WM 2017: Deutschland schlägt auch Weißrussland
Deutschland wieder komplett
Ausgeglichene erste Halbzeit
Man merkte dem DHB-Team an, dass ihm die Umstellung zurück auf physisch ebenbürtige Gegner etwas schwer fiel. Die 6:0-Deckung wirkte im gesamten ersten Durchgang viel zu passiv, was insbesondere Spielmacher Pukhouski, Linkshänder Shylovich und der junge Kreisläufer Karalek auszunutzen wussten. Ihnen kam zudem zugute, dass Andreas Wolff zwischen den Pfosten nicht seinen besten Tag erwischt hatte. So entwickelte sich eine Partie auf Augenhöhe, die Führung wechselte ständig hin und her. Denn immerhin im Angriff wusste der Europameister über weite Strecken zu überzeugen: Fäth und Kühn ließen ihre "Fackeln" aus dem Rückraum los, und Uwe Gensheimer blieb vom Siebenmeterstrich weiterhin ohne Fehlwurf. Allerdings wurde es in der letzten Minute des ersten Durchgangs etwas brenzlig für die Bad Boys, als Kohlbacher mit seinem Wurf nur den Pfosten traf, Baranau Weißrussland in Führung warf und Kühn an Keeper Saldatsenka scheiterte. Der Mannschaft von Trainer Juri Schewzow ergab sich so die Chance auf eine Zwei-Tore-Halbzeit-Führung. Doch Yurynoks Gegenstoß landete am Außenpfosten, während Kai Häfner mit der Pausensirene zum 16:16-Ausgleich traf.
Blitzstart des Europameisters
Die deutsche Nationalmannschaft hatte Anwurf zur zweiten Halbzeit und holte direkt die erste Zeitstrafe gegen Shumak heraus. In Überzahl räumten die Bad Boys gleich zweimal über Groetzki ab, während auf der Gegenseite der mittlerweile eingewechselte Heinevetter gegen Shylovich zur Stelle war. Als Gensheimer dann ein Kreisanspiel vereitelte, war es erneut Groetzki, der beim 19:16 für die erste Drei-Tore-Führung der Partie sorgte. Auch wenn Karalek im Gegenzug verkürzte: Das DHB-Team war nun mit deutlich besserem Defensiv-Verhalten endgültig in der Partie angekommen. Gensheimer erhöhte nach einem von Wiencek herausgeholten Strafwurf, und nach Drux' 21:17 nahm Schewzow seine Auszeit.
Deutschland in doppelter Unterzahl
Letzte weißrussische Gegenwehr
Finale um den Gruppensieg am Freitag
Statistik: Weißrussland - Deutschland 25:31 (16:16)
Deutschland: Heinevetter (23.-60., 9 Paraden), Wolff (1.-23., 2 Paraden); Gensheimer (8/4), Lemke, Wiencek, Reichmann (1), Fäth (6), Groetzki (5), Häfner (2), Dahmke (n.e.), Kühn (5), Ernst, Pieczkowski, Kohlbacher, Drux (4)
Schiedsrichter: Khenissi/Boualloucha (Tunesien)
Siebenmeter: 0:5/4 (Matskevich hält Gensheimer (50.))
Zeitstrafen: 6:6 Minuten (2x Shumak (31., 56.), Tsitou (41.) - Wiencek (14.). Ernst (37.), Drux (39.))
Spielverlauf: 0:1, 1:1, 1:2, 3:2 (6.), 3:5, 4:5, 4:6, 7:6 (12.), 7:8, 10:8 (16.), 10:11, 11:11, 11:12 (21.), 13:12, 13:14 (25.), 14:14, 14:15, 16:15, 16:16; 16:19, 17:19, 17:21 (37.), 18:21, 18:24 (42.), 19:24, 19:25, 22:25 (49.), 22:26, 23:26, 23:28 (55.), 24:28, 24:30, 25:30, 25:31.
Zuschauer: 4524 (Kindarena, Rouen (FRA))
KN: Aus flach mach wach!
