Spielbericht zum Auswärtsspiel in Berlin

Bundesliga

Spielbericht zum Auswärtsspiel in Berlin

Der THW Kiel hat bei den Füchsen Berlin einen hoch verdienten Punkt geholt: Nach 60 Minuten Handball auf Spitzen-Niveau, wechselnden Führungen und mit leidenschaftlichem Einsatz war es Niclas Ekberg, der mit einem verwandelten Siebenmeter in der Schluss-Sekunde den Kampf der "Zebras" zumindest mit einem Punkt belohnte. Sein Tor zum 25:25 (14:15)-Ausgleich war das Ausrufezeichen hinter einer insgesamt starken Leistung der Kieler, die den Füchsen den ersten Punktverlust in der Max-Schmeling-Halle seit Mai zufügten und in Torhüter Niklas Landin (17 Paraden) und Steffen Weinhold (6 Tore) ihre herausragenden Akteure hatten. Bester Torschütze war indes Ekberg, der 7/5 Treffer erzielte.

Dahmke erzielt die ersten drei Treffer

Der THW startete nach der ohrenbetäubenden Einlaufshow der Berliner als Stimmungskiller: Rune Dahmke profitierte von zwei schnellen Ballgewinnen der Abwehr, die von Trainer Alfred Gislason eine offensive Ausrichtung mit Christian Dissinger als vorgezogenem Störfeuer verordnet bekommen hatte. Allerdings sorgte dann das Geburtstagskind für Alarm unter dem Hallendach: Silvio Heinevetter, der seinen 33. Geburtstag in der Max-Schmeling-Halle feierte, parierte nacheinander gegen Miha Zarabec, Lukas Nilsson und Steffen Weinhold. Die Folge war 4:0-Lauf der Gastgeber innerhalb von nur vier Minuten, ehe erneut Dahmke den Torreigen der Gastgeber unterbrach. Allerdings verpasste der Kieler Linksaußen wenig später den Ausgleich, als er einen Gegenstoß an die Torlatte nagelte. Doch die ersten Minuten hatten den Fans in der Arena bereits einen Vorgeschmack auf das gegeben, was bis zum Schluss begeistern sollte: Beide Abwehrreihen agierten auf schnellen Beinen, beide Torhüter glänzten, beide Teams kämpften um jeden Ball und jeden Zentimeter Platz am Kreis.

Berlin führt zur Pause

Dissinger war es, der den Anschluss einläutete: Sein Steal war die Grundlage für Nikola Bilyks 4:5, kurz darauf setzte auch Dahmke einen Konter passgenau in die Maschen: Ausgleich, nach elf Minuten begann die Partie von vorn, sah dieses Mal aber die Gastgeber im Vorteil: Heinevetter hielt einen Ekberg-Siebenmeter, bei einem Weinhold-Wurf blieb der Siebenmeter-Pfiff, wieder lagen die Füchse mit zwei Treffern vorn. Das blieb bis zur 21. Minute so, weil der THW im Angriff gegen die 6-0-Defensive kaum zum Zug kam oder an Heinevetter scheiterte. Und weil die Berliner in Fäth und Struck zwei Spieler in ihren Reihen hatten, die die 3-2-1-Deckung der Zebras ein ums andere Mal aushebeln konnten. Doch abschütteln ließen sich die SChwarz-Weißen nicht: Nach zwei Steals und einem technischen Fehler der Berliner führten sie, angetrieben vom ganz starken Steffen Weinhold, mit 11:10 und wenig später mit 12:11 (26.) und 13:12 (27.). In Überzahl kamen die Füchse zum Ausgleich, Wienceks Treffer fand aufgrund der Zeitspiel-Passregel keine Anerkennung, und Plaza netzte frei vom Kreis zum 14:13 ein, das Weinhold sechs Sekunden vor dem Ende mit dem 14:14 konterte. Ärgerlich, dass die Kieler beim schnellen Anwurf der Berliner nicht sortiert genug waren, mit einem einfachen Pass auf Struck behielten die Gastgeber eine knappe Halbzeitführung in ihren Reihen.

Starker Neustart

Mit dem Wiederanpfiff begann die stärkste Phase des THW: Nilsson hatte Ekberg mit einem Traumpass den Ausgleich ermöglicht, Dissinger mit einem grandiosen No-Look-Pass auf Wiencek seine Offensivqualitäten unter Beweis gestellt, Wiencek hinten gegen Wiede geblockt, Bilyk zum 17:15 getroffen. Die Berliner agierten in dieser Phase mit sieben Feldspielern - das machte sich Niklas Landin zunutze, der einen Wiede-Wurf fing und quer über das Feld den Ball zum 18:15 in die verwaisten Berliner Maschen "kegelte". Urplötzlich waren die Zebras den Füchsen enteilt. Sie ließen allerdings die Chance aus, weiter davon zu ziehen. Profitierten durch eigene Fehler nicht von den grandiosen Rettungstaten Landins unter anderem gegen Lindberg. Schafften es mehrfach nicht, trotz bester Chancen an Heinevetter vorbei zu kommen. Und sie hatten erneut Pech, als Wiencek ein reguläres Tor weggepfiffen wurde. Stattdessen traf Fäth mit einem "Strahl" in den Winkel zum 18:18 (42.) - alles war wieder offen. 

