Zebras beweisen Geduld: THW Kiel siegt gegen Wetzlar

Bundesliga

Zebras beweisen Geduld: THW Kiel siegt gegen Wetzlar

Ob Verletzungspech, Nationalmannschaftspause oder Quarantäne: Der THW Kiel trotzt weiterhin allen Herausforderungen, die sich dem Meister stellen. Auch die HSG Wetzlar, bisher einziges Team der deutschen Eliteklasse, die die Zebras beim 31:22 im Hinspiel besiegen konnte, hielt den THW-Express am späten Sonnabendabend in der Wunderino Arena nicht auf. Die Mannschaft von Trainer Filip Jicha siegte mit 23:19 (12:10) und rückte in der Tabelle mit einem Punkt Rückstand auf Flensburg - aber auch einem Spiel weniger - auf  Rang zwei der Tabelle vor. Famos: Niclas Ekberg erzielte mit 12/9 Toren mehr als die Hälfte aller Kieler Tore.

Beide Teams nicht in Bestbesetzung

Während Filip Jicha auf Nikola Bilyk (Krezbandriss), Sven Ehrig (Adduktoren) und Niklas Landin (Quarantäne trotz negativer Covid19-Tests) verzichten musste, fehlten HSG-Trainer Kai Wandschneider mit Mirkulovski, Cavor und Lindskog ebenfalls drei Leistungsträger. Es war übrigens die letzte Reise, die Wandschneider in Diensten der HSG an die Förde machte. Seit 2012 leitet er die Geschicke der Wetzlarer, sein Vertrag wird nach Saisonende nicht mehr verlängert. Es ist wohl auch das Verdienst des Trainerfuchses, dass sich die HSG in den zurückliegenden Jahren den Titel des Kieler Angstgegners erworben hatte. In den vergangenen neun Meisterschaftsspielen hatte er mit seinem Team fünf Mal gegen den THW  gewonnen. So oft wie keine andere Mannschaft der LIQUI MOLY Bundesliga.

Wetzlar ohne Tempo

42 Jahre - und kein bisschen leise: Mattias Andersson hielt einen Siebenmeter

Beim zehnten Versuch stemmten sich die Kieler in der Wunderino Arena erfolgreich gegen eine weitere Niederlage, Niclas Ekberg, Harald Reinkind, nochmals Ekberg und Sander Sagosen warfen den THW bis zur zehnten Minute mit 4:1 in Front, ehe drei von Holst verwandelte Siebenmeter, Björnsen und Mellegard die Partie beim 5:6 für Wetzlar in der 17. Minute drehten. Elf Tore in 17 Minuten - Ausdruck einer Spielweise der Mittelhessen, die von den Zebras viel Geduld verlangte. Das Tempo verschleppen - die Taktik präsentierten die Wetzlarer in Kiel einmal mehr in Reinform. Doch die Zebras ließen sich weder von den quälend lang vorgetragenen Angriffen noch durch das 9:9 (27.) beirren, stellten die defensive Abwehr auf eine offensive mit Domagoj Duvnjak in vorderster Linie um und waren schnell wieder das spielbestimmende Team. So zogen sie über das 9:6 (23.) und einem 4:0-Lauf von der 17. bis zur 22. Minute auf die 12:10-Halbzeitführung davon. 

Torwart-Trainer Andersson hält einen Siebenmeter

Eiskalt: Niclas Ekberg erzielte mehr als die Hälfte aller Kieler Tore

Großen Anteil an dem knappen Pausenvorsprung hatte Torhüter Dario Quenstedt mit sechs Paraden bis zum Pausenpfiff der Schiedsrichter Blümel/Loppaschewski. Und dann war da ja auch noch der reaktivierte THW-Torwarttrainer Mattias Andersson: Neun Tage vor seinem 43. Geburtstag war „der alte Schwede“ für Niklas Landin in den Kader gerückt,. Jicha beorderte ihn beim vierten Siebenmeter von Maximilian Holst zwischen die Pfosten - und prompt verhinderte Andersson wie in besten Zeiten seiner aktiven Karriere mit seinem rechten Bein einen weiteren Wetzlarer Treffer.

