Spielbericht Aalborg
Einsatz, Kampf und Leidenschaft
Vier Treffer bis zur Pause. Marko Vujin
Fünf Tage nach seiner Bandscheiben-Operation kehrte Alfred Gislason wieder zurück auf die Bank - von der angedachten Schonung war von Beginn an wenig zu sehen. Engagiert wie eh und je coachte der Isländer seine Mannschaft, unterstützte, agierte und reagierte. Auf der Rechtsaußen-Position hatte er Ole Rahmel den Vorzug vor Niclas Ekberg gegeben, der nach seinem K.o. in Kielce so wenig wie möglich spielen sollte. Im Angriff schenkte er Vujin das Vertrauen - und der Linkshänder zahlte dieses mit Toren zurück. Vier Mal traf er im ersten Abschnitt, übernahm Verantwortung. Trotzdem gerieten die "Zebras" nach der 5:4-Führung durch einen Zarabec-Schlagwurf zunächst in Rückstand. Die Gäste nutzten die sich ihnen bietenden Chancen konsequent. Und auch wenn der Fehlerteufel bei den Kielern nicht zu häufig zuschlug wie in den vergangenen Partien - ganz verjagt hatten sie diesen noch nicht. Mit Kampf, Leidenschaft und Einsatz wurden diese Fehler wettgemacht, und so war es Lukas Nilsson, der seine Farben als Mittelmann erst zum 7:7-Ausgleich warf, um dann Vujin in Szene zu setzen. Als dann der gute Andreas Wolff in Überzahl einen Wurf parierte, Nilsson sich den Ball schnappte und diesen haarscharf platziert im verwaisten gegnerischen Kasten unterbrachte, waren die Zebras erstmals mit zwei Toren in Führung (9:7, 20.).
Knappe Halbzeitführung
Engangiert wie eh und je: Alfred Gislason
Doch diese hielt nicht lang: Buster Juul-Lassen sorgte mit einem Doppelpack für den Ausgleich, und nach einem weiteren Doppelschlag der Dänen lagen die "Zebras" mit 10:11 zurück. Doch anders als in den vergangenen Partien ließen sie sich dadurch nicht beirren: Vujin traf zum 11:11 und 12:12, und Patrick Wiencek schaffte bei angedrohtem Zeitspiel im Fallen das 13:12, das Wolff mit einer finalen Parade vor dem Halbzeitpfiff veredelte. Die Fans, die ihren "Zebras" in jeder Phase des Spiels den Rücken stärkten, schickten die Schwarz-Weißen mit viel Applaus in die Kabine.
Auf und Ab
Kampf pur: Beide Seiten schenkten sich kaum Raum
Das Auf und Ab der ersten 30 Minuten sollte auch im zweiten Durchgang die Nerven von Spielern und Fans auf den Rängen auf eine Probe stellen. Zunächst hatte der THW das Momentum auf seiner Seite, schloss den ersten Angriff nach Wiederanpfiff durch Wiencek erfolgreich ab, Rahmel versenkte einen Abpraller stark zum 15:13. Doch Vujins Lattenkracher wurde zur direkten Vorlage für Juul-Lassen, der zum 15:15 einnetzte. Wieder legten die Kieler vor: Nilsson traf zum 16:15, Wolff hielt gegen Aalborgs quirligen wie wurfgewaltigen Spielmacher Smarason, und Rune Dahmke verwandelte den Gegenstoß eiskalt zum 17:15. Doch ausgerechnet in Überzahl stockte der THW-Angriff, weil nun Keeper Mikael Aggefors auch auf Seiten der Dänen zum Faktor wurde, gleich zweimal Kieler Rückraumwürfe festhielt und zum Vorlagengeber für Wiesmach und Hald Jensen wurde. Nach dem neuerlichen Ausgleich zückte Gislason den grünen Karton, brachte unter anderem Zarabec zurück in die Partie.
