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KN: Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft

Bundesliga

KN: Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft

Kiel. Ein emotionaler Abend: Der THW Kiel hat am Donnerstag nicht nur zwei Punkte in der Handball-Bundesliga durch ein 31:25 (13:11, siehe THW-Spielbericht) gegen den TVB Stuttgart gewonnen. Die Zebras entließen auch René Toft Hansen, Raul Santos und Emil Frend Öfors aus ihrer Herde.

Abschied: THW Kiel besiegt Stuttgart mit 31:25

Abschiedsstimmung in der Sparkassen-Arena, letzter Auftritt für die Zebras Raul Santos, Emil Frend Öfors und René Toft Hansen, der aufgrund einer Schambeinentzündung allerdings in dieser Saison nicht mehr zum Einsatz kommen wird. Nach dem Abpfiff ist Zeit für einen Blick zurück, in der Halbzeitpause für einen Blick in die ferne Zukunft: Die U 15 des THW wird für ihren Landesmeister-Titel geehrt.

Als Appetitanreger für die nahe Zukunft dient das Outfit der Stars. Der Rekordmeister tritt mit den neuen Bundesliga-Trikots der neuen Saison auf und entfacht als "weißes Ballett" ohne schwarze Last auf den Schultern zunächst ein echtes Abschieds-Zukunfts-Feuerwerk mit Tempo und phänomenaler Beinarbeit in der Deckung. Miha Zarabec bedient Patrick Wiencek hinter dem Rücken (5:1/9.), Lukas Nilsson und Marko Vujin beginnen treffsicher (7:2/14.). Aber die Saison 2017/2018 verkörpert eben auch noch ein paar Tage Gegenwart.

Und Gegenwart heißt dieser Tage auch Wankelmut, Schwankung, nachlassende Konzentration und zuweilen Stümperhaftigkeit im Sammeln von technischen Fehlern (vor der Pause) und Fehlwürfen (nach der Pause). Nilsson ist so ein Ballverlust-Beispiel in einer Drangperiode energischer, aggressiver und mitunter jenseits des Erlaubten operierender Stuttgarter, die plötzlich Gegenstöße laufen, einem eigentlich gut aufgelegten Andreas Wolff im Tor kaum eine Chance lassen und beim 9:9 (21.) durch einen Siebenmeter von "Mimi" Kraus zum ersten Mal ausgleichen.

Das Match wird zusehends zum Spiegelbild dieser titellosen Saison. Die Fehler, die Verunsicherung. Ein Beispiel: Der im Laufe der Monate zur Nummer vier auf der halblinken Rückraum-Position degradierte Christian Dissinger kommt in der 21. Minute aufs Feld und muss acht Minuten später nach einem tollen Assist und zwei schlechten Würfen wieder auf die Bank.

Miha Zarabec ist ein Lichtblick dieses (in der Arena) tropischen Donnerstagabends, kann aber auch nicht verhindern, dass Stuttgart in der 43. Minute zum ersten Mal in Führung geht (18:17). Vorher scheitern Frend Öfors und Niclas Ekberg an TVB-Keeper Jonas Maier, drischt Wiencek den Ball über den Kasten, geht ein Raunen durch das Rund. THW-Coach Alfred Gislason stellt die Deckung prompt auf eine 3:2:1-Formation mit Domagoj Duvnjak an der Spitze um, und so kehrt die Spielfreude auf das Feld zurück. Vujin und Bilyk, Frend Öfors mit viel Tempo und als Einläufer, noch einmal Vujin nach feinem Rahmel-Assist – beim 27:21 (54.) stehen die Weichen wieder auf Sieg, lösen die Zebras sie doch, die nachgeholte Pflichtaufgabe und erhalten sich so vor dem letzten Spieltag (Sonntag, 15 Uhr, in Minden) die Chancen auf Platz vier. Was mit einem Feuerwerk begann, endet auch so.

Und so passt es, dass die Arena nach dem Abpfiff in rotes Licht getaucht wird, um die richtige Abschiedsstimmung zu erzeugen. Die Kieler Fans applaudieren den drei Zebras, die gehen werden, schenken ihnen ein letztes Mal Standing Ovations und feiern vor allem Toft Hansen für sechs Jahre an der Förde, drei Meistertitel, zwei Pokalsiege, mehr als 260 Spiele. Der Däne selbst dankt dem weiten Rund, erzählt, wie er als Kind zwei Träume gehabt habe: Olympia gewinnen und für den THW in dieser Arena spielen. "Das habe ich in meiner Zeit in Kiel beides erreicht, deshalb bin ich sehr dankbar", sagt er. "Danke für eine wahnsinnig tolle Zeit, liebe THW-Familie!"

Auch Frend Öfors und Santos baden noch einmal im Beifall der 10 000, sehen sich nochmal um, als wollten sie die Bilder der Kieler Fans in ihrer Arena für immer in ihrem Kopf abspeichern. Ein bisschen Wehmut ist dabei, aber der Blick geht in die Zukunft. Das ist auch bei THW-Kapitän Domagoj Duvnjak so, der traditionell das letzte Wort auf der Platte hat. "Ich weiß, ich habe Euch letztes Jahr etwas anderes versprochen, aber mit einem Titel hat es leider nicht geklappt", entschuldigt sich der Kroate und schaut dann nach vorn. "Ich freue mich schon auf nächstes Jahr - diesmal werde ich aber lieber nichts versprechen."

(Von Tamo Schwarz und Niklas Schomburg, aus den Kieler Nachrichten vom 01.06.2018, Foto: Sascha Klahn)