Schwerstarbeit für Kieler Defensive

Mit einer überragenden 3-2-1-Abwehr blieben die Kieler 14 Minuten ohne Gegentor

Weiter ging es in Halbzeit zwei zunächst fünf Minuten ohne jeglichen Torerfolg. Harald Reinkind brach dann den Bann zum 13:10, es war der Aufgalopp zu einer THW-Glanzzeit, die Wetzlar zur Verzweiflung treiben sollte: Rückgrat war weiterhin Dario Quenstedt, der für die Wetzlarer Angreifer zur Wand mutierte - hinter einer 3-2-1-Deckung, die nun Jagd auf die Mittelhessen machte. Selbst, als Wandschneider einen siebten Feldspieler brachte, rückte der THW nicht von seiner offensiven Defensive ab. Die Folge waren 14 Minuten, in denen der HSG nicht ein einziges Tor gelingen konnte. Und das, obwohl Wetzlar nach Ekbergs 16:12 auf Rekordjagd ging: Ãœber drei Minuten lang streckte die HSG einen einzigen (!) Angriff. Schwerstarbeit für die Kieler Abwehr, die aber durch den Pfostenwurf von Forsell Schefvert und Ekbergs 17:12 belohnt wurde.  

THW lässt die Zügel schleifen

Die Folge des Kieler Abwehr- und Konterwirbels: Bis zur 52. Minute erzielte Wetzlar ganze zwei Tore. Ebenfalls kurios: Hendrik Pekeler gelang mit dem 19:12 erst in der 47. Minute das erste Tor eines Kieler Kreisläufers. Nach Ekbergs 22:12 (51.) war klar, dass der THW Kiel seine Negativ-Erlebnisse gegen die Grün-Weißen verarbeitet hatte und einem Sieg entgegensteuerte. Die Zebras nahmen nun ihrerseits die Fahrt aus der Begegnung - was Jicha im Anschluss so gar nicht gefiel. Denn mit einem 7:0-Lauf konnte Wetzlar noch Ergebniskosmetik betreiben, eh Ekberg mit seinem zwölften Treffer zum 23:19 den Endstand erzielte. "Mit den letzten zehn Minuten bin ich nicht einverstanden", zürnte Jicha. Es sei schade, schimpfte Kiels Trainer, „wenn du vorher um jeden einzelnen Ball kämpfst und dann die letzten Minuten abschenkst. Das ist nicht der Standard, den wir wollen." Gleichwohl war der Tscheche mit dem Ausgang des Spiels hochzufrieden: "Der Sieg war heute das wichtigste - das letzte Mal ist ja schon ein bisschen her."

Mittwoch gegen Leipzig im freien Online-Stream

Hielt erneut stark: Dario Quenstedt

Am kommenden Mittwoch geht es um 18:30 Uhr für den THW Kiel gegen den SC DHfK Leipzig: Das Nachholspiel aus dem Februar, als der THW Kiel aufgrund eines positiven Covid19-Tests in der Mannschaft komplett in Quarantäne musste, läutet wilde Tage im Norden ein. Denn bereits am Samstag müssen die Kieler nach Flensburg reisen, wo die SG zum 104. Derby lädt. Die Partie der Zebras beim Tabellenführer wird Handball-Deutschland elektrisieren: Ab 18.05 zeigt die ARD-Sportschau das Duell der Erzrivalen live im Free-TV. Und auch die Begegung zuvor gegen Leipzig kann frei empfangen werden: Der NDR Sport überträgt das Spiel am Mittwoch live im kostenlosten Online-Stream. Weiter geht's gegen Leipzig, Kiel! 

LIQUI MOLY Handball-Bundesliga, 17. Spieltag: THW Kiel - HSG Wetzlar: 23:19 (12:10)

THW Kiel: Quenstedt (1.-60., 14 Paraden), Andersson (1 Siebenmeter, 1/1 Parade); Duvnjak (2), Sagosen (3), Reinkind (4), M. Landin (1), Sunnefeldt, Weinhold, Wiencek, Ekberg (12/9), Dahmke, Zarabec, Calvert, Horak (n.e.), Pekeler (1); Trainer: Jicha
HSG Wetzlar: T. Klimpke (31.-60. und 2 Siebenmeter, 5/1 Paraden), Ivanisevic (1.-30. und 1 Siebenmeter, 4 Paraden); Feld (1), Srsen, Henningsson (1), Björnsen (2), O. Klimpke, Weissgerber, Holst (3/3), Fredriksen, Forsell Schefvert (1), Gempp (2), Mellegard (4), Rubin (5); Trainer: Wandschneider