Gänsehaut-Atmosphäre
Zwölf Paraden: Andreas Wolff
Doch die Gäste ließen sich von alldem nur wenig beeindrucken: Sie legten nach und gingen wieder in Führung. Jetzt schickte Gislason Christian Dissinger wieder in die Offensive - und der Kieler Rechtshänder hielt den THW im Spiel. Jagte eine zweite Wellte mit 102 km/h zum 20:20 ins Netz, stieg kurz darauf hoch und legte mit einem 103 km/h-Wurf Aggefors das 21:21 ins Netz. Die Partie stand auf des Messers Schneide, was auch die Zuschauer bemerkten: Sie sorgen mit Gesängen und der Unterstützung der Mannschaft gerade in dieser schwierigen Phase für eine Gänsehaut-Atmosphäre, die die "Zebras" zu beflügeln schien. Gleichwohl blieben die Dänen vorn - doch auch Aalborg konnte sich nicht absetzen. Neun Minuten vor dem Ende verwandelte Ekberg einen Siebenmeter zum Ausgleich und blieb danach auf dem Feld. Und so war es auch dem Schweden überlassen, nach Patrick Wienceks Steal in Unterzahl den Gegenstoß kompromisslos zu einem erfolgreichen Ende zu bringen: Sechs Minuten vor dem Ende führte Schwarz-Weiß wieder! Der THW legte nach: Niklas Landin, inzwischen für Wolff gekommen, entschärfte einen freien Wurf von Hald Jensen, auf der Gegenseite parierte Aggefors gegen Zarabec. Der Slowene spritzte dann in den Abwurf hinein und tankte sich zum 26:24 durch - eine Schlüsselszene der Partie, die die Fans von den Sitzen riss.
Dramatisches Finale
Emotionen pur: Ole Rahmel
Kurz darauf hielt Landin einen Holst-Jensen-Wurf fest, doch die Entscheidung war das noch lange nicht, weil Steffen Weinhold im Gegenzug an der Latte scheiterte und Wiesmach einmal mehr eine Lücke fand. Drei Minuten vor dem Ende steuerte die Begegnung auf ihre dramatischen Höhepunkte zu: 100 Sekunden vor Schluss nahm Zarabec sein Herz in die Hand und jagte den Ball zum 27:25 ins Netz, 69 Sekunden vor der Sirene tat es ihm Smarason mit einer Fackel in die lange Ecke gleich. Dann hätte ausgerechnet Zarabec' zum tragischen Helden werden können: Sein Pass bei angedrohtem Zeitspiel landete nicht bei Rune Dahmke, sondern in den Händen des Gegenspielers. 28 Sekunden waren da noch zu spielen, die "Zebras" warfen nun alles in ihre Defensive. Stoppten den ersten Angriff der Gäste auf Kosten einer Zeitstrafe für Rene Toft Hansen. Überzahl für Aalborg, noch sechs Sekunden. Die Dänen versuchten es erneut durch das Zentrum, wurden mit vereinten Kräften aufgehalten. Das Schiffshorn signalisierte das Ende der Spielzeit, noch blieb allerdings ein Freiwurf zu überstehen. Als dieser über die Mauer und ins Fangnetz segelte, durfte Kiel endlich wieder befreit jubeln: Die ersten Königsklassen-Punkte der noch jungen Saison waren unter Dach und Fach!
Nächste Partie beim Meister
Für den THW Kiel geht es erst einmal wieder in der DKB Handball-Bundesliga weiter - und das mit zwei schweren Auswärtspartien: Beim Meisterschaftsfavoriten und Titelverteidiger Rhein-Neckar Löwen sind die "Zebras" am Sonntag um 15 Uhr gefordert. Die Partie wird live von Sky aus Mannheim übertragen. Danach reisen sie nach Nürnberg, wo der HC Erlangen am Donnerstag (20:30 Uhr, live auf Sky) dem THW einen heißen Tanz bereiten möchte. Nach einer weiteren Auswärts-Tour zu Ljubomir Vranjes' Telekom Veszprem (Sonntag, 8. Oktober, 17 Uhr live auf Sky) kehren die "Zebras" erst am 12. Oktober zurück zu ihren Fans: An diesem Donnerstag empfängt der Rekordmeister den Altmeister Frisch Auf Göppingen zum Duell in der Sparkassen-Arena, für die Partie gibt es noch Karten an allen bekannten Vorverkaufsstellen, telefonisch unter der Hotline 01806 30 02 34 (0,20 Euro/Anruf aus dem dt. Festnetz, max. 0,60 Euro/Anruf aus dem deutschen Mobilfunknetz) und im Online-Ticket-Shop des THW Kiel. Weiter geht's, Kiel!
Statistik:VELUX EHF Champions League, 3. Spieltag: THW Kiel - Aalborg Handbold (DEN): 27:26 (13:12)
THW Kiel: Landin (49.-60., 2 Paraden), Wolff (1.-49., 12 Paraden); Firnhaber (n.e.), Toft Hansen, Weinhold (1), Dissinger (4), Wiencek (2), Ekberg (3/2), Zeitz (n.e.), Frend Öfors, Rahmel (2), Dahmke (3), Zarabec (5), Vujin (4), Bilyk, Nilsson (3); Trainer: Gislason
Aalborg Handbold: Westphal (n.e.), Aggefors (1.-60., 13 Paraden), Pedersen (n.e.); Smarason (4), Wiesmach (7), Barthold, Larsen (3), Hessellund, Hald Jensen (3), Saugstrup Jensen, Holst Jensen (2), Ellebaek (2), Jotic, Atlason, Meinby Pedersen, Antonsen, Juul-Lassen (5/1); Trainer: Kristjansson
Schiedsrichter: Bojan Lah / David Sok (Slowenien)
Strafzeiten: THW: 6 (2x Dahmke (12., 28.), 2x Toft (20.,60.), 2x Dissinger (52., 56.)) / Aalborg: 5 (Hald Jensen (7., 49.)), Antonsen (19., 37.), Larsen (39.))
Siebenmeter: THW: 2/2/ Aalborg: 2/1 (Juul-Lassen überweg (16.))
Spielfilm: 0:1, 1:2 (3.), 3:2 (4.), 5:4 (10.), 5:6 (12.), 6:7 (14.), 9:7 (20.), 9:9 (22.), 10:9, 10:11 (25.), 11:12 (27.), 13:12;
14:12 (31.), 15:13, 15:15 (34.), 17:15 (35.), 17:17 (39.), 19:18 (43.), 19:20 (45.), 20:21, 22:23 (49.), 23:24 (51.), 26:24 (55.), 26:25, 27:25 (59.), 27:26 (59.).
Zuschauer: 8.200 (Sparkassen-Arena, Kiel)
Stimmen zum Spiel:
THW-Trainer Alfred Gislason: Ich bin sehr zufrieden, dass wir dieses Spiel gewonnen haben. Man hat gemerkt, dass meine Spieler unter Druck standen. Aber sie haben hart dafür gearbeitet, sich zu verbessern. Allerdings hatten wir auch heute die Situation, dass wir bei zwei Toren vor und Überzahl die Chancen nicht nutzen und es verpassen, wegzuziehen. Ich bin heute nicht glücklich mit allem, aber ich bin glücklich für meine Mannschaft, dass sie gegen einen starken Gegner gewonnen hat. Wir müssen jetzt weiter arbeiten und uns immer weiter verbessern.
THW-Linkshänder Marko Vujin: Glückwunsch an Aalborg zu einem starken Spiel. Ich bin froh, dass wir gegen diesen starken Gegner zwei Punkte geholt haben. Ich hoffe, dass wir diese schwierige Phase nun hinter uns haben und wir heute eine Positiv-Serie starten können. Wir hatten oft im September Probleme, haben dann aber zum Ende der Saison aufdrehen können. Ich gehe optimistisch in die nächsten Wochen, wobei uns schon am Sonntag ein richtig schweres Spiel erwartet.
Aalborgs Trainer Aron Kristjansson: Danke an den THW Kiel für diesen großen, fairen Kampf. Wir wollten hier hart für den Sieg arbeiten. Das haben wir getan und unsere gute Entwicklung fortgesetzt. Allerdings hatten wir in Überzahl die Chance davonzuziehen, die Situation dann aber nicht gut genug gelöst. Das hat uns hier Punkte gekostet.
Aalborgs Top-Scorer Patrick Wiesmach: Wir haben eine sehr gute leistung gezeigt und sind deshalb ein bisschen traurig, dass wir hier nichts Zählbares mitnehmen konnten. Es war ein hartes Spiel, aber hatten nicht das nötige Glück.
THW-Linksaußen Rune Dahmke in den KN: Dieser Sieg ist unglaublich wichtig. Es geht weniger um die Tabelle, sondern um das Gefühl, dass wir gewinnen können. Gerade als es eng wurde, haben wir gezeigt, dass wir es können, und uns von kleinen Rückschlägen nicht aus der Ruhe bringen lassen. Wir sind nicht auseinandergebrochen wie in Wetzlar zum Beispiel, sondern haben als Team zusammengestanden.
THW-Rückraumspieler Nikola Bilyk in den KN: Es ist schön, wieder zu gewinnen, klar. Aber es liegt noch ein sehr weiter Weg vor uns. Wir haben ein ordentliches Spiel gespielt, haben es aber nicht geschafft, uns abzusetzen. Das müssen wir besser machen, da müssen wir wieder abgeklärter werden. Wir spielen im Moment einfach nicht das, was wir können. Aber wir arbeiten jeden Tag daran.