Füchse wieder obenauf

Der THW blieb vorn, schaffte aber erneut das Kunststück, aus einer 6:4-Überzahl kein Kapital schlagen zu können: Bilyk ließ sich ins Stürmerfoul treiben, Marko Vujin blieb mit seinem überhasteten Wurf im Block hängen. Kurz darauf machte er es in eigener Unterzahl besser, traf zum 20:19, Ekberg verwandelte seine Strafwürfe weiter sicher (22:21, 53.). Zum Haareraufen war es, dass die Berliner nach einer krassen Fehlentscheidung zum erneuten Ausgleich kamen: Drux hatte Weinhold bei einem Passversuch fast das Trikot ausgezogen, doch statt eines Freiwurfes für Kiel gab es einen Gegenstoß von Hans Lindberg, der zum 22:22 traf. Weil sich nun auch das Glück auf Seiten der Berliner geschlagen zu haben schien, die durch Fäths Wembley-Treffer zum 23:23 kamen, Nenadic unglücklich Steffen Weinhold mit einer stark blutenden Nase aus dem Verkehr zog, ein Rückpass der Berliner auf Heinevetter nicht geahndet wurde, waren die Füchse obenauf: Fäth traf durch Landins Beine zur ersten Berliner Führung seit dem Halbzeitpfiff (58.). 

Mit einem Punkt in die Länderspiel-Pause

Doch anders als zuletzt stemmten sich die Zebras zumindest teil-erfolgreich gegen die drohende Niederlage: Dahmke traf 58 Sekunden vor dem Ende aus der Bedrängnis heraus mit einem Traum-Tor aus unmöglichem Winkel zum 24:24, doch 15 Sekunden vor Schluss war es Struck, der die Halle mit seinem Führungstor in ihren Grundfesten erschütterte. Die Kieler machten Tempo, Christian Zeitz konnte nur durch ein klares Foul von Fäth am Torwurf gehindert werden. Siebenmeter für den THW, drei Sekunden vor der Sirene. Berlin zog alle Register, brachte Routinier Petr Stochl, doch das bessere Ende hatte die Nummer 18 des THW Kiel: Eiskalt verwandelte Niclas Ekberg den Strafwurf zum unter dem Strich gerechten Remis. Mit diesem Unentschieden, bei dem sich die Kieler als Mannschaft insgesamt stark präsentiert hatten, verabschiedeten sich die Zebras zu ihren Nationalmannschaften - oder in ein paar wenige freie Tage. Das nächste Mal in Schwarz und Weiß laufen Weinhold, Landin, Ekberg, Bilyk & Co. wieder am 2. November auf: In der Sparkassen-Arena empfangen die Kieler dann die "Eulen Ludwigshafen" (jetzt Tickets sichern!) zum nächsten Duell um wichtige zwei Punkte. 

Statistik, 10. Spieltag, 19.10.17: Füchse Berlin - THW Kiel: 25:25 (15:14)

Füchse Berlin: Heinevetter (1.-60., 16/1 Paraden), Stochl (1 Siebenmeter, 0 Paraden); Wiede (1), Elisson (n.e.), Vukovic, Struck (6), Gojun (1), Nenadic (2), Plaza Jimenez (2), Lindberg (3/2), Zachrisson, Fäth (8), Schmidt, Drux (1); Trainer: Petkovic

THW Kiel: Landin (1.-60., 17 Paraden, 1 Tor), Wolff (1 Siebenmeter, 0 Paraden); Firnhaber (n.e.), Toft Hansen, Weinhold (6), Dissinger, Wiencek (1), Ekberg (7/5), Zeitz, Frend Öfors, Rahmel (n.e.), Dahmke (5), Zarabec, Vujin (2), Bilyk (3), Nilsson; Trainer: Gislason

Schiedsrichter: Robert Schulze / Tobias Tönnies

Strafzeiten: Füchse: 6 (Zachrisson (20.), Gojun (27.), Vukovic (30.), Schmidt (46.), Drux (46.), Fäth (60.)) / THW: 4 (2x Dissinger (15., 49.), Toft (26.), Dahmke (28.))

Siebenmeter: Füchse: 2/2 / THW: 6/5 (Heinevetter hält Ekberg (17.)

