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KN: Das gewisse Etwas

Bundesliga

KN: Das gewisse Etwas

Kassel. Der THW Kiel hat am Donnerstagabend auswärts bei der MT Melsungen zwei "extrem wichtige Punkte" (THW-Trainer Alfred Gislason) gewonnen. Durch das 29:25 (siehe THW-Spielbericht) behalten die Kieler im Rennen um die Rückkehr in die Champions League alle Trümpfe in der Hand - auch durch den zusätzlichen Punktverlust der Rhein-Neckar Löwen beim HC Erlangen (23:23).

Der THW Kiel gewinnt in Melsungen mit 29:25

Nordhessen treffen auf Norddeutsche, die Dritte. Zweimal haben die Zebras vom THW Kiel der MT in dieser Saison bereits empfindliche Niederlagen zugefügt - mit 37:20 im Bundesliga-Hinspiel im September sowie mit 31:19 im DHB-Pokal-Viertelfinale im November. Schnee von gestern. Die Rothenbach-Halle in Kassel ist mit 4300 Zuschauern seit Wochen ausverkauft, flammende Kaskaden beim Einlaufen des Gastgebers sorgen für erste Hitzewallungen.

Die hatte dieser Tage auch Kiels Rechtsaußen Niclas Ekberg, der mit Fieber das Bett hütet und auch am Donnerstag nicht fit genug ist, um ins Auto zu steigen und nach Hessen nachzureisen. Noch ärger trifft es die MT. Kühn, Pavlovic, Maric heißen die Langzeitverletzten. Im Abschlusstraining hat sich zu allem Ãœbel auch noch Rückraum-Regisseur Timm Schneider eine Wadenprellung zugezogen und fällt kurzfristig aus. Nur 13 Melsunger empfangen 15 Kieler. 

Trotzdem entwickelt sich während der ersten 30 Minuten ein selten hochklassiger, aber robuster Fight auf Augenhöhe. Den nehmen die Kieler mit einer offensiven 3:2:1-Deckung mit Domagoj Duvnjak an der Spitze an. Als diese in der 13. Minute beim 8:7 durch Philipp Müller - die erste MT-Führung überhaupt - nach allen Regeln der Kunst ausgehebelt wird, nimmt THW-Trainer Alfred Gislason eine Auszeit, stellt die Defensive auf eine 6:0 um (Patrick Wiencek und Hendrik Pekeler im Innenblock) und beordert den Schweden Lukas Nilsson für den glücklosen Duvnjak in den Rückraum. Duvnjak war es zuvor, der beispielsweise bei einem Tempogegenstoß an Nebojsa Simic scheiterte - statt der Kieler 7:5-Führung sorgte Lasse Mikkelsen im direkten Gegenzug für das 6:6 (10.). Es ist die Halbzeit der verpassten Ausfahrten.

Denn immer dann, wenn die Zebras in der Messehalle auf sicheres Terrain abbiegen, sich ein größeres Polster anhäufen könnten, navigieren sie unkonzentriert auf Geröllpisten. Steffen Weinhold sucht Magnus Landin auf Außen - der Ball landet im Aus (16.). Lukas Nilsson, ansonsten mit viel Ãœbersicht, sucht ebenfalls etwas auf der linken Seite - der Ball fliegt ins Nichts (27.). Dass der Tabellenzweite der Bundesliga nach einem eleganten Heber von Patrick Wiencek (29.) mit einer 16:14-Führung in die Halbzeitpause geht, hat er nach einem offenen Schlagabtausch und durchwachsener Defensivdarbietung in erster Linie Niklas Landin im Tor zu verdanken.

Im Prinzip stehen beide Deckungsreihen mit zunehmender Spieldauer stabiler. Die Kieler ebenso wie die von Finn Lemke ab der 12. Minute verstärkte der MT. Es ist am Ende also das gewisse Etwas, das den Ausschlag gibt. Ein Zauberreflex von Niklas Landin gegen Roman Sidorowicz (34.) oder eine sogar mit 1:0 durch ein Duvnjak-Tor gewonnene, eineinhalb Minuten andauernde doppelte Unterzahl der Zebras (36.). Wichtige Tore des für Steffen Weinhold eingewechselten Harald Reinkind zum 19:16 (40.), 22:19 (45.) oder 25:21 (53.). Die Kieler haben die Geröllpisten verlassen, sind aufmerksam bei Abprallern, haben mit Ole Rahmel einen starken, variantenreichen Ekberg-Vertreter und mit Marko Vujin einen sicheren Siebenmeterschützen. Der Serbe kommt nur für die Strafwürfe ins Spiel, trifft bei fünf Versuchen fünfmal und beendet seinen Arbeitstag als erfolgreichster Kieler Werfer. Der Star beim Rekordmeister ist momentan eben - die Mannschaft.

(Von Tamo Schwarz, aus den Kieler Nachrichten vom 01.03.2019, Foto: Archiv/Sascha Klahn)

Stimmen zum Spiel aus den Kieler Nachrichten:

Alfred Gislason, THW-Trainer: "Die Führung zur Pause war glücklich, weil wir vor der Umstellung nicht beweglich genug in der Abwehr waren. Nach der Pause war die 6:0 sehr gut, Niklas Landin hatte es leichter. Und im Angriff waren meine Spieler weiter sehr diszipliniert. Hervorheben muss man Ole Rahmel, der in Abwesenheit von Ekberg ein gutes Spiel und wichtige Tore gemacht hat."

Heiko Grimm, MT-Trainer: "Es war lange Zeit ein enges Spiel - das spricht eigentlich für uns. Aber ich habe irgendwie ein komisches Gefühl, bin nicht zufrieden, weil ich glaube, dass eigentlich mehr drin gewesen wäre. Wir hatten heute aber zu wenig Spieler in unseren Reihen, die es geschafft haben, das Spiel positiv zu beeinflussen. Außerdem haben wir zu viele freie Bälle verworfen."

Nikola Bilyk, THW-Rückraumspieler: "Bis fünf, sechs Minuten vor dem Ende war das Spiel offen. Aber dann waren wir da, wo es am wichtigsten ist. Das sind zwei unglaublich wichtige Punkte. In unserer 3:2:1-Deckung haben wir zu viele Räume gelassen, standen nicht eng genug. Ich hatte vorher Schulterprobleme, bin jetzt aber wieder ganz frei im Kopf und freue mich, wenn ich der Mannschaft helfen kann."

Ole Rahmel, THW-Rechtsaußen: "Die Abwehrumstellung war ein Schlüssel zum Sieg. Die 6:0 hat gut funktioniert, die MT hat nur im 7:6 Mittel gefunden. Ich hoffe, dass Niclas ( Ekberg, d. Red. ) schnell wieder gesund wird, denn er ist ein wichtiger Spieler für uns. Ich denke, dass ich meine Rolle heute ganz gut erfüllt habe. Und es hat natürlich Spaß gemacht, 60 Minuten lang auf dem Feld zu stehen."

Tobias Reichmann, MT-Rechtsaußen: "Wir haben auch gegen die Kieler 6:0-Deckung gute Lösungen gefunden, aber zu viele freie Bälle liegen lassen. Das gilt heute auch für mich, da haben wir noch Potenzial. Wir haben den THW zu oft zu leichten Toren eingeladen. Wir haben insgesamt aber einen guten Spirit, haben uns nach den vielen Verletzungen gut zusammengefunden."