Schiedsrichter: Nils Blümel / Jörg Loppaschewski
Zeitstrafen: THW: 3 (2x Duvnjak (26., 31.), Pekeler (38.)) / HSG: 2 (Henningsson (17.), Feld (28.))
Siebenmeter: THW: 10/9 (T. Klimpke hält Ekberg (27.)) / HSG: 4/3 (Andersson hält Holst (21.))
Spielfilm: 1:1 (4.), 4:1 (8.), 4:3 (12.), 5:3, 5:6 (17.), 9:6 (23.), 9:9 (27.), 10:10 (29.), 12:10;
13:10 (35.), 14:12 (38.), 22:12 (51.), 22:19 (59.), 23:19.
Zuschauer: keine (Wunderino Arena, Kiel)

Stimmen zum Spiel

THW-Trainer Filip Jicha: Ich bin sehr zufrieden, dass wir Wetzlar besiegt haben – das letzte Mal ist ja schon ein bisschen her. Es war uns klar, dass diese Partie sehr wenige Angriffe sehen würde. Kai und seine Mannschaft machen das schlau und nutzen das aus, was ihnen erlaubt wird. Wenn die Schiedsrichter das laufen lassen, wird es sehr schwer. Toll gefallen hat mir, dass wir den Kopf nicht verloren haben, auch wenn es einige Szenen gab, in denen meine Jungs schon ein bisschen wütend waren. Klasse war die fleißige Arbeit in der zweiten Hälfte, unsere 3-2-1-Abwehr konnte sich sehen lassen – auch gegen den siebten Feldspieler haben wir gut verschoben. Mit den letzten zehn Minuten bin ich aber nicht einverstanden. Es ist zu schade, wenn du vorher um jeden einzelnen Ball kämpfst und dann die letzten Minuten abschenkst. Das ist nicht der Standard, den wir haben wollen. Was aber heute vor allem zählt, sind die zwei Punkte. Morgen um 10:30 Uhr versammele ich meine Mannschaft wieder zum Training – wir haben eine wichtige Woche vor uns.

HSG-Trainer Kai Wandschneider: Glückwunsch an Filip und den THW Kiel zu diesem hochverdienten Sieg. Es ist uns nur in der ersten Halbzeit gelungen, den THW Kiel zu nerven und in Bedrängnis bringen zu können. Nach der Pause gelang uns das nicht mehr, wir haben vor allem gegen die 3-2-1 keine Lösungen gefunden. Ich wusste, dass Filip diese Abwehr auch gegen unseren siebten Feldspieler weiter spielen lassen würde. Aber wie die Kieler hatten wir nicht viel Zeit, uns auf diese Situation vorzubereiten - zumal ich heute nur einen echten Kreisläufer zur Verfügung hatte. Daran müssen wir arbeiten. Kiel war nach der Pause aber auch bärenstark in der Abwehr und hat uns ausgekontert, als der THW dann runtergefahren hat, konnten wir das Ergebnis freundlicher gestalten. Aber kein Vorwurf an meine Mannschaft, die mit viel Leidenschaft gekämpft hat. 

THW-Torhüter Dario Quenstedt: Unsere hervorragende Abwehrarbeit war ein großer Genuss, denn dann hat man es als Torhüter relativ leicht. Jeder weiß, dass wir etwas aus dem Hinspiel wieder gutzumachen hatten. Trotzdem wollten wir das Spiel nicht übermotiviert angehen, sondern mit klarem, kühlem Kopf clever spielen. Das haben wir von der ersten bis zur letzten Minute gemacht. Dass wir dann so souverän spielen konnten, lag vielleicht auch daran, dass Wetzlar nicht in Bestbesetzung antreten konnte. Natürlich wollen wir jedes Spiel gewinnen und da ist es egal, gegen wen wir spielen. Wenn wir nun alle restlichen Spiele gewinnen, sind wir deutscher Meister. Natürlich ist klar, dass Niklas Landin uns fehlt. Ich bin froh, wenn er wieder zurück ist.