KN: Gefletschte Zähne
Favorisierte Löwen
"Natürlich ist es viel besser, jetzt mit einem Sieg im Rücken nach Mannheim zu fahren als mit vier Niederlagen in Folge", sagt THW-Kreisläufer René Toft Hansen. Doch beim 27:26 am Mittwoch gegen Aalborg glänzten am Ende hauptsächlich die zwei Punkte gülden. "Wir müssen uns steigern, um eine Chance zu haben - in der Abwehr und im Angriff", so Gislason, der auch weiß, dass seine Mannschaft im August beim 30:32 nach Siebenmeterwerfen im Supercup zwar "auf Augenhöhe" gespielt habe, das Duell aber auch "lange her" sei. "Die Löwen sind momentan einfach mit weniger Problemen unterwegs als wir. Aber wir werden Vollgas geben."
Probleme, das ist weiterhin das Fehlen von Kapitän, Leitwolf und Ausnahme-Könner Domagoj Duvnjak, auf dessen Rückkehr sich Alfred Gislason. "womöglich schon in drei Wochen" freut. Das war in dieser Woche aber auch der grippale Toft Hansen, der zum Wochenende im Training fehlte, während der gegen Aalborg nach seinem Zusammenprall in Kielce geschonte Niclas Ekberg wieder topfit ist. "In Mannheim am Sonntag wird es natürlich sehr hart, das ist gegen die Löwen immer so. Wir müssen mit Selbstvertrauen in dieses Spiel gehen. Wir sind ja alle gute Handballer, wir müssen den Schalter einfach umlegen und an uns glauben", sagt der schwedische Rechtsaußen, der mit gemischten Gefühlen auf die Vorsaison zurückblickt. War das Weiterkommen im Achtelfinale der Champions League in der SAP Arena eines der glanzvollen Kapitel der vergangenen Spielzeit, so geriet das 19:28, bei dem sich die Löwen am Ende der Saison in eigener Halle zum Meister krönten, zu einer der schwärzesten Stunden.
Wie sollte es anders sein, auch vor diesem Kräftemessen von Löwen und Zebras geht es nicht ohne Zähnefletschen. Dass Gislason dem Gegner in der aktuellen Kieler Krise die Favoritenrolle zuspielt, bezeichnen die Badener auf ihrer Website als "Psychospielchen". "Die Kieler legen sich jetzt auf den Rücken und stellen sich tot. Aber davon werden wir uns nicht täuschen lassen", sagt Löwen-Kapitän Andy Schmid. "Sie werden mit allem kommen, was sie haben", so der Kapitän, der am Sonntag mit seinem Team in eine „Horrorwoche“ mit anschließenden Spielen gegen Hannover (Dienstag), Hüttenberg (Donnerstag) und in Kristianstad (Sonnabend) startet.
Gislason bleibt gelassen, analysiert ohne Kampfrhetorik, sieht in Schmid weiterhin den "phänomenalen Schlüsselspieler". Auch der Verlust des überragenden Kim Ekdahl du Rietz sei, so der Kieler Chefcoach, bei den Löwen gut kompensiert: "Mads Mensah Larsen löst die Aufgabe auf Halblinks ganz anders als Ekdahl, aber er macht seine Sache auch sehr gut." Löwen gegen Zebras, am Sonntag um 15 Uhr - unter ganz anderen Vorzeichen.
(Von Tamo Schwarz, aus den Kieler Nachrichten vom 30.09.2017, Foto: Archiv/Sascha Klahn)
KN-Interview mit Andy Schmid
Mannheim. Bewunderer nennen ihn den "Messi des Handballs". Von Allüren ist bei Andy Schmid, Spielmacher des deutschen Handball-Meisters Rhein-Neckar Löwen, allerdings nichts zu spüren. Der 34-jährige Schweizer lebt mit seiner norwegischen Frau Therese sowie den Kindern Lio (5) und Levi (1) im beschaulichen Walldorf bei Heidelberg. In der vergangenen Saison wurde Schmid zum vierten Mal in Folge zum wertvollsten Spieler der Bundesliga gewählt.
KN: Der Sechste spielt am Sonntag gegen den Neunten ... da war mal mehr Spitzenspiel, oder?
Andy Schmid: Ehrlich gesagt fühlt es sich genau so an wie in den letzten Jahren. Der THW ist zwar schlecht gestartet, aber wir sind realistisch genug, um zu wissen, dass die Tabelle noch schief ist. Das sind weiterhin zwei der stärksten Mannschaften der Liga. Es ist doch auch nicht verwunderlich, dass der THW in diesem Tief ist. Duvnjak ist einer der weltbesten Spielmacher, ist der Kopf dieser Mannschaft. So ein Ausfall würde jede Mannschaft treffen. Hoffentlich kommt der THW nicht gegen uns aus dem Tief heraus.
Hat sich in Ihrer Mannschaft nach dem Weggang von Kim Ekdahl du Rietz eine neue Dynamik entwickelt?
Kim war einer der besten Halblinken. Ihn zu ersetzen - damit haben wir noch Probleme.
Viele sehen in Ihnen aufgrund Ihrer intuitiven, eleganten Spielweise den besten Handballer der Welt ...
... und ich kann demütig einschätzen, dass ich es nicht bin. Mit einem Karabatic oder Mikkel Hansen würde ich mich nie vergleichen. Wenn ich gut drauf bin, bin ich ein richtig guter Spieler, aber ich würde auch gern mal einer EM oder WM meinen Stempel aufdrücken, doch da bin ich als Schweizer nie dabei. Ich bin stolz auf meine Entwicklung und mein konstantes Spiel.
Spielt da auch Genugtuung eine Rolle? Nach Ihrem Wechsel aus Silkeborg 2010 zu den Löwen galten Sie schnell als Fehlkauf.
Ein wenig: Ich habe es den Kritikern ja schon gezeigt. Aber ich hatte damals gewiss auch Selbstzweifel. Ich habe nicht den Kopf in den Sand gesteckt, mich durchgekämpft. Darauf bin ich auch stolz.
(Von Tamo Schwarz, aus den Kieler Nachrichten vom 30.09.2017, Foto: Archiv/Sascha Klahn)