KN: Ein perfekter Donnerstag
Kiel. Der gestrige 28. März 2019 könnte in der Saison-Retrospektive als "Traum-Donnerstag" in die Geschichtsbücher des Handball-Rekordmeisters THW Kiel eingehen. Nicht etwa, weil die Zebras den Tabellenletzten Eulen Ludwigshafen unaufgeregt mit 37:21 (siehe THW-Spielbericht) an die Wand spielten und zugleich einen großen Schluck aus der Tordifferenz-Pulle nahmen. Nein, zeitgleich tat sich in den anderen Hallen der Handball-Bundesliga Bemerkenswertes.
Der THW Kiel schlägt die Eulen Ludwigshafen und bekommt jede Menge Schützenhilfe
Nicht nur brachte der arg abstiegsbedrohte VfL Gummersbach den THW-Verfolger Rhein-Neckar Löwen mit 28:23 ins Stolpern; der SC Magdeburg erweckte durch das 24:23 gegen die SG Flensburg-Handewitt (siehe unten) den Kieler Titeltraum zu neuem Leben.
Der THW am Abend ohne Drei: Neben Marko Vujin fallen auch Sebastian Firnhaber (Grippe) und Rückraum-Shooter Lukas Nilsson (Magen-Darm) aus. Im Angriff zieht Miha Zarabec die Fäden, Domagoj Duvnjak und Steffen Weinhold neben sich. Doch Akzente setzt zunächst nur einer: Rechtsaußen Niclas Ekberg funktioniert wie ein Uhrwerk, erzielt neun Treffer allein bis zur Pause. Nur ein vergebener Siebenmeter gegen Stefan Hanemann (9.) und ein weiterer Fehlwurf sind Schönheitsfehler in einer fulminanten ersten Hälfte.
In der haben die Zebras zunächst erneut defensive Probleme, können hier und da die "Tür" an den Kreis zu Kai Dippe nicht schließen. Die Eulen aus Ludwigshafen starten mit dem Mut eines Tabellenletzten, der sich bis zum 9:9 (16.) nicht verstecken muss, zwischenzeitlich sogar mit 6:5 - dieses Mal Dippe per Tempogegenstoß - in Führung geht (11.) und manchmal auch ein bisschen mehr Gustav Gans ist als Eule. Als Gunnar Dietrichs abgefälschter Ball ins Kieler Tor trudelt, liegt Niklas Landin bereits am Boden.
Er teile eine Partie in "Sequenzen à zehn Minuten“, hatte Ludwigshafens Trainer Ben Matschke vor der Partie erklärt und der Hoffnung Ausdruck verliehen, in einzelnen Sequenzen mit den Zebras "pari zu stehen". Der Eulen-Chefcoach darf anfangs partiell zufrieden sein. Nach zehn Minuten und 20 Sekunden steht es 5:5, auch das 12:9 in Minute 20 klingt noch nicht nach David gegen Goliath. "In der ersten Viertelstunde sind wir gefühlt zwölf Minuten im Angriff, der THW drei. Wir hatten permanent Stress", sagt Matschke dennoch. Stress - und zwar so richtig! Jetzt sind alle Türen in der Gästeoffensive verschlossen. Fast eine Viertelstunde lang zwischen dem 9:9 (16.) und dem 17:10 (30.) lassen Keeper Landin und seine Vorderleute gegen den munter rotierenden Tabellenletzten nicht viel zu. "Und dann", so Matschke, "lässt der THW auch einfach nicht nach".
Nicht nachlassen - so geht es in Halbzeit zwei weiter. "Jedes Tor zählt. Wir hatten vier weniger als Flensburg - das wollten wir ändern", sagt THW-Coach Alfred Gislason nach dem Abpfiff. Die zweite Halbzeit ist ein Abbild der ersten: Schaulaufen. Nach zehn Minuten im zweiten Abschnitt erzielt Niclas Ekberg seinen zehnten Treffer und stellt zum ersten Mal die Zeiger auf zehn Tore Vorsprung. Der Schwede ist der "Man of the Match", trifft 15-mal, hält Kurs auf den einsamen Vereinsrekord von Stefan Lövgren (18 Tore in einem Spiel am 13. September 2008 beim 42:40-Sieg bei den Rhein-Neckar Löwen). Und die anderen? Niklas Landin: fantastisch! Rune Dahmke: trickreich, glänzend! Steffen Weinhold: kraftvoll! Patrick Wiencek: brachial! Die Bälle, die hier und da über das leere Eulen-Gehäuse segeln? Geschenkt! "Wir sind jetzt wieder dichter dran", sagt Ekberg. Der könne jetzt nach seinem 15-Tore-Coup "eine oder vielleicht zwei Kisten Bier" (Wiencek) ausgeben. Und wenn aus diesem 28. März 2019 wirklich der "Traum-Donnerstag" wird, wäre es nicht verwunderlich, wenn noch ein paar Fässer mehr als Dankeschön von Kiel nach Magdeburg auf die Reise geschickt würden.
(Von Tamo Schwarz und Merle Schaack, aus den Kieler Nachrichten vom 29.03.2019, Foto: Sascha Klahn)