109. Derby: Zebras verlieren nach einem Riesen-Kampf in letzter Sekunde

Bundesliga

109. Derby: Zebras verlieren nach einem Riesen-Kampf in letzter Sekunde

Zur Pause 17:14 geführt, dann mit schwarzen Angriffsminuten nach dem Wiederanpfiff beinahe den Anschluss verloren, zurück gekämpft in die Partie und am Ende doch nicht belohnt: Das 109. Nordderby war ein Auf und Ab der schwarz-weißen Gefühle. Schließlich entschied der starke Benjamin Buric 30 Sekunden vor dem Abpfiff mit seiner Parade die Partie, Linksaußen Emil Jakobsen schraubte drei Sekunden vor Schluss gegen den überragenden THW-Torhüter Tomas Mrkva den Deckel drauf: Mit 27:28 verloren die Zebras beim erklärten Meisterschaftsfavoriten SG Flensburg-Handewitt. Nach der Trauer folgte der Stolz über eine starke Leistung der jungen Kieler Mannschaft. 

Irrwitziges Spiel mit vielen Wendungen

Doch es dauerte, bis sich diese Erkenntnis Bann brach. Zuvor wirkten die Zebras ratlos, wollten nicht glauben, dass sie in diesem irrwitzigen Derby als Verlierer dastanden. Nach einem Spiel, das keinen Verlierer verdient gehabt hätte. In der ersten Halbzeit nämlich hatten die Kieler alles im Griff, standen großartig in der Abwehr, trafen vorne nach Belieben und hatten mit Tomas Mrkva einen klasse Torhüter zwischen den Pfosten. Der 17:14-Halbzeitstand spiegelte nur unzureichend das Kräfteverhältnis wider. Dann drehte die SG den Spieß um. Profitierte von Buric-Paraden und von vielen Fehlern der THW-Offensive, die in 15 Minuten nach Wiederanpfiff nur zwei Tore erzielte. Urplötzlich lag die SG mit 22:19 vorn - und drohte den THW Kiel zu überrollen. Vorentscheidung? Pustekuchen. Jetzt fanden die Zebras zurück zu vorheriger Stärke, zauberten einen 7:1-Lauf aufs Parkett und führten nach 55 Minuten mit 26:23. Doch dieses verrückte Spiel sollte - leider aus Kieler Sicht - noch eine weitere Wendung erfahren. Blau-Weiß-Rot versank nach Jakobsens Siegtreffer gemeinsam mit den Fans in einer Jubeltraube.

Kieler erwischen Traumstart

Kiels Spielmacher Nikola Bilyk fasste seine Gefühle und die der Mitspieler zusammen: "Wir haben lange Zeit ein gutes Spiel gemacht", sinnierte der Österreicher, "standen gut in der Abwehr, haben vorn viel richtig gemacht. Dann war 15 Minuten der Wurm drin, Buric hat auch gut gehalten. Aber wir waren unkonzentriert, haben nicht das gemacht, was wir machen sollten und wollten." Die Campushalle kochte schon lange vor dem Anpfiff, wie eigentlich immer, wenn die "Mutter aller Handball-Derbys" die Gemüter im "echten Norden" bewegt. Doch die Zebras sorgten für Abkühlung, starteten rotzfrech mit einem Kempa-Tor: Nikola Bilyk bediente Harald Reinkind, und der Norweger brachte die Gäste sehenswert mit 1:0 in Front.  Ein Start wie im Traum. Zwar konterte die SG durch SG-Neuzugang Simon Pytlick und Rechtsaußen Johan Hansen. Es sollte die letzte Flensburger Führung in der ersten Halbzeit bleiben, denn die Kieler spielten mit enorm hohem Tempo, waren auch in der Abwehr stets auf schnellen Beinen. So schnell, dass sogar die unterirdischen Schmähgesänge von der Nordtribüne kurzfristig verstummten. Magnus Landin glich von Linksaußen auf 2:2 aus, Petter Överby brachte den THW mit 3:2 nach vorn. Die SG antwortete per Strafwurf, den Kay Smits verwandelte.

