Energieschub nach Vier-Tore-Pausenrückstand: Zebras drehen Partie gegen den HC Erlangen
Eine Halbzeit lang stellten die Zebras die 10207 Zuschauer im Heimspiel gegen den HC Erlangen auf eine harte Probe. Dann sorgten die Fans auf den Rängen, der für Niclas Ekberg ins Spiel gekommene Sven Ehrig mit sechs Treffern und der insgesamt sieben Mal erfolgreiche Eric Johansson für einen Energieschub. Zusammen mit der sich steigernden Abwehr um Domagoj Duvnjak, ewiger Störfaktor für Erlangens Angriff im zweiten Durchgang, drehte der THW Kiel einen zwischenzeitlichen Fünf-Tore-Rückstand in einen 31:27 (12:16)-Sieg. Das Sahnehäubchen der Partie war in der 59. Minute das erste Tor des Kieler A-Jugendlichen Ben Szilagyi, der sich im Alter von 17 Jahren und 173 Tagen zum jüngsten Bundesliga-Torschützen in der Geschichte des THW Kiel warf.
Kieler lassen viele Chancen liegen
THW-Trainer Filip Jicha konnte am wärmsten Tag des Jahres seinen Abwehrchef Hendrik Pekeler zurück auf dem Feld begrüßen. Nach dessen Fußverletzung spielte er zwar mit Schmerzen, aber sorgte auf der zuletzt so sehr beanspruchten Position im Innenblock für Entlastung. Auch Rune Dahmke, nach Magnus Landins Handbruch letzer Profi-Linksaußen im Kader, biss auf die Zähne. Mit Problemen am Schienbein und in der Wade stellte er sich wie zuletzt in den Dienst der Mannschaft und erzielte insgesamt vier Treffer. Dahmke eröffnete die Partie mit dem 1:0 - es sollte für lange Zeit die letzte Führung für die Gastgeber gewesen sein. Denn Erlangen spielte ohne Furcht und mit einer hohen Effektivität im Angriff. Das konnte man von den Zebras im ersten Durchgang nicht behaupten: Sie erspielten sich tolle Chancen, zum Teil von Elias Ellefsen á Skipagøtu großartig in Szene gesetzt, ließen aber etliche der Gelegenheiten verstreichen.
Erlangen geht deutlich in Führung
Auf acht Paraden, fast alle im Eins-gegen-Eins, kam HCE-Keeper Klemen Ferlin allein im ersten Durchgang, ließ den THW-Toptorschützen Niclas Ekberg verzweifeln, hielt hinter der aggressiven und mit allen Wassern gewaschenen Erlanger Abwehr auch gegen die Rückraum-Schützen und die Kreisläufer. Hinten hingegen fanden die Zebras gegen die langen, auf den Punkt gespielten Angriffe der Franken kaum Mittel. Das schlug sich auch aufs Torwart-Spiel nieder, das der THW Kiel im ersten Durchgang klar verlor. So setzten sich die Erlanger nach Ekbergs fantastischem Leger zum 5:5 auf 8:5 ab, ließen sich dabei auch nicht von Filip Jichas früher erster Auszeit stoppen. Der HCE nutzte die Kieler Verunsicherung und erzielte durch Jeppsson in der 23. Minute das 14:9. Dahmke weckte die Halle mit dem 11:15 auf, Tomas Mrkva hielt gegen Seitz - und urplötzlich war Tempo und Kampf ins Kieler Spiel zurückgekehrt: Mit einem abgefäschten Wurf traf Harald Reinkind zum 12:15, doch Erlangen konterte erneut: Jeppsson traf zur verdienten 16:12-Halbzeitführung für die Gäste.
Zebras kommen wie verwandelt aus der Kabine
In der Pause fand Filip Jicha offenbar die richtigen Worte: Aus der Kabine kamen die Zebras wie verwandelt. Johansson traf, kurz darauf zog Pekeler ein Stürmerfoul, was Johansson mit einem tollen Dreher zum 14:16 nutzte. Und immer wieder Duvnjak: Der THW-Kapitän rückte in der Defensive auf die vorgezogene Position, störte den zuvor so fehlerfreien Spielaufbau der Franken und sorgte so für Ballgewinne. Nach seinem Steal schickte er Sven Ehrig auf die Reise, und der junge Kieler Rechtsaußen nagelte den Ball zum 15:16 in die Maschen. Ein Weckruf für die Fans, die Arena wurde mit zunehmender Spieldauer zu einem echten Tollhaus. Bereits nach 155 Sekunden nahm HCE-Coach Hartmut Mayerhoffer die Auszeit, wollte unbedingt ein rasantes Kippen der Partie verhindern. Mit Erfolg: Ein Doppelschlag brachte wieder drei Treffer zwischen die Schwarz-Weißen und die Gäste.
THW lässt sich nicht abschütteln
Doch dieses Mal ließen sich die Kieler nicht mehr abschütteln: Nikola Bilyk brachte seine ersten Treffer aufs Tableau, und nach Gömmels 18:20 war es Ehrig, der in der 40. Minute zum ersten Ausgleich nach der neunten Minute traf. Dann wurde es wild auf dem Feld: Mrkva wurde immer mehr zum Faktor, aber Obling hielt einen Siebenmeter von Ekberg. Zwischenzeitlich war Dahmke zur Bank gehumpelt, ließ sich von Physiotherapeut Kay Hagensen einen Verband anlegen. Im Trubel gingen die ersten Bundesliga-Minuten des U19-Linksaußen Ben Szilagyi beinahe unter, ehe Dahmke nach 48 Minuