Zebras erkämpfen sich wichtige zwei Punkte durch Sieg beim TBV Lemgo Lippe

Bundesliga

Zebras erkämpfen sich wichtige zwei Punkte durch Sieg beim TBV Lemgo Lippe

Es war immer viel los, wenn sich der THW Kiel und TBV Lemgo in der LIQUI MOLY Handball-Bundesliga gegenüberstanden. So auch bei der 99. Auflage des immer jungen Duells in der Phoenix Contact Arena in Lemgo: Hektisch war es, emotional war es - ein richtig harter Kampf, bei dem die Spieler von Trainer Filip Jicha mit 28:22 (10:11) die Oberhand behielten. Grundlage für den Erfolg war eine sattelfeste 6:0-Abwehr mit Torhüter Niklas Landin als Turm in der Schlacht. Als bester Torschütze in Reihen der Zebras zeichnete sich Sander Sagosen aus, der siebenmal traf. Genau so oft netzte TBV-Rechtsaußen Lukas Zerbe ein, der ab der 2024 das THW-Trikot tragen wird. „In der Pause waren wir Spieler aber überhaupt nicht zufrieden“, sagte THW-Torhüter Landin. "Filip hat uns in der Pause nach vorn gepusht, die Laune wieder nach oben gebracht und uns mit positiver Energie in die zweite Hälfte geschickt."

Steffen Weinhold fällt verletzt aus

Dabei waren die Kieler mit einer Hiobsbotschaft im Gepäck in Ostwestfalen eingetroffen: Nach Niclas Ekberg, Karl Wallinius und Sven Ehrig musste Filip Jicha auch auf Steffen Weinhold verzichten: Der Rückraumspieler hatte sich bei einer Abwehraktion im Champions-League-Heimspiel gegen Celje an der Wurfschulter verletzt und wird den Zebras voraussichtlich vier Wochen nicht zur Verfügung stehen. Die Zebras ließen sich aber auch von dieser negativen Nachricht nicht beirren, starteten konzentriert, hochmotiviert und mit großem Kampfgeist ins Spiel. Lemgo biss sich mit den unglaublich lang vorgetragenen Angriffen in den ersten Minuten an der sattelfesten THW-Abwehr regelrecht die Zähne aus und lag nach sieben Minuten 0:3 zurück. Kapitän Domagoj Duvnjak erzielte die 1:0-Führung trotz eines schweren Fouls gegen ihn, wofür Brosch vom Schiedsrichtegespann Fabian und Christian vom Dorff bereits in der dritten Minute die erste Zeitstrafe erhielt. Nach Anspiel von Sander Sagosen traf Hendrik Pekeler zum 2:0, Magnus Landin blieb wenig später an der Siebenmeterlinie eiskalt, verwandelte zum 3:0.

Frühe Rote Karte für Lemgoer Abwehrspezialisten

Grund genug für TBV-Coach Florian Kehrmann für eine frühe erste Auszeit. "Wir müssen ein anderes Gesicht zeigen", forderte Kehrmann von seiner Mannschaft. Und wurde augenblicklich erhört: Schwarzer erzielte nach acht Minuten den ersten Torerfolg für die Einheimischen, die jetzt mit noch mehr Härte agierten. Zu hart war allerdings der Einsatz von Jan Brosch gegen Domagoj Duvnjak, der Kiels Kapitän mit demEllenbogen im Gesicht traf. Die Folge: Rote Karte für den Lemgoer Abwehrspezialisten nach nur acht Minuten. Die Zuschauer hatten hingegen als Übeltäter Domagoj Duvnjak ausgeguckt, bezichtigten den Kieler Kapitän zu Unrecht der Schauspielerei und pfiffen ihn in der Folge bei jedem Ballkontakt aus. Die Kieler ließen sich nur kurz verunsichern, kassierten durch Versteijnen wenig später das 3:3, hatten kurz darauf aber wieder die Kontrolle über Ball und Gegner. Eric Johansson und Sander Sagosen nutzten ihre Möglichkeiten zur 6:4-Führung, die Abwehr war weiterhin ein Bollwerk, ließ bis zur 17. Minute nur vier TBV-Tore zu.

