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KN: Auch der Kopf verlor zuletzt den Überblick

Bundesliga

KN: Auch der Kopf verlor zuletzt den Überblick

Kiel. Blickt Filip Jicha auf die vergangene Woche zurück, spart der Kapitän des Handball-Bundesligisten THW Kiel nicht mit Kritik – an sich. Und nur an sich. „Das war nicht die beste Phase in meiner Karriere“, sagt der Tscheche, der in den letzten drei Punktspielen der Zebras nur viermal getroffen hat. Die Mini-Krise des Leistungsträgers ist einer der Gründe, warum der Rekordmeister nur mit 6:4 Punkten gestartet ist und vor dem Heimspiel gegen die MT Melsungen (Sonntag, 17.15 Uhr) unter Druck steht.

Nach dem 32:29 (15:13)-Sieg der Kieler bei der HSG Wetzlar am vergangenen Freitag hatte Trainer Alfred Gislason seiner Mannschaft drei freie Tage spendiert. „Das war wichtig für Kopf und Seele“, sagte Jicha, der nach Prag flog, um auf andere Gedanken zu kommen. Spricht er heute über seine Leistung in Wetzlar, dann kann er schon wieder schmunzeln. „Am Ende haben der Trainer und meine Kollegen schon über mich gelacht“, sagt der 32-Jährige, der mit der Brechstange versuchte, seine Formkrise zu beenden. „Mir fehlt im Moment die Leichtigkeit, die muss ich mir im Training Schritt für Schritt wieder erarbeiten“, sagt Jicha, der in der vergangenen Saison, seiner siebten beim THW Kiel, einmal mehr seinen großen Wert unter Beweis gestellt hatte, als er die Kollegen trotz eines Außenbandanrisses als Meister über die Ziellinie zog. Der für den Absprung des Rechtshänders extrem wichtige linke Knöchel hat ihm den Gewaltakt lange nicht verziehen, so war er bei den Play-Off-Spielen seiner Tschechen gegen Serbien im Juni gar nicht so unglücklich, als er im Hinspiel früh die Rote Karte sah. „Ich war eigentlich gar nicht in der Lage zu spielen“, sagt der Welthandballer 2010. Im Rückspiel hätte er sich nur aufstellen lassen, weil es das letzte Länderspiel seines Freundes Daniel Kubes war. Jicha, im Rückraum zu Hause, sorgte als hinkender Kreisläufer dafür, dass die Tschechen sich überraschend für die WM 2015 in Katar qualifizierten. „Mein Fuß darf keine Ausrede sein, schließlich sind alle Handballer angeschlagen“, sagt er. „Springen kann ich inzwischen schon wieder ganz gut.“ Auf eine seiner Spezialitäten – eine dem Wurf vorgeschaltete Linkskurve – müsse er zwar noch verzichten. Er sei aber zuversichtlich, dass auch diese Variante eines Tages wieder möglich sein werde. Neben Wetzlar hatte die Horror-Woche für den sechsmaligen deutschen Meister weitere düstere Kapitel zu bieten: Auch in Balingen (21:22) und Hamburg (20:19) gelang ihm, der in der ewigen Torjägerliste der Zebras mittlerweile zur Nummer eins „Max“ Wislander (1332/1268) aufgeschlossen hat, nicht viel. „Ich entscheide mich derzeit immer für die schwierigste aller Möglichkeiten“, sagt Jicha. „Solche Wochen gibt es in einem Sportlerleben immer wieder, ich lasse mir deshalb auch keine Krise einreden.“ Der THW, der mit Jicha, Marko Vujin und Domagoj Duvnjak (HSV) die besten Feldtorschützen der vergangenen Saison vereint hat, zeigte bislang im Angriff ungewohnte Schwächen. Ein Virus, der nicht nur Jicha befiel. „Wir müssen Geduld lernen, die Titel werden nicht im September vergeben und Spiele nicht nach sieben Minuten entschieden.“ Würden sie im Oktober und November mit mehr Sinn und Verstand agieren, ließe sich der verpatzte Saisonstart wieder korrigieren. Es sei jetzt wichtig, einen Abschnitt zu beenden. „Mit Melsungen beginnt für uns ein neuer.“ Einen Vorteil hätte die Formkrise für ihn allerdings gehabt: Die Standardfrage („Was ist mit dem THW los?“) hätte ihm kaum einer gestellt. „Ich hatte so schlechte Laune, da traute sich das niemand.“ (von Wolf Paarmann, aus den Kieler Nachrichten vom 12.09.2014)