelfesten Kieler Abwehr sorgte jetzt Samir Bellahcene für Stabilität. Vorne lief es phasenweise besser und nach dem 3:0-Lauf durch á Skipagötu, Johanssons Leger mit Links (!) und Ekbergs Treffer glichen die Kieler in der 25. Minute zum 15:15 aus. Es war nur ein kurzes Aufbäumen. Die HSG ließ sich nicht beirren, war in der Abwehr auf schnellen Beinen unterwegs und blieb vorne stets torgefährlich. 15:17 hieß es nach 26 Minuten aus Kieler Sicht, Erik Johansson brachte den THW kurz vor dem Seitenwechsel auf 17:18 heran, doch in der letzten Sekunde konterte Wetzlar zum 17:19 ins leere Kieler Tor. Halbzeit.

Zwei Tore-Rückstand zur Pause

Hielt die Zebras im Spiel: Samir Bellahcene

Die zweite Hälfte begann ebenso zäh, Harald Reinkind warf freistehend übers HSG-Tor, Patrick Wiencek ging es nicht besser. Nach 33 Minuten wuchtete Domagoj Duvnjak den Ball erstmals ins Netz: 18:19. Kiels Kapitän nahm jetzt die Zügel in seine Hände, traf noch zweimal in Folge. Doch der THW tat sich schwer, der Ausgleich ließ auf sich warten. Till Klimpke wehrte in der 39. Minute bei 21:22 einen Siebenmeter von Niclas Ekberg ab. Petter Överby brach schließlich den Bann, traf in der 41. Minute zum 22:22. HSG-Trainer Carstens reagierte mit einer Auszeit, stellte seine Offensive neu ein. Fortan legten die Gäste stets ein Tor vor, der THW glich aus. Ließ aber zahlreiche Möglichkeiten liegen, selbst einmal in Führung zu gehen und sich damit Sicherheit zu holen. Ganz anders die Gäste: Sehenswert und frech erzielten sie die erneute HSG-Führung in der 53. Minute, als Zelenovic nach Doppel-Kempa zum 29:28 vorlegte. So ging es weiter, die HSG führte stets knapp, der THW Kiel musste volles Risiko gehen. Aber Karl Wallinius unterlief im Sieben-gegen-Sechs ein Lapsus, Wetzlar traf zum 30:32. Dann war Kiels Kapitän erneut zur Stelle, "Dule" warf zum 31:32 ein. Die Parade von Tomas Mrkva wurde dann zum letzten Hoffnungsschimmer. Doch der verglühte, die Pokalüberraschung stand fest.

Sonntag "kleines Derby" gegen den HSV

Nach der Enttäuschung gab’s Autogramme für die jungen Fans

Am Sonntag (15 Uhr, live bei BILD.tv und Dyn) geht es für die Kieler im "kleinen Derby" gegen den Handball Sport Verein Hamburg. Die Mannschaft von Trainer "Toto" Jansen hat zuletzt mit vier Siegen in Folge ordentlich Selbstbewusstsein getankt und wird dementsprechend hoffnungsvoll an die Förde reisen. Die Zebras indes wollen nach der Riesen-Enttäuschung im DHB-Pokal gemeinsam mit ihren Fans wieder ein Erfolgserlebnis feiern. Denn gerade in einer solchen Situation muss die Unterstützung von den Rängen helfen, die Zebras wieder in die Spur zu bringen! Karten für die Begegnung gibt es bei CITTI, in der THW-FANWELT und online unter www.thw-tickets.de. Der Zweitmarkt mit dem sicheren Verkauf von Fans an Fans öffnet am Samstag um 9 Uhr, dann werden weitere Eintrittskarten verfügbar sein. Weiter geht’s gegen Hamburg, Kiel!

