Das Spitzenspiel der DKB Handball-Bundesliga hielt, was es im Vorfeld versprochen hatte: 60 Minuten lang lieferten sich der THW Kiel und die Füchse Berlin einen an Intensität und Emotionen kaum zu übertreffenden Kampf um Platz drei, an dessen Ende die Zebras gemeinsam mit ihrer "weißen Wand" aus 10.285 Fans in der ausverkauften Sparkassen-Arena jubelten: Mit 32:28 (18:15) gewannen sie die Partie, in die sie mit einem Drei-Tore-Rückstand gestartet waren und an dessen Ende sie nach einem Zeitstrafen-Hagel gegen die Berliner 90 Sekunden lang gegen nur noch drei Füchse agierten. Bester Torschütze der Kieler war ihr erst 20-jähriger Anführer: Nikola Bilyk erzielte 7/2 Treffer, zudem brillierte Andreas Wolff mit 18 Paraden.
Die Halle nahezu komplett in Weiß - selbst die vor dem Spiel für ihre Drittliga-Meisterschaft geehrten Handballer des TSV Altenholz und die eingesetzten Polizei-Beamte hatten sich passend zur "weißen Wand" gekleidet - und zwei Mannschaften, die richtig heiß auf das Spitzenspiel der DKB Handball-Bundesliga waren: Ein Abtasten gab es bei dem Duell auf dem Platz und auf den Rängen nicht. Alfred Gislason hatte neben Kapitän Domagoj Duvnjak auch auf Rene Toft Hansen (Schambein-Entzündung) verzichten müssen - das Fehlen des Abwehrchefs machte sich anfangs doch bemerkbar. Vor allem Petar Nenadic bekam der THW Kiel nicht in den Griff, der Berliner Haupttorschütze spielte Katz' und Maus mit der Kieler Deckung, die Füchse führten 3:1 (5.). Gislason reagierte und brachte den jungen Sebastian Firnhaber, der fortan mit Patrick Wiencek den Mittelblock bildete - und seine Sache richtig gut machte. So kämpften sich die Zebras in die Partie, in der sich Silvio Heinevetter und Andreas Wolff ein beachtliches Torhüter-Duell lieferten - mit Vorteilen zunächst auf der Berliner Seite, beim 6:3 waren die Füchse erstmals mit drei Toren vorn.
Firnhabers Ausgleich reißt Fans von den Sitzen
Dieser Vorsprung hielt bis zur 13. Minute: Dann stieg Bilyk hoch und netzte ein, der starke Christian Dissinger traf nach einem Eins-gegen-Eins - der THW war dran. Auch weil die Schwarz-Weißen in der Abwehr einen Funken mehr Leidenschaft an den Tag legten, mit Steals und Hechtsprüngen nach Abprallern sich den Ball erkämpften. Firnhaber hatte den Ausgleich vor Augen, scheiterte jedoch an Heinevetter. Wieder zog Nenadic den Ball am Abwehrriegel vorbei - 9:7 für die Füchse. Und dieses Tempo-Spiel, in dem die Zebras mit hoher Geschwindigkeit im Angriff agierten, sollte noch mehr Fahrt aufnehmen: Dissinger traf zum erneuten Anschluss, Rune Dahmke zeigte einen seiner vielen "Steals", und als Firnhaber den Pass von Dahmke aufnahm und dieses Mal den Konter eiskalt an Heinevetter vorbei zu seinem ersten Bundesliga-Tor ins Netz drosch, riss es die Fans erstmals komplett von den Sitzen - und sie konnten gleich stehen bleiben. Nächster Angriff Berlin, Steal Wiencek und ab ging die Tempo-Reise über Niclas Ekberg und Dahmke zum 10:9 - Wahnsinn!
Die Füchse aber blieben eiskalt, gingen in Überzahl ihrerseits wieder mit 11:10 in Führung. Doch die Zebras brannten - Bilyk stieg zum Ausgleich hoch, Wolff schnappte sich einen Wiede-Wurf und schickte Dahmke, der mit Fäth am Hals den Ball zum 12:11 ins Netz zwirbelte, Drux rammte Ekberg um, der benommen raus musste, aber später wieder zum Einsatz kam. Vujin scheiterte mit einem Strafwurf an Heinevetter, doch Weinhold packte sich gedankenschnell den Ball und traf zum 13:11 - dieses Spitzenspiel verdiente den Namen zurecht! Denn wieder kamen die Berliner zurück, glichen durch Nenadic aus: 13:13, 26 Tore nach 26 Minuten. Dann schnappte Wiencek zu: Vorne nagelte er ein Traum-Anspiel von Bilyk ins Netz, hinten spritzte er in ein Kreis-Anspiel, bediente Ekberg zum Gegenstoß. Wieder waren die Kieler mit zwei Toren vorn, ließen sich auch durch Lindbergs klasse Finte nicht beirren. Wolff schnappte sich Kozinas freien Ball, und Wiencek traf zum 17:14. Fäth hielt dagegen, und in den Schluss-Sekunden der ersten Halbzeit schienen die Berliner die besseren Karten zu haben. Doch weit gefehlt: Sekunden-Bruchteile vor der Sirene traf erneut Wiencek zum 18:15-Pausenstand.