Zur Pause drei Tore vorn

Und die Kieler: Hatten neben Tempo große Wurfkraft im Rückraum. Eric Johansson hämmerte den Ball aus elf Metern unhaltbar in die SG-Maschen. Hansen glich noch einmal zum 4:4 aus, dann trumpfte der THW mit dem 3:0-Lauf durch Patrick Wiencek, Nikola Bilyk und Domagoj Duvnjak auf. Die Zebras waren in nur zwei Minuten auf 7:4 davongaloppiert. Möglich wurde der Zwischenspurt auch durch die Paraden von Tomas Mrkva: Kiels Schlussmann knüpfte nahtlos an seine Glanzform aus dem Heimspiel gegen Wetzlar an, ließ Flensburgs Angreifer verzweifeln - aus Nah – und Ferndistanz. Acht Bälle meisterte Mrkva in den ersten 30 Minuten. Und vorne brannten Kiels Angreifer ein wahres Feuerwerk ab: Reinkind, Duvnjak á Skipagötu, Bilyk. Es machte Riesenspaß, den Zebras zuzuschauen. Flensburg hatte es in dieser Phase vor allem Nationalspieler Johannes Golla zu verdanken, dass die Kieler nicht hoffnungslos davoneilten. Gollas traf in der ersten Halbzeit sechsmal, hielt sein Team im Spiel. Dreimal brachten die Zebras fünf Tore zwischen sich und den Gegner, sorgten dafür, dass es in der auf den Rängen zunehmend ruhiger wurde. Doch Simon Pytlick und Johannes Golla brachten die Heimmannschaft kurz vor der Halbzeitpause auf 14:17 heran. "Gefühlt müssen wir wesentlich höher führen", erklärte THW-Kapitän Domagoj Duvnjak vor dem Gang in die Kabine. "In der zweiten Halbzeit müssen wir von Beginn an Druck machen."

Bitteres Ende nach starker Rückkehr

Machte der THW zunächst auch, baute durch Rune Dahmkes Treffer zum 18:14 die Führung aus. Doch dann war plötzlich der Wurm drin im THW-Angriffsspiel. Die Fehler häuften sich. Flensburg nutzte die Chancen, holte Tor um Tor auf, brachte damit auch Lautstärke und Unterstützung durch die Fans zurück. Golla erzielte in der 38. Minute den Ausgleichstreffer zum 18:18, Smit traf zur 19:18-Führung, die Niclas Ekberg wenig später zwar egalisierte. Doch Jakobsen und Hansen trafen zum 21:19, THW-Trainer Filip Jicha nahm eine Auszeit. Zunächst aber traf Jakobsen zum 22:19, dann waren die Kieler zurück, hatten mit Tomas Mrkva wieder einen sicheren Rückhalt: Der Tscheche parierte in der 49. Minute gar den Strafwurf von Smits, Rune Dahmke nutzte die Euphorie, glich nach 50 Minuten zum 22:22 aus. Alles war wieder offen, die Zebras bekamen das Spiel wieder in den Griff, glänzten mit dem 3:0-Lauf durch zwei Tore von á Skipagötu und dem Treffer von Niclas Ekberg: Nach 55 Minuten hatten die Kieler wieder die Nase vorn, führten mit 26:23. Als Petter Överby seine Farben wenig später auf 27:24 voranbrachte, schien die Auswärtstour nach Flensburg auch für die Kieler Fans eine erfolgreiche Kurzreise zu werden. 

Sonntag geht's mit dem Topspiel gegen Melsungen weiter

Aber plötzlich hakte es durch Buric und eigene Fehler wieder im THW-Vorwärtsgang, die Flensburger kämpften sich heran. Pytlick glich 90 Sekunden vor dem Ende zum 27:27 aus, Petter Överby kassierte eine umstrittene Zeitstrafe. Parade Buric, Tor Jakobsen. Der Rest ist bekannt. Jetzt müssen sich die Kieler schnell schütteln: Denn bereits am Sonntag ist die MT Melsungen mit ihrem Starensemble um Neuzugang Dainis Kristopans zu Gast in der Wunderino Arena. Das Spitzen-Spiel der LIQUI MOLY HBL wird ab 15 Uhr von BILD.tv im frei empfangbaren Fernsehen gezeigt, natürlich ist auch Dyn live dabei. Eintrittskarten für das Duell mit den millionenschweren Hessen gibt es in der THW-FANWELT, die am Spieltag von 12 Uhr bis zum Anpfiff geöffnet hat, bei CITTI und online unter www.thw-tickets.de. Der THW-Zweitmarkt für weitere Tickets öffnet Samstag um 9 Uhr. Weiter geht’s gegen Melsungen, Kiel!