Spielfilm: 0:2 (3.), 4:2 (7.), 5:3 (10.), 5:6 (12.), 8:6 (18.), 10:8, 10:11 (24.), 11:12, 12:13, 14:14 (30.), 15:14;
15:18 (35.), 16:18 (38.), 18:18 (42.), 20:20 (50.), 22:23, 24:23 (58.), 25:24 (60.), 25:25.

Zuschauer: 9.000 (ausverkauft) (Max-Schmeling-Halle, Berlin)

Stimmen zum Spiel:

THW-Trainer Alfred Gislason: Dieses Spiel hat alles geboten, was man sich als Fan unseres Sportes wünscht. Wir haben es in den 15 Minuten nach der Pause versäumt, uns komplett abzusetzen. Deshalb ist es jetzt direkt nach der Partie schwierig zu sagen, ob es ein gewonnener oder verlorener Punkt war. Wir haben gut gespielt, deshalb ist es schade, dass es nicht zwei Punkte geworden sind. Aber wenn man zehn Sekunden vor Schluss zurückliegt, Zeitz den Siebenmeter gut herausholt und Ekberg sicher verwandelt, ist dieses Ergebnis unter dem Strich vielleicht gerecht. Landin hat super gehalten, die Schiedsrichter hatten bei der Trikot-Zieh-Aktion an Weinhold eine schlechte Sicht, haben insgesamt aber eine sehr gute Leistung gezeigt.
In den KN:  Die Rechtshänder im Rückraum haben noch immer nicht das nötige Selbstvertrauen, heute kamen hier nur drei Tore. Das Unentschieden ist gerecht. An Spekulationen über Titelchancen beteilige ich mich nicht. Die Tendenz der Mannschaft ist besser und besser, aber erst einmal müssen wir überhaupt die Punkte machen, um auf die Europapokalplätze zu kommen.

Füchse-Coach Velimir Petkovic: Wenn man zehn Sekunden vor Schluss führt und dann noch den Ausgleich kassiert, kann man mit einem Punkt nicht zufrieden sein. Kiel hat heute gezeigt, was in dieser Mannschaft steckt. Junge Spieler, die sich entwickeln, und gut gecoacht werden. Meine Jungs haben gegen solch einen starken Gegner - und das drei Tage nach dem Sieg in Flensburg - nicht aufgegeben. Das war klasse.
In den KN: Ich hatte gleich nach dem Spiel viele Anrufe. Alle waren begeistert von dem Spiel, dann muss ich mich wohl auch freuen, aber ich brauche noch ein bisschen Zeit. Es waren schwierige Monate mit all den Verletzten. Das hat die Mannschaft phänomenal gelöst. Es macht mir richtig Spaß, mit den Jungs zu arbeiten.

THW-Geschäftsführer Thorsten Storm: Das war viel Werbung für den Handball. Ich hatte das Gefühl, dass wir die Nase ein bisschen vorn haben. Deshalb wäre es umso bitterer gewesen, wenn wir von hier mit leeren Händen nach Hause gefahren wären. Wenn man gesehen hat, wie sich unsere Jungs für Alfred und den THW reingehängt haben, dann weiß man, dass es innerhalb der Mannschaft stimmt. Ein Punkt ist gut, wir werden weiter nach oben klettern.

THW-Torhüter Niklas Landin: Wir haben zum ersten Mal in der Schlussphase nicht alles weggeworfen, was wir uns zuvor erarbeitet hatten. Das Unentschieden ist ok, mit ein bisschen Glück wären zwei punkte drin gewesen. 

Füchse-Torhüter Silvio Heinevetter: Es war ein geiler Kampf mit einem gerechten Unentschieden. 

Füchse-Spieler Paul Drux in den KN: Beide Mannschaften können wohl mit dem Punkt zufrieden sein. Wir können oben mitspielen, das haben wir in dieser Woche bewiesen. Einen Punkt gegen Kiel hatten wir ja schon lange nicht mehr. Die doppelte Unterzahl war ein kleiner Wendepunkt. Da lief es ja eigentlich gegen uns.

THW-Kreisläufer Patrick Wiencek in den KN: Wir mussten eigentlich gewinnen, um noch eine Chance zu haben. Schade, dass die Schiedsrichter am Ende jede 50:50-Entscheidung für Berlin pfeifen. Da stimmten die Verhältnisse nicht mehr. Trotzdem können wir auf dieser Leistung aufbauen. Ein Punktverlust ist es dennoch. Natürlich ist die Meisterschaft noch möglich, aber man muss auch Realist bleiben.

THW-Rückraumspieler Christian Dissinger in den KN: Wir haben es zwei-, dreimal in der Hand und machen die entscheidenden Tore nicht. Jeder versucht, das Beste einzubringen, um wieder in die Erfolgsspur zu kommen und den Weg zu gehen, den wir uns vorgestellt haben. Bevor wir an Titel denken, müssen wir wieder zu unserer Form finden und wieder konstant 60 Minuten lang abliefern.