30:38 beim HBC Nantes: THW Kiel erlebt Desaster in der Königsklasse
Der THW Kiel bleibt in der Machineseeker EHF Champions League auswärts weiter sieglos: Beim französischen Tabellenführer HBC Nantes setzte es am Donnerstagabend eine deutliche 30:38-Niederlage. Im Hexenkessel von Nantes hielten die Zebras nur gut eine Viertelstunde mit und gerieten dann ins Hintertreffen. Kurz vor und nach der Halbzeit brachen alle Dämme: Nantes zog innerhalb von sechs Minuten von 17:15 auf 24:16 davon und feierte schon weit vor dem Schlusspfiff den vierten Vorrunden-Erfolg im fünften Spiel, während der THW Kiel ein Desaster erlebte, nach dem Trainer Filip Jicha die Fans in Deutschland um Entschuldigung bat: "Das war nicht THW-Kiel-like."
Kiel ohne Sextet
An die großartige Vorstellung vom triumphalen Erfolg vom Sonntag in der Bundesliga gegen die Rhein-Neckar Löwen konnten die Zebras in der Nähe der französischen Atlantikküste nicht annähernd anknüpfen, waren in der Deckung zu zögerlich und fanden im Angriffsspiel selten zum gewohnt flüssigen Spiel. Bester Kieler Torschütze war nach den ernüchternden 60 Minuten Karl Wallinius, der sechsmal traf, bei Nantes brillierte das gesamte Team mit Tempo und Spielwitz, hatte seinen besten Schützen in Rechtsaußen Kauldi Odriozola, der siebenmal ins Kieler Tor traf.
Trainer Filip Jicha musste erneut auf seine langzeitverletzten Spieler Sander Sagosen, Hendrik Pekeler und Sven Ehrig verzichten. Außerdem reisten die Kieler ohne gelernten Linksaußen an die Westküste Frankreichs. Rune Dahmke fällt mit Muskelfaserriss aus, Magnus Landin mit einer Leberverletzung. Zudem musste der kurzfristig ins Team geholte Malte Voigt aus beruflichen Gründen passen, so dass Regisseur Miha Zarabec die ungewohnte Position ausfüllen musste. Eine Personalnot, die nur schwer zu kompensieren war, aber nicht der alleinige Grund für die Schlappe im Westen Frankreichs ist.
Zebras erwischen im Hexenkessel einen guten Start
In der komplett ausverkauften H-Arena in Nantes standen die Fans, angetrieben von einer Blaskapelle und einem ständig schreienden Stimmungs-Einpeitscher, wie ein Mann hinter ihrem Team. Die Kieler ließen sich zunächst nicht beirren, erwischten einen guten Start, legten durch Domagoj Duvnjak die 1:0-Führung vor und blieben bis zur 15. Minute auf Augenhöhe. Filip Jicha setzte im Tor auf Tomas Mrvka, der zunächst hielt, was zu halten war. Mrkva machte bis zum Pausenpfiff acht Bälle unschädlich, darunter einen Siebenmeter von Rivera Folch. Im Angriff bekam zunächst Karl Wallinius auf der Königsposition Halblinks den Vorzug. Der junge Schwede war anfangs ebenfalls ein ständiger Unruheherd, traf dreimal bis zum Pausenpfiff und hielt seine Mannschaft lange Zeit auf Augenhöhe. Die letzte Kieler Führung zum 5:4 in der 8. Minute ging ebenfalls auf die Rechnung von Wallinius, zuvor hatten Harald Reinkind und Neuzugang Yannick Fraatz für Kiel getroffen.
THW kämpft sich heran und lässt dann Federn
Sehenswert dann auch das Tor von Petter Överby zum 6:6 in der zehnten Minute, als der Norweger den Pass von Reinkind mit einer Hand fing, um den den Ball dann akrobatisch ins Netz zu legen. Für ein Raunen im Publikum sorgte auch der Kracher von Karl Wallinius in der 13. Minute zum 8:9, Harald Reinkind glich mit energischem Solo zum 9:9 aus, per Leger gelang Miha Zarabec wenig später das 10:10. Es sollte der letzte Gleichstand in dieser folglich einseitigen Begegnung sein. Mit einem 3:0-Lauf durch Tore von Briet, Ovnicek und noch einmal Briet zog Nantes dann bis zur 20. Minute auf 13:10 davon, Kreisläufer Marchan erhöhte auf 15:11. Nach dem 12:15 durch eine Einzelleistung von Steffen Weinhold traf Persson nach 23 Minuten zum 17:12 für die Franzosen, die Halle bebte, das Publikum war begeistert. Die Kieler Antwort war ein 3:0-Lauf mit Initiator Tomas Mrkva, der mehrfach glänzend parierte. Zweimal Eric Johansson und Yannick Fraatz trafen nach 28 Minuten zum 15:17. Kiel zurück im Spiel? Leider nicht. Ein Fehler reihte sich in den Schlusssekunden der ersten Halbzeit jetzt an den nächsten. Routinier Jorge Maqueda bestrafte diese nahezu im Alleingang, traf dreimal in 70 Sekunden zum 20:15.