Text: Reimer Plöhn / Fotos: Sascha Klahn

LIQUI MOLY HBL, 5. Spieltag: SG Flensburg-Handewitt – THW Kiel 27:26 (14:17)

SG Flensburg-Handewitt: Buric (18.-60., 12 Paraden), K. Möller (1.-18., 2 Paraden); Pytlick (5), Golla (7), Einarsson, Mensah, Gottfridsson (1), Jörgensen, Hansen (5), Horgen, Pedersen, Jakobsen (6/2), Smits (3/1), Blagotinsek, L. Möller; Trainer: Krickau
THW Kiel: Bierfreund (n.e.), Mrkva (1.-60., 14/1 Paraden); Duvnjak (3), Reinkind (3), Landin (1), Battermann (n.e.), Øverby (3), Wiencek (3), Ekberg (3), Faust (n.e.), Johansson (1), Dahmke (2), Gurbindo, Wallinius (n.e.), Bilyk (4), á Skipagøtu (4); Trainer: Jicha

Schiedsrichter: Robert Schulze / Tobias Tönnies
Siebenmeter: SG: 4/3 (Mrkva hält Smits (48.)) / THW: 0
Zeitstrafen: SG: 1 (Blagotinsek (3.)) / THW: 3 (Wiencek (19.), Reinkind (50.), Øverby (60.))
Spielfilm: 0:1, 2:1 (2.), 2:3 (4.), 4:4, 4:7 (7.), 5:8, 7:9 (12.), 7:11 (18.),8:13 (22.), 10:13 (23.), 10:15 (25.), 11:16, 13:16 (28.),  ;
2. Hz. 14:18 (32.), 19:18 (38.),19:19, 22:19 (41.), 22:22 (49.), 23:23, 23:26 (55.), 27:26.
Zuschauer: 6300 (ausverkauft) (Campushalle, Flensburg)

Stimmen zum Spiel: 

THW-Trainer Filip Jicha: THW-Trainer Filip Jicha: Ich gratuliere der SG und Nikolej zu zwei Punkten. Es war ein unglaublich tolles Spiel, und es ist brutal schade, dass sich meine Jungs nicht dafür belohnt haben. Aber ich bin stolz darauf, wie wir uns beim Meisterschaftskandidaten Nummer eins präsentiert haben. Unsere Abwehrleistung hat mir über 60 Minuten gut gefallen, wir waren geduldig und haben uns an den Matchplan gehalten. Benjamin Buric hat uns dann in der zweiten Halbzeit den Zahn gezogen: Wir haben gute Chancen kreiert, doch Buric hat viele davon zunichte gemacht. Aber wie wir uns danach geschüttelt haben, wie wir uns wieder reingekämpft haben – das war sensationell. Siege formen kein Team, solche Niederlagen formen ein Team. Ich bin sehr stolz auf meine Mannschaft. Jetzt müssen wir uns schütteln, den Kopf aus dem Sand ziehen und nächstes Mal wieder mutig sein.

SG-Trainer Nikolej Krickau: Vielen Dank an den THW Kiel für dieses tolle Spiel. Wir hatten gegen diese starke Abwehr große Probleme, Tore zu erzielen. Das ganze Spiel war etwas chaotisch, was auch an der Hitze in der Halle und den vielen technischen Fehlern lag. Dadurch ist das Spiel nie in einen Flow gekommen, und wenn das passiert, muss man kämpfen. Das war ein großer Kampf beider Mannschaften. Buric war unglaublich gut heute, und in der zweiten Halbzeit standen wir auch besser in der Abwehr. Vor allen Dingen bin ich aber sehr zufrieden mit unserer mentalen Leistung. Und mit der Disziplin. Die war der große Unterschied zum Magdeburg-Spiel, heute haben wir nur eine Zeitstrafe kassiert. Ich bin heute froh und zufrieden, jetzt ist in der Liga wieder alles offen.

SG-Spieler Simon Pytlick: Der THW hat uns mit seiner Abwehr heute vor große Herausforderungen gestellt. In der zweiten Halbzeit haben wir mit mehr Tempo und Kreativität gespielt, insgesamt waren wir da viel besser. Wir müssen aber dringend die Anzahl der technischen Fehler reduzieren.