Rückstand zur Pause

Als Miha Zarabec die Lücke im TBV-Deckungsverband fand, per Stemmwurf traf, Yannick Fraatz seinen Tempogegenstoß an Torhüter Finn Zecher vorbei verwandelte und Zarabec einen weiteren Schlagwurf aus dem Unterarm katapultierte, lagen die Zebras nach 23 Minuten mit 9:5 und vier Toren vorn. Technische Fehler der Kieler halfen den Gastgebern dann wieder auf die Beine. Als Lukas Zerbe per Siebenmeter zum 9:10 verkürzte, betätigte Filip Jicha den Buzzer: Auszeit. Doch weil die Fehlerquote trotzdem hoch blieb, glich Zerbe in der hektischsten Phase dieser intensiven Partie in der 28. Minute zum 10:10 aus. Sander Sagosen kassierte seine zweite Zeitstrafe, Niklas Landin sorgte mit einer Glanzparade gegen Hutecek für Entlastung. Dennoch gingen die Gastgeber, auch getragen von der jetzt lautstarken Zuschauerkulisse, mit 11:10 in die Pause, Guardiola hatte per Tempogegenstoß getroffen und den Schlusspunkt unter einen 4:0-Lauf des TVB gesetzt.

THW kommt gut aus der Kabine

Eric Johansson eröffnete den Kieler Torreigen der zweiten Hälfte mit wuchtigem Hammer aus dem Rückraum zum 11:11, die letzte TBV-Führung der Partie markierte dann Schwarzer mit seinem Tempogegenstoß zum 12:11. Dann regierte Schwarz-Weiß, waren die Kieler doch hellwach aus den Kabinen gekommen. Sie mischten in der Abwehr weiterhin Beton an, antworteten mit einem 4:0-Lauf zur 15:12-Führung. Die Torschützen: Harald Reinkind, zweimal Yannick Fraatz und Petter Överby mit einem artistischen Rückhand-Wurf. Noch aber ließen die Gastgeber nicht locker, erneut war es Zerbe, der in der 41. Minute auf 15:16 verkürzte. Aber Kiel durfte sich ein weiteres Mal auf Niklas Landin verlassen: Der dänische Teufelskerl zwischen den Pfosten wurde von Minute zu Minute stärker, hielt die Siebenmeter von Zerbe und Versteijnen, Suton jagte zudem einen Strafwurf – wohl aus Verunsicherung - an den Torpfosten, und als Harald Reinkind mit unaufhaltsamem Zug zum Tor in der 46. Minute das 19:16 erzielte, nahmen die Kieler die Zügel endgültig in ihre Hände, auch wenn es ein harter Kampf blieb. 

Es wird noch deutlich

In der Crunchtime waren die Zebras aber unfassbar fokussiert: Vor allem Sander Sagosen, der in der Schlussphase Verantwortung beim Torwurf übernahm, von der 51. Minute an noch fünfmal ins Lemgoer Tor traf. Der Norweger wurde zum herausragenden Faktor in den entscheidenden Minuten. Magnus Landin traf zudem ein weiteres Mal von der Strafwurflinie, "Dule" Duvnjak freute sich wegen der ihn ständig begleitenden Pfiffe besonders diebisch über sein Kontertor zum 26:20. Und als Sander Sagosen in der 58. Minute per Doppelschlag das 28:20 erzielte, war der Deckel drauf auf dem THW-Sieg beim "ewigen Rivalen". Lukas Zerbe wusste, warum es an diesem Tag nichts zu gewinnen gab für seinen TBV: "Niklas Landin ist eben der beste Torhüter der Welt. Außerdem kamen wir schlecht zurück aus der Halbzeit, und dann ist es eben dieser THW, den alle kennen. Der spielt dann ganz ruhig und sicher seinen Stiefel herunter."