Rouen. Mit einem Erfolg der Kategorie „Arbeitssieg“ hat die deutsche Handball-Nationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft in Frankreich ihre weiße Weste in Gruppe C gewahrt. Nach dem mühsamen 31:25 (16:16) gegen Weißrussland genügt dem Team von Bundestrainer Dagur Sigurdsson im abschließenden Gruppenspiel am Freitag gegen Kroatien bereits ein Unentschieden, um als Gruppensieger in das Achtelfinale in Paris zu gehen. Im Falle einer Niederlage müsste die Auswahl des Deutschen Handballbundes (DHB) als Gruppenzweiter die (ungleich weitere) Reise nach Montpellier antreten. Alles beginnt mit zwei Einträgen in die Handball-Geschichtsbücher: Der Kieler Patrick Wiencek steht von Beginn an auf dem Feld – es ist sein 100. Länderspiel. Wenige Sekunden nach dem Anpfiff startet der Mannheimer Patrick Groetzki nach einem Ballgewinn einen Tempogegenstoß – er wird fortan als 4000. Torschütze der deutschen Handball-Nationalmannschaft bei Weltmeisterschaften in den Statistiken geführt werden. Mit dieser Herrlichkeit ist es schnell vorbei. In der dritten Minute drischt Wiencek den Ball weit über das Tor, Kai Häfner trifft den Pfosten (4.), und in der Abwehr bekommt das DHB-Team keinen rechten Zugriff auf starke Weißrussen, die – wie schon die Saudis – Schlagwürfe ins Ziel bringen, ihre Außen freispielen, das Match bis zur Pause (16:16) offen gestalten. „Wir haben zu wenig investiert, den Kampf nicht angenommen, alles war viel zu flach. Die Spieler haben irgendwie auf ein Signal gewartet, doch es kam nichts“, resümiert Bundestrainer Dagur Sigurdsson später. Das Signal sendet der Isländer schließlich selbst: Es wird laut in der Kabine, richtig laut. Das hat Seltenheitswert im deutschen Team, das wissen auch die Spieler. Aus flach mach wach! Groetzki, Groetzki, Groetzki – Der 4000er von den Rhein-Neckar Löwen trifft nach Wiederanpfiff dreimal in Folge (19:16/34.), während in der Abwehr jetzt Simon Ernst, Patrick Wiencek, Finn Lemke und Paul Drux weißrussische Wege versperren. Steffen Fäths Wucht (22:18/40.), Uwe Gensheimers Kaltschnäuzigkeit (24:18/42.), Julius Kühns Flughöhe (25:19/45.) entscheiden spät, aber rechtzeitig eine unnötig mühevolle Begegnung, die am Ende Spielzeit und Paraden von Silvio Heinevetter für alle bereithält. „Ich glaube, nach Chile und Saudi-Arabien war Weißrussland eine gute Vorbereitung auf das Gruppenfinale gegen Kroatien“, sagt der Kieler Torwart Andreas Wolff, dessen Arbeitstag zuvor nach nur 23 Minuten und drei Paraden beendet war. Unmittelbar nach dem Spiel freut sich Wolff schon wieder auf eine Kraftraum-Session mit seinem Kieler Teamkollegen Rune Dahmke. Nach den besseren Trainingseinheiten gegen Chile und Saudi-Arabien hat Deutschland in Halbzeit eins den Fokus verloren und nach der Pause wiedergefunden. „Intensität und Effektivität waren zwischendurch weg“, bestätigt auch Simon Ernst. „Jetzt kommen die Endspiele“, freut sich der Bundestrainer auf das Spiel am Freitag gegen Kroatien, ohne allzu viel vom möglichen Gruppensieg abhängig zu machen. Das Achtelfinale werde, so Sigurdsson, „so oder so schwer“. Abwehr-Riese Finn Lemke indes hatte sich mit den möglichen Spielorten bis Mittwochabend noch nicht einmal beschäftigt: „Wohin müssen wir als Gruppensieger? Na, dann ist es doch klar: Wir fahren nach Paris.“ (Von Tamo Schwarz, aus den Kieler Nachrichten vom 19.01.2017)