Text: Reimer Plöhn / Fotos: Sascha Klahn

DHB-Pokal, 3. Runde: THW Kiel – HSG Wetzlar 31:32 (17:19)

THW Kiel: Mrkva (1,-20., 57.-60. und 1 Siebenmeter, 4 Paraden), Bellahcene (20.-57., 10 Paraden); Ehrig, Duvnjak (5), Reinkind (5), Landin (1), Øverby (1), Wiencek (3), Ekberg (5/1), Johansson (7), Dahmke (1), Gurbindo, Wallinius, Bilyk, Pekeler, á Skipagøtu (3); Trainer: Jicha
HSG Wetzlar: T. Klimpke (1.-54., 13/1 Paraden), Suljakovic (54.-60., 3 Paraden); Weimer, Ejlersen, O. Klimpke (2), Kuzmanovski, Vranjes (3), Becher (4/2), Fredriksen, Wagner, Mellegard (3), Zelenovic (2), Rubin (8), Novak (10), Cavor; Trainer: Carstens

Schiedsrichter: Julian Fedtke / Niels Wienrich
Siebenmeter: THW: 2/1 (T. Klimpke hält Ekberg (49.)) / HSG: 3/2 (Novak überweg (46.))
Zeitstrafen: THW: 2 (Wiencek (13.), Pekeler (46.)) / HSG: 6 (2x Ejlersen (7., 14.), Vranjes (22.), Novak (24.), 2x Wagner (32., 37.))
Spielfilm: 0:1, 2:3 (2.), 5:3 (6.), 7:4 (7.), 7:6, 9:8 (13.), 9:10, 11:12 (19.), 11:14 (21.), 12:15, 15:15 (25.), 15:17, 17:19;
2. Hz.: 18:19, 20:22 (38.), 22:22 (41.), 25:25 (45.), 30:30 (56.), 30:32 (58.), 31:32 (59.).
Zuschauer: 4389 (Wunderino Arena, Kiel)

Stimmen zum Spiel: 

THW-Trainer Filip Jicha: Glückwunsch an Frank und die HSG. Man hat heute wieder einmal gesehen, dass der Pokal seine eigenen Gesetzte hat. Das heute kann man nicht schönreden. Wir wollen diese Aufgabe erledigen. Die Qualität haben wir, die Möglichkeiten hatten wir – aber haben sie nicht genutzt. Gerade in der ersten Halbzeit sind wir an Till gescheitert, zudem war unsere Abwehr nicht bissig genug. Wetzlar war da, und ist nach einigen weiteren Paraden davongezogen. In der zweiten Halbzeit haben wir unsere Abwehr ein wenig stabilisiert, die HSG war aber immer da, hat mit Fernwürfen von Rubin oder weiteren Paraden die Leichtigkeit beibehalten. Bei uns war es hingegen weiter ein Kampf um jedes Tor, gefühlt brauchten wir drei hundertprozentige Chancen für einen Treffer. Ich liebe diesen Verein, und ich bin dafür da, dass wir für diesen Verein erfolgreich sind. Und das waren wir heute nicht. Also bin ich sportlich verantwortlich für diese Niederlage und stelle mich vor mein Team. Wir haben Qualität in der Mannschaft, wir haben unsere Chancen kreiert – es ist für mich aber unverständlich, warum wir diese nicht reinmachen. Die Chancenverwertung war fatal, und Till Klimpke hat heute fantastisch abgeliefert. Wir waren nicht frisch in der Birne. Und das Spiel heute war ein deutliches Signal, dass – wenn man für den THW Kiel spielt – in jedem Spiel weit über die Grenze hinausgehen und raus aus der Komfortzone muss. Es liegt nun an uns allen, wie schnell und intensiv wir uns aus dieser Mini-Krise herausarbeiten.

HSG-Trainer Frank Carstens: Es ist eine Premiere für mich, dass mir in Kiel gratuliert wird. Auf diesen Moment habe ich 23 Jahre warten müssen. Ich bin überwältigt von der Situation, so einen Tag erlebt man nicht oft. Für mich ist er aber der Beweis, wie unfassbar schnell sich Dinge in unserem Sport ändern können. Vor vier Wochen sind wir hier wie geprügelte Hunde aus der Halle geschlichen, heute feiern meine Jungs in der Kabine. Wir wussten, dass der THW Kiel ein hartes Programm hinter sich hat, und wollten das für uns nutzen. Das musst du dann aber auch erstmal so machen. Eigentlich verlief das Spiel typisch für eine Partie in Kiel. Aber wir hatten immer im richtigen Moment eine Riesen-Aktion, ein Tor von Rubin oder einen Pass unter Bedrängnis, der noch den Außen erreichte. Dafür sind wir ins Risiko gegangen, aber vieles hat heute super funktioniert. Es gibt solche Tage, und dann fährt man mit einem glücklichen, aber verdienten Sieg aus Kiel nach Hause