KN: Die Derby-Bilanz
Nicht alles ist Gold, was glänzt
"Es ist schön, zwei von drei Derbys gewonnen zu haben", sagt THW-Trainer Alfred Gislason. Mit Kieler Tugenden - individueller Klasse, Power - haben die Zebras die SG am Mittwoch bezwungen. Ein spielerischer Triumph war es nicht, auch wenn Linksaußen Raul Santos und Rechtsaußen Niclas Ekberg zu Protagonisten eines taktischen Bemühens wurden, das sie zuletzt immer wieder im Abseits hatte stehen lassen. Und noch besser: Santos agierte in einem seiner besten Spiele für den THW (Gislason: "Sein bestes") punktgenau in der Defensive, ließ nicht ein Tor von Flensburgs Star-Außen Lasse Svan zu, traf selbst dreimal. "Wir haben in den Tagen zuvor trainiert, sie besser ins Spiel zu bringen", so Gislason, der fehlender Breite im Kader und Verletzungspech zum Trotz die Folgewirkungen dieser Entwicklung nicht aus den Augen verlieren will: "Wir müssen geduldiger, breiter spielen, waren vorher zu rückraum- und kreislastig, haben der gegnerischen Abwehr geholfen." Auch Spielmacher Domagoj Duvnjak ist derzeit wie in der Vorsaison gezwungen, an seine physischen Grenzen zu gehen, ging beim 22:30 im zweiten Derby mit unter. Gislason sucht den Fehler auch bei sich: "Der Fehler war vielleicht, dass ich in Coburg unbedingt gewinnen wollte und Duvnjak deshalb habe viel spielen lassen. Vielleicht hätte ich mehr Risiko eingehen sollen." Dass das Spiel in Halbzeit zwei zunächst in Richtung der SG kippte, sieht Gislason auch als Verdienst der ansonsten so oft kritisierten Flensburger Fans: "Standing Ovations bei fünf Toren Rückstand der eigenen Mannschaft - das war eine bemerkenswerte Unterstützung, ein starkes Zeichen." Ein Hinweis an das Kieler Publikum? Mehr sagt der Isländer nicht, will das Derby-Doppel aber auch nicht überbewerten: "Die Siege sagen nicht so viel aus. Flensburg ist im Moment deutlich besser, und wir sind noch nicht so eingespielt, hatten viele Olympia-Fahrer. Als dann auch noch Christian Dissinger ausfiel, hat uns das sehr wehgetan. Bis die Jungen so richtig integriert sind, dauert es mindestens ein Jahr. Umso erstaunlicher, dass wir in der Bundesliga punktgleich mit der SG und den Löwen dastehen", so Gislason, der allerdings auch in Aussicht stellt, dass die Zebras "immer weiter heranrücken" werden. "Zumindest wenn wir nicht so viele Ausfälle haben wie letzte Saison." Apropos: Christian Zeitz (Rücken) und Steffen Weinhold (Leistenzerrung) brachten ein Souvenir aus Flensburg mit, ihr Einsatz am Sonnabend (19 Uhr) gegen Leipzig ist fraglich. Wieder mitmischen konnte Nikola Bilyk, der Österreicher kam in Flensburg von der Bank, integrierte sich sofort wieder ins Kieler Spiel und brachte das nötige Tempo mit. "Am Sonntag zugucken zu müssen, hat sehr wehgetan, weil ich der Mannschaft nicht helfen konnte", sagt Bilyk. "Dass wir erstens nach der Heimpleite und zweitens nachdem wir den Vorsprung aus der ersten Halbzeit verspielt haben, wieder zurückgekommen sind, zeigt unseren Charakter." Der Charakter, die Moral einer Spitzenmannschaft, dieses THW-Gen, in engen Spielen immer noch einen draufsetzen zu können - es ist nicht verloren gegangen. Der Unterschied zwischen zweitem und drittem Derby war frappierend. "Wir waren am Sonntag viel zu wenig in Bewegung, viel zu langsam - die Pleite war auch in der Höhe verdient", sagt Linksaußen Rune Dahmke. "Das haben wir im dritten Spiel wieder viel besser gemacht." Der Lohn war der Auswärtssieg - mit dem vor der Partie wohl nur wenige gerechnet hatten. Dennoch: Defizite im Positionsangriff sind nicht wegzudiskutieren. "Unsere Spielanlage muss insgesamt breiter werden", sagt Dahmke. "Wir haben mit unserem Kader extrem viele Möglichkeiten, müssen in Bewegung sein und Räume schaffen, um alle Stärken optimal zu nutzen." Richtig stark, da sind sich alle einig, ist momentan die Abwehr mit dem überragenden Torhüterduo Landin/Wolff. Und so ziehen die Zebras ein insgesamt positives Fazit aus den drei Derbys. "Wir haben zwei Mal gewonnen, darunter das wichtigste Spiel in der Bundesliga", sagt Dahmke. "Das ist ein richtig geiles Gefühl." (Von Niklas Schomburg und Tamo Schwarz, aus den Kieler Nachrichten vom 25.11.2016, Foto: Sascha Klahn)