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KN: Zwischen Glaube und Hoffnung

Bundesliga

KN: Zwischen Glaube und Hoffnung

Kiel. Bleibt alles anders. Ein letzter Spieltag in der Handball-Bundesliga ist kein normaler letzter Spieltag, wenn nach elf Jahren die Ära Alfred Gislason beim Rekordmeister THW Kiel endet. Ist kein normaler letzter Spieltag, wenn nur zwei Punkte die SG Flensburg Handewitt (62:4 Punkte/+187 Tore) und den THW Kiel (60:6/+208) im Meisterschafts-Fernduell trennen. Noch einmal geballtes Medieninteresse am Trainingszentrum in Altenholz. Danach Training. Business as usual. Diese Gelassenheit kann doch nur gespielt sein.

Beim THW Kiel gibt man sich vor dem Saisonfinale gelassen - Schützenhilfe vom BHC?

Ach ja, Handball gespielt wird natürlich auch. Am Sonntag um 15 Uhr gastiert die TSV Hannover-Burgdorf in der Sparkassen-Arena. Die Niedersachsen rangieren irgendwo zwischen Gut und Böse auf Platz zwölf im Niemandsland der Liga, und doch vermutet THW-Linksaußen Rune Dahmke: "Ich glaube schon, dass die richtig Lust hätten uns zu ärgern." Kontakt mit den Hannoveraner Kollegen habe Dahmke noch keinen gehabt.

Wer soll den THW denn noch ärgern? Ein Punktverlust gegen Hannover: undenkbar. Eine Niederlage der SG Flensburg-Handewitt beim Bergischen HC: undenkbar. "Man hat schon so viel erlebt. Wir schwanken irgendwo zwischen Glaube und Hoffnung, müssen unseren Job machen und können entspannt sein", sagt Viktor Szilagyi, der am 1. Juli vom Sportlichen Leiter zum Geschäftsführer beim THW Kiel aufsteigt. Der Österreicher setzt auf eine "gute Konstellation" mit einem Bergischen HC, der als Tabellensiebter - wenn auch arg von Verletzungen gebeutelt - noch alle Chancen auf den Sprung ins europäische Geschäft hat. Der in der vollen Arena in Düsseldorf lange mithalten, die SG in Bedrängnis bringen will. "Je länger das Spiel offen ist, desto mehr ist möglich", so Szilagyi, der als Spieler und Sportchef beim BHC gewirkt hat, in engem Kontakt zu Trainer Sebastian Hinze steht, mit dem allerdings keine Gespräche über mögliche "Belohnungen aus dem Norden" geführt hat. Aber Szilagyi gibt zu: "Es kribbelt." 

Dieses Kribbeln im Bauch greift also um sich. Am letzten Spieltag, der "von allem etwas" (Dahmke) sein wird. Ein bisschen Alfred-Show (das Abschiedsspiel kommt ja erst noch), ein bisschen Bangen und Hoffen und der Blick auf das Handy von Betreuer Michael "Memel" Menzel, der den Zwischenstand in Düsseldorf im Blick hat. Und ein bisschen Pflichtaufgabe, Fokus auf Hannover-Burgdorf. Bloß nichts anbrennen lassen. 

Und doch: Bleibt alles anders. "Es ist schon merkwürdig, wenn ich daran denke, dass Alfred nach dem letzten Training am Sonnabend und dem Spiel am Sonntag nicht mehr wiederkommt", sagt Rune Dahmke und spitzt noch weiter zu: "Ich kenne den THW nicht anders als mit ihm. Niemand von uns kennt den THW anders als mit ihm." Seit 2008 leitet der Isländer die sportlichen Geschicke. Seit 2012 stehen die dienstältesten Akteure im schwarz-weißen Kader. Ein THW ohne Alfred Gislason: undenkbar.

Nichtsdestotrotz sind die Hoffnungen in der Zebraherde (übrigens auch bei den Fans) gebremst. "Ich hoffe zumindest, dass der BHC alles geben wird", so Dahmke. Kreisläufer Hendrik Pekeler beziffert die prozentualen Chancen im Titelkampf auf "im unteren einstelligen Bereich". "Ehrlich gesagt glaube ich nicht mehr daran", so Pekeler. "Wir wollen ein gutes Spiel machen, gewinnen, die tolle Saison krönen. Und wenn es dann doch klappt mit der Schützenhilfe vom BHC, brechen alle Dämme." Wenn man nicht dran glaube, sagt Pekelers Positionskollege Patrick Wiencek, werde es schließlich "umso schöner", wenn es dann doch klappt.

(Von Tamo Schwarz, aus den Kieler Nachrichten vom 07.06.2019, Foto: Sascha Klahn)