KN: Die Baustellen sind offensichtlich
"Den Kopf nicht in den Sand stecken"
"Man hat ganz klar gesehen, wo unsere Baustellen sind. Daran müssen wir jetzt arbeiten", sagt Linksaußen Rune Dahmke. "Aber wir dürfen und wollen den Kopf auch nicht in den Sand stecken." Fehler aufarbeiten und abstellen, so lautet der THW-Plan bis Sonntag. Vier Tage zwischen den Saisonspielen zwei und drei, beinahe Luxus nach nur knapp 46 Stunden zwischen den zwei Auswärtsspielen zum Liga-Auftakt. "Es kam uns nicht gerade entgegen, dass wir nur einen Tag Pause hatten", sagt Trainer Alfred Gislason. "Man sieht, dass einige Spieler nach Olympia müde sind." Fragwürdig, warum der THW, der am Sonntagabend in Stuttgart den ersten Spieltag beschloss, als erstes Team bereits am Dienstag wieder antreten musste. Wetzlar hatte die Saison am Freitag gegen Berlin eröffnet, ging frisch ins zweite Heimspiel in Folge. Die Zebras waren so nicht beweglich genug und auch im Kopf nicht wach: Einfallslos, unkreativ, schwerfällig - sie liefen 60 Minuten lang hinterher. Eine Parallele zum Jahr 2012, die auch HSG-Trainer Kai Wandschneider ansprach. "Da hat uns Olympia auch schon mal sehr geholfen, als wir gegen einen müden HSV spielten", sagt er. Zur Kieler Müdigkeit gesellte sich fehlende Abstimmung. Die Automatismen griffen nicht, die Selbstverständlichkeit fehlte im THW-Spiel. "Acht bis neun Tage Vorbereitung sind einfach zu wenig", sagt Gislason. "Es wird Wochen bis Monate dauern, bis wir so richtig eingespielt sind." Dazu kommen schon jetzt personelle Probleme: Christian Dissinger, der noch mindestens zwei Monate ausfallen wird, hinterließ eine große Lücke im Abwehrverbund, die auch Rückkehrer Christian Zeitz bisher nicht schließen konnte. Domagoj Duvnjak ist angeschlagen, konnte seine Weltklasse auf der Spitze der 3:2:1-Deckung nicht voll ausspielen. Die Folge: In der offensiven als auch in der 6:0-Deckung fand Wetzlar immer wieder Löcher. Und hinter einer schwachen Abwehr war auch Andreas Wolff nicht gut, verlor das Torhüterduell gegen Benjamin Buric deutlich. Das hatte sich der 25-Jährige bei seiner Rückkehr nach Wetzlar anders vorgestellt, wo er mit warmem Applaus empfangen worden war. "Ich glaube nicht, dass ich diesen Tag in guter Erinnerung behalten werde", brummte Wolff nach der Partie ins ARD-Mikrofon. "Ich hatte mich auf das Spiel gefreut, und ich habe auch viele Bekannte gesehen, aber um meine Gemütslage zu beschreiben, braucht es keine großen Worte: ein Scheißgefühl." Eine echte Alternative hatte THW-Coach Gislason zu allem Überfluss nicht: Niklas Landin kam zwar für rund fünf Minuten auf die Platte, doch dem Dänen waren seine Rückenbeschwerden anzusehen, er konnte den Zebras nicht helfen. Auch Duvnjak, der in der vergangenen Saison oft genug die Kohlen aus dem Feuer holte, war in Wetzlar nicht auf der Höhe seiner Schaffenskraft. Die jungen Neuzugänge Lukas Nilsson und Nikola Bilyk zeigten gute Ansätze, sind aber noch nicht in der Lage, dieses Loch zu stopfen. Steffen Weinhold steckt Olympia noch in den Knochen, Marko Vujin ist nicht in Top-Form. In Wetzlar ließen die Zebras die Power aus dem Rückraum schmerzlich vermissen. "Wir wussten, dass die ersten Spiele sehr schwer werden würden", sagt Rune Dahmke. "Aber auch die fehlende Vorbereitung darf keine Ausrede sein." Der THW spielte schlecht, die Niederlage war verdient. Dennoch: "Im letzten Jahr haben wir auch sehr früh in Göppingen verloren, und trotzdem war die Meisterschaft bis zum Mai völlig offen", sagt Dahmke. "Es wird kein Team ohne Minuspunkte durchkommen." Und auch Alfred Gislason will am zweiten Spieltag noch keine Tendenz erkennen. "Wir wollen da natürlich ein Wort mitreden, auch nach der Niederlage", sagt der Isländer. "Aber bei uns ist keiner im Kopf bei einer Meisterfeier. Wir arbeiten von Spiel zu Spiel." (Von Niklas Schomburg, aus den Kieler Nachrichten vom 08.09.2016, Foto: Angela Grewe)