Zebras erst auswärts und dann zu Hause gefordert

Für die Kieler geht es Mittwoch erneut auswärts zur Sache: Im Gruppenphasen-Finale der Machineseeker EHF Champions League im norwegischen Elverum (18:45 Uhr, live bei DAZN) entscheidet sich das Platzierungsrennen in der schweren Gruppe B. Durch einen Sieg könnten die Kieler im Fernduell mit dem in Szeged antretenden und aktuell punktgleichen HBC Nantes, der allerdings den direkten Vergleich mit den Zebras gewonnen hat, noch auf Platz drei hoffen. In einer Woche steht dem THW Kiel dann eine harte Heim-Aufgabe bevor: Am Sonntag, 5. März, empfangen sie um 16:05 Uhr den SC DHfK Leipzig in der Wunderino Arena. Die Leipziger haben nach dem Trainerwechsel im November acht der zehn Partien gewonnen, haben zuletzt den SC Magdeburg mit 33:31 bezwungen und sind ein richtig schwerer Brocken vor der Nationalmannschaftspause. Für die Begegnung gibt es in der THW-FANWELT und online unter www.thw-tickets.de noch einige wenige Tickets. Weiter geht’s jetzt in Elverum, Kiel!

Text: Reimer Plöhn / Fotos: Paul Cohen

LIQUI MOLY HBL, 21. Spieltag: TBV Lemgo Lippe – THW Kiel 22:28 (11:10)

TBV Lemgo Lippe: Zecher (1.-53., 9 Paraden), Kastelic (53.-60. Und 1 Siebenmeter, 1 Parade); Hutecek, Brosch, Simak, Laerke (1), Schagen (2), Blauuw, Schwarzer (3), Suton (1), Zerbe (7/1), Versteijnen (3/1), G. Guardiola (4), Carstensen, Houtepen; Trainer: Kehrmann
THW Kiel: N. Landin (1.-60., 12/2 Paraden), Mrkva (n.e.); Duvnjak (2), Sagosen (7), Reinkind (4), M. Landin (3/3), Øverby (1), Wiencek, Fraatz (4), Johansson (4), Dahmke, Zarabec (2), Schwormstede (n.e.), Bilyk, Pekeler (1); Trainer: Jicha

Schiedsrichter: Christian vom Dorff / Fabian vom Dorff
Zeitstrafen: TBV: 3 (Brosch (3.), Schwarzer (35.), Suton (49.)) / THW: 3 (2x Sagosen (11., 28.), Wiencek (42.))
Rote Karte: Brosch (TBV, grobes Foulspiel (8.))
Siebenmeter: TBV: 5/2 (N. Landin hält Zerbe (40.) und Versteijnen (51.), Suton an den Pfosten (43.)) / THW: 4/3 (M. Landin an die Latte (35.))
Spielverlauf: 0:3 (7.), 3:3 (11.), 4:4 (13.), 5:6 (19.), 5:9 (23.), 7:10 (25.), 11:10;
12:11 (32.), 12:15 (36.), 13:16, 15:16 (41.), 15:18 (43.), 17:20, 19.21 (52.), 20:22, 20:28 (59.), 22:28.
Zuschauer: 4520 (ausverkauft) (Phoenix Contact Arena, Lemgo)

Stimmen zum Spiel: 