Entscheidung innerhalb von neun Minuten
Wer ein Kieler Aufbäumen in der zweiten Halbzeit erhofft hatte, wurde dann bitter enttäuscht. Die Fehlerquote erhöhte sich gar, nun brachen alle Dämme: Innerhalb von neun Minuten war die Partie vorentschieden: Valero Rivera netzte in der 39. Minute zum 28:19 ein, Kiels Abwehr glich gegen das hohe Tempo der Gastgeber zu oft einem Spalier, und vorne wurden die Bälle überhastet weggeworfen. Marchan sorgte nach 44. Minuten für das 31:21 und die erste Zehn-Tore-Führung von HBC Nantes. Es kam sogar noch schlimmer: Marchan legte den Kielern nach 50 Minuten gar das 35:22 ins Netz, es drohte eine historische Schlappe für Schwarz-Weiß zu werden. Das Debakel konnte zumindest in Grenzen gehalten, weil ein erlösender 6:1-Zwischenspurt zum 28:36 in der 56. Minute das Endergebnis halbwegs erträglich gestaltete.
Mittwoch ist Aalborg zu Gast
Am Wochenende sind die Zebras spielfrei, weil weder der HC Erlangen noch die Kieler selbst eine Halle für die angesetzte Partie des neunten Spieltags zur Verfügung hatten. Die Begegnung wird jetzt am 16. November in Nürnberg ausgetragen. Dafür wartet in der kommenden Woche aber ein weiterer Top-Gegner auf den THW Kiel und seine vielen Fans: Am Mittwoch kommt es in der Wunderino Arena zum deutsch-dänischen Duell mit der Millionentruppe von Aalborg Handbold, in der neben zahlreichen weiteren Stars mit Aron Palmarsson und Mikkel Hansen zwei absolute Handball-Superstars auf Torejagd gehen. Die Begegnung in Kiel wird um 20:45 Uhr angepfiffen, für das Spiel gibt es bei CITTI, in famila-Märkten mit Ticketservice, online unter www.thw-tickets.de und in der THW-FANWELT, die am Spieltag von 10 Uhr bis Anpfiff geöffnet haben wird, noch Karten. Harald Reinkind hofft trotz des Desasters in Nantes auf viele Fans, die die Zebras unterstützen: "Wir müssen gegen Aalborg gewinnen, um nicht komplett den Anschluss zu verlieren." Auf geht’s in die Wunderino Arena, Kiel!
Text: Reimer Plöhn / Fotos: HBC Nantes
Machineseeker EHF Champions League, 5. Spieltag: HBC Nantes - THW Kiel 38:30 (20:15)
HBC Nantes: Hofmann (56.-60., keine Parade), Hallgrimsson (1.-56., 15 Paraden); Marchan Criado (5), Briet (3), de la Breteche, Persson (3), Rivera Folch (3/1), Cavalcanti (4), Shkurinskiy, Ovnicek (2), Damatrin-Bertrand (2), Portela (3/2), Maqueda (4), Toto (1), Odriozola, Favril (7); Trainer: Cojean
THW Kiel: N. Landin (32.-35., 45.-60., 4/1 Paraden), Mrkva (1.-32., 35.-45., 9/1 Paraden); Duvnjak (4), Reinkind (3), Battermann (1), Øverby (3), Weinhold (2), Wiencek (1), Ekberg (2/2), Pabst, Fraatz (3), Johansson (4), Zarabec (1), Schwormstede, Wallinius (6), Bilyk; Trainer: Jicha
Schiedsrichter: Slave Nikolov / Gjorgji Nachevski (MKD)
Zeitstrafen: Nantes: 3 (Toto (2)., Odriozola (15.), Calvacanti (19.))/ THW: 5 (Duvnjak (10.), Wiencek (12.), Weinhold (17.), 2x Battermann (43., 50.))
Siebenmeter: Nantes: 5/3 (Mrkva hält Rivera Folch (27.), Landin hält Portela (32.)) / THW: 2/2
Spielverlauf: 0:1, 2:3 (2.), 4:3, 4:5 (6.), 6:6, 8:6, 9:7 (12.), 9:9 (14.), 10:10, 13:10 (17.), 15:12 (20.), 17:12 (22.), 17:15 (28.), 20:15;
21:16, 24:16 (33.), 26:17 (35.), 29:20 (39.), 31:21, 35:22 (49.), 36:29 (58.), 38:30.
Zuschauer: 5900 (ausverkauft) (H Arena, Nantes)
Stimmen zum Spiel:
THW-Trainer Filip Jicha: Glückwunsch an Nantes zu diesem großen und absolut verdienten Sieg. Ich möchte unsere Fans in Deutschland um Entschuldigung bitten – das war nicht THW-Kiel-like und wir müssen dringend darüber reden. Wir haben vielleicht zwölf Minuten so gespielt, wie man es hier tun muss. Dann war es von unserer Seite ein Desaster, das durch nichts zu entschuldigen ist.
THW-Rückraumspieler Harald Reinkind: Wir haben uns heute hier wie kleine Jungen präsentiert und hätten auch noch höher verlieren können. Wir haben bisher alle Auswärtsspiele in der Königsklasse verloren, jetzt müssen wir gegen Aalborg gewinnen, um nicht komplett den Anschluss zu verlieren. Wir sind maximal enttäuscht- von uns selbst.
Nantes-Trainer Gregory Cojean: Das war eine großartige Leistung meiner Mannschaft und wir sind sehr glücklich, gegen den THW Kiel gewonnen zu haben. Wir haben viel Respekt vor Filip, seiner Mannschaft und dem Club – aber wir haben unser Spiel, unseren Tempohandball durchgezogen. Das war der Schlüssel zum Sieg.
Nantes-Spieler Thibaud Briet: Die Atmosphäre war heute noch viel verrückter als in den Liga-Spielen. Wir haben mit Spaß und hoher Intensität gespielt, und so kommt dann auch solch ein Ergebnis zustande.
THW-Geschäftsführer Viktor Szilagyi: Das war ein sehr ernüchternder Abend für uns. Wir bewegen uns hier in der EHF Champions League, sind aber nicht einmal annähernd auf das Niveau gekommen, was heute notwendig gewesen wäre. In den ersten paar Minuten hatte man eigentlich ein gutes Gefühl, wir kommen sogar gut rein in dieses Spiel. Danach sind wir überhaupt nicht stabil und brechen viel zu früh auseinander, was eigentlich untypisch für uns ist. Es ist aber passiert, und das müssen wir sehr, sehr genau aufarbeiten. Das, was in der zweiten Halbzeit passiert ist, war unglaublich enttäuschend.
Kiel ohne Sextet
An die großartige Vorstellung vom triumphalen Erfolg vom Sonntag in der Bundesliga gegen die Rhein-Neckar Löwen konnten die Zebras in der Nähe der französischen Atlantikküste nicht annähernd anknüpfen, waren in der Deckung zu zögerlich und fanden im Angriffsspiel selten zum gewohnt flüssigen Spiel. Bester Kieler Torschütze war nach den ernüchternden 60 Minuten Karl Wallinius, der sechsmal traf, bei Nantes brillierte das gesamte Team mit Tempo und Spielwitz, hatte seinen besten Schützen in Rechtsaußen Kauldi Odriozola, der siebenmal ins Kieler Tor traf.
Trainer Filip Jicha musste erneut auf seine langzeitverletzten Spieler Sander Sagosen, Hendrik Pekeler und Sven Ehrig verzichten. Außerdem reisten die Kieler ohne gelernten Linksaußen an die Westküste Frankreichs. Rune Dahmke fällt mit Muskelfaserriss aus, Magnus Landin mit einer Leberverletzung. Zudem musste der kurzfristig ins Team geholte Malte Voigt aus beruflichen Gründen passen, so dass Regisseur Miha Zarabec die ungewohnte Position ausfüllen musste. Eine Personalnot, die nur schwer zu kompensieren war, aber nicht der alleinige Grund für die Schlappe im Westen Frankreichs ist.
Zebras erwischen im Hexenkessel einen guten Start
In der komplett ausverkauften H-Arena in Nantes standen die Fans, angetrieben von einer Blaskapelle und einem ständig schreienden Stimmungs-Einpeitscher, wie ein Mann hinter ihrem Team. Die Kieler ließen sich zunächst nicht beirren, erwischten einen guten Start, legten durch Domagoj Duvnjak die 1:0-Führung vor und blieben bis zur 15. Minute auf Augenhöhe. Filip Jicha setzte im Tor auf Tomas Mrvka, der zunächst hielt, was zu halten war. Mrkva machte bis zum Pausenpfiff acht Bälle unschädlich, darunter einen Siebenmeter von Rivera Folch. Im Angriff bekam zunächst Karl Wallinius auf der Königsposition Halblinks den Vorzug. Der junge Schwede war anfangs ebenfalls ein ständiger Unruheherd, traf dreimal bis zum Pausenpfiff und hielt seine Mannschaft lange Zeit auf Augenhöhe. Die letzte Kieler Führung zum 5:4 in der 8. Minute ging ebenfalls auf die Rechnung von Wallinius, zuvor hatten Harald Reinkind und Neuzugang Yannick Fraatz für Kiel getroffen.