fbpx

KN: Paris oder das Warten auf den großen Wurf

Champions League

KN: Paris oder das Warten auf den großen Wurf

Kiel. Der einzige Neuling beim Final Four, und doch keine Überraschung: Das hochgerüstete Starensemble von Paris St. Germain gilt als Favorit auf den Champions-League-Titel. Mit 17 Millionen Euro hat der französische Hauptstadtklub den mit Abstand höchsten Etat im europäischen Handball. Damit soll es nun endlich klappen, den Thron zu besteigen. Denn für die PSG-Handballer gilt dasselbe wie für die Fußballer: Entscheidend ist nur der Erfolg in Europa. Und der blieb bisher aus.

Final4-Neuling ist der große Favorit auf Europas Handballthron

Nüchtern kam die Mitteilung des Klubbosses Nasser al-Khelaïfi daher, nachdem Paris mit 28:20 im Hinspiel bei RK Zagreb und einem 32:32 zu Hause den Halbfinaleinzug perfekt gemacht hatte: "Ich möchte den Spielern gratulieren. Wir sind sehr stolz über das Erreichen des Final Four", ließ der recht öffentlichkeitsscheue Katari verlauten. "Es ist das Ergebnis harter Arbeit während der gesamten Saison", schob er hinterher. Das kann zumindest in Teilen bezweifelt werden. Denn national ist Paris wenig gefordert - mit Gegnern wie Montpellier und Nantes vielleicht mehr als etwa der FC Barcelona in Spanien, doch sprechen nur zwei Niederlagen und 13 Punkte Vorsprung auf Tabellenplatz zwei eine klare Sprache. Unschlagbar ist Paris freilich nicht, das bewiesen das Team von Montpellier HB, das die Hauptstädter im Ligaheimspiel schlug und ihnen am vergangenen Wochenende eine weitaus empfindlichere Niederlage zufügte: Im Endspiel des französischen Pokals verlor PSG mit 32:38 und verpasste damit das Double. Und das bewies auch die SG Flensburg-Handewitt, die mit einem überragenden Kollektiv die Einzelkämpfer in der Champions-League-Gruppenphase mit 39:32 schlug. Das war im September, vielleicht war PSG zu diesem Zeitpunkt einfach noch nicht eingespielt. Doch auch zwei Monate später setzte es eine deutliche Pleite, in Veszprem unterlag Paris mit 20:28. Die außergewöhnliche Qualität des Kaders ist unbestritten, fraglich nur inwieweit die individuelle Klasse als Team umgesetzt werden kann. Neben den Ex-Kielern Thierry Omeyer, Nikola Karabatic und Daniel Narcisse tragen Weltstars wie Mikkel Hansen, Luc Abalo und William Accambray das dunkelblaue Trikot, die Namen sprechen für sich. "Wenn man sieht, was sich in Paris versammelt, ist das der große Favorit auf die Champions League in den nächsten zwei Jahren", sagte THW-Trainer Alfred Gislason schon vor der Saison. In den beiden Duellen in der Gruppenphase gab es dann für die Zebras auch nichts zu bestellen: 26:30 und 30:37 setzte es die ersten Niederlagen gegen Paris überhaupt. Vor allem das Rückspiel wird vielen Handball-Fans wohl noch länger in Erinnerung bleiben: Es war das erste sportliche Großereignis in der französischen Hauptstadt nach den Terroranschlägen auf das Stade de France, das Bataclan und andere Orte in Paris, bei denen 130 Menschen starben. Mehr als ein Handballspiel - schon als die gesamte Halle mit unbeschreiblicher Inbrunst die Marseillaise sang, schien klar, dass Paris diese Partie gewinnen würde. Das Halbfinale von Köln wird etwas ganz anderes sein, dort trifft der Neuling auf Vive Tauron Kielce aus Polen. "Es wird ein sehr schwieriges Spiel gegen eine sehr starke Mannschaft. Wir müssen uns das gesamte Spiel über konzentrieren", sagte Torhüter Omeyer. Für den Erfolg in der Königsklasse ließ der längst feststehende französische Meister in der heimischen Liga die Zügel noch mehr schleifen, schonte gegen Creteil Omeyer, Abalo, Vori, Honrubia, Hansen, und Nikola Karabatic, nahm die 32:34-Niederlage billigend in Kauf. Die Niederlage im Pokalfinale wenige Tage später war zwar weniger einkalkuliert, aber doch hausgemacht. "Nächste Woche wird es viel leichter sein, die Spieler zu motivieren", sagte PSG-Trainer Noka Serdarusic nach der Pleite gegenüber der L'Equipe. Im Kopf war Paris schon in Köln, wo sie tatsächlich erst am Donnerstag mit dem Zug eintreffen werden. Beim Final Four werden die Stars alles geben, um den ersehnten Titel zu holen, fehlen wird nur der verletzte Xavier Barachet. Doch verpasst PSG in diesem Jahr zum dritten Mal in Folge trotz unbegrenzter finanzieller Möglichkeiten den ganz großen Wurf, werden die Diskussionen wieder laut werden, die auch die Fußballer alljährlich führen müssen. Geld schießt respektive wirft halt nicht automatisch Tore. Der Druck lastet auf Paris. (Von Niklas Schomburg, aus den Kieler Nachrichten vom 25.05.2016, Foto: Sascha Klahn)