THW-Trainer Filip Jicha: Es war ein sehr intensives Spiel, eine tolle Partie, die alles hatte. Gerade in der ersten Halbzeit war es aus unserer Sicht wie eine Achterbahn-Fahrt. Wir haben sehr gut begonnen, waren sehr fokussiert, standen sehr gut in der Abwehr. Das hat bis zur 15. Minute gehalten, dann kam Lemgo zurück, war sehr präsent und hat mit vielen Emotionen gespielt. Das hat uns das Leben ein bisschen schwer gemacht, wir konnten einige Angriffe nicht so runterspielen, wie wir es uns erhofft hatten. Beide Abwehrreihen waren sehr stark, und wir waren gegen Ende der ersten Halbzeit nicht mehr so konsequent im Abschluss wie Lemgo. Dann kommen wir gut aus der Kabine, konnten uns mit drei Toren die Sicherheit zurückholen. Dann wurde es sehr taktisch, Sieben-gegen-Sechs, Sechs-Gegen-Sechs, mal war Zecher da, dann hat Landin gehalten. Das hat für die Spannung gesorgt. Letztlich bin ich sehr froh, dass wir in der Crunchtime ab der 50. Minute da waren, haben die Angriffe gut abgeschlossen, Lemgo unter Druck gesetzt und zu Ballverlusten gezwungen. Das war ein Spiel auf Augenhöhe, ein tolles Bundesliga-Spiel, und ich bin sehr froh, dass wir die zwei hart erkämpften Punkte mitnehmen können.

TBV-Trainer Florian Kehrmann: Wir sind überhaupt nicht ins Spiel gekommen, hatten sehr großen Respekt. Ich musste den Jungs in der frühen Auszeit erst einmal Mut zusprechen. Über eine verbesserte Abwehrarbeit sind wir ins Spiel gekommen, hatten zur Pause ein emotionales Hoch mit dem Treffer zur Führung. Dann machen wir im Tempospiel ein, zwei Fehler zu viel, wo wir Kiel einfache Tore geben. Die Paraden, die Landin hatte, sind oft beim Gegner geblieben, während bei uns Kiel oft eine zweite Möglichkeit bekam. Am Ende hat auch die individuelle Qualität der Kieler den Ausschlag gegeben. Wenn man sieht, dass Sander Sagosen bei 20:22 mit Einzelaktionen im Zeitspiel den Ball aufs Tor wirft und der dann drin ist, bei vier Toren minus kurz vor Schluss sind wir dann ins volle Risiko gegangen – mit ein Grund, warum der Kieler Sieg vielleicht doch zu hoch ausgefallen ist. Ingesamt ein tolles Handball-Spiel, die Jungs haben sehr leidenschaftlich gespielt. Um den THW Kiel zu schlagen, darf man sich aber keine drei Siebenmeter-Fehlwürfe leisten und soviele weitere Bälle vergeben. Trotzdem ärgert mich das hohe Ergebnis.

THW-Torhüter Niklas Landin bei Sky: Lemgo war die einzige Mannschaft, die uns zu Hause geschlagen hat, von daher wussten wir, dass das kein leichtes Spiel wird. Dafür haben wir uns gegen diese Mannschaft auch zu oft sehr schwer getan. Lemgo spielt extrem lange Angriffe, unser Problem ist, dass wir oft gegen den TBV nicht zu unserem Spiel finden und Lemgo uns das Spiel aufdrückt. Wir hatten uns für heute vorgenommen, dass die TBV-Außen viele Würfe bekommen und wir unsere Abwehr-Mitte kompakt halten, um wenig aus dem Rückraum zuzulassen. Das hat letztlich ganz gut geklappt. In der Pause waren wir Spieler aber überhaupt nicht zufrieden, Filip hat uns in der Pause nach vorn gepusht, die Laune wieder nach oben gebracht und uns mit positiver Energie in die zweite Hälfte geschickt.

TBV-Rechtsaußen Lukas Zerbe bei Sky: Niklas ist einfach der beste Torhüter der Welt, er bleibt lange stehen und guckt, was der Schütze macht – und nicht anders herum. Das macht es gegen ihn so schwierig. Wir kommen heute sehr schlecht ins Spiel, machen erst in der achten Minute das erste Tor. Dann hilft uns das Sieben-gegen-Sechs enorm, dann standen wir auch hinten besser. Allerdings kommen wir dann wieder schlecht aus der Pause, haben wieder einen Durchhänger, verwerfen zwei, drei freie Würfe zu viel. Und der THW Kiel spielt das dann souverän herunter.