Atemlos ging es in die Pause, mit atemberaubenden Tempo startete auch die zweite Halbzeit: Nilsson bediente Ekberg zum 19:15 - die Kieler waren vier Treffer vorn. Allein: Sie verpasste es, den Vorsprung zu erhöhen, schlugen zu wenig Kapital aus ihrer starken Deckung und dem immer präsenter werdenden Wolff. Heinevetter hielt einen Ekberg-Siebenmeter, nach Vujins 22:18 war der Berliner Keeper gegen Weinholds Konter Sieger, nach Dissingers 23:19 hielt erneut Heinevetter einen Weinhold-Wurf, die Hauptstädter robbten sich heran. Wiedes Kontertor zum 21:23 nötigte Gislason zur Auszeit, der Isländer brachte nun mit Weinhold auf der Mitte und Marko Vujin zwei Linkshänder im Rückraum - mit Erfolg: Vujin traf zum 24:21, Wolff hielt Nenadics Wurf fest, und Weinhold erzielte vom Kreis das 25:21 (45.).
Für die Zebras steht bereits am Mittwoch die nächste richtig schwere Aufgabe auf dem Programm: Sie müssen beim Tabellen-Siebten SC DHfK Leipzig ran. Anwurf in der ausverkauften Arena Leipzig ist um 20:45 Uhr, Sport1 wird die Partie live übertragen. Wie hoch diese Auswärtshürde sein wird, konnten die Handball-Fans beim "Rewe Final Four" in Hamburg erleben: Im Halbfinale setzten sich die Kieler nach einer wahren Tempo-Jagd und einem großen Kampf knapp mit 35:32 durch und machten so einen großen Schritt in Richtung ihres zehnten Pokalsieges. Mittwoch nun geht es um zwei richtig wichtige Punkte in der DKB Handball-Bundesliga - auf geht's, Zebras!
Drei Berliner Zeitstrafen binnen Sekunden
Doch auch jetzt konnten die Zebras das Momentum nicht zwingen, machten technische Fehler. Gut, dass Wolff in den direkten Duellen gegen Kozina, Fäth und Nenadic immer wieder die Oberhand behielt. Doch in Unterzahl machten zwei Fehler die Vorarbeit zum 27:23 zunichte: Erst traf Lindberg mit dem Anwurf ins leere Tor, dann Elisson (51.). Es ging in die dramatischen letzten Minuten, in denen die Emotionen überkochten: Tönnesen hatte zum 26:28-Anschluss getroffen, im Gegenzug Drasko Nenadic Bilyk gefoult - dafür kassierte er eine Zwei-Minuten-Strafe. Rudel-Bildung mit dem jede Aktion kommentierenden Heinevetter und drei weiteren Berlinern um Bilyk, Petar Nenadic kassierte Zwei Minuten. Und als Dahmke dann mit einem Hechtsprung einen verloren geglaubten Ball rettete, prostestierte die Berliner Bank derart, dass auch sie mit einer Strafe belegt wurde. 6:3-überzahl also für die Kieler. Und die nutzten den Freiraum, trafen durch Ekberg zum 29:26. Wolff parierte dann gegen Fäth, und Ekberg netzte ins leere Tor ein: 30:26 (56.), eine Vorentscheidung war gefallen.
Bilyk macht den Deckel drauf
Dann musste auf Kieler Seite Brozovic für zwei Minuten zusehen, Kozina traf zum Anschluss. Bitter für die Berliner, dass Petar Nenadic nach dem Tor umknickte und auf Marko Vujin und einen Berliner Phyiso gestützt humpelnd das Feld verlassen musste. Auf diesem fighteten die Zebras weiter um jeden Ball: Bilyks Geschoss an die Latte flog im hohen Bogen zurück ins Feld, wo Wiencek sich den Abpraller sicherte. Und nach Heinevetters Pass auf den aufs leere Tor zustürmenden Lindberg eilte Wolff von der Bank und fing diesen ab - ohne den Außen dabei zu behindern. Nikola Bilyk war es dann überlassen, mit dem 31:27 (58.) den Deckel auf ein denkwürdiges Spiel draufzumachen, dessen 60 Minuten Gesprächsstoff für Stunden geliefert hatten - und an deren Ende die Zebras mit der unglaublichen weißen Wand gemeinsam zwei ganz wichtige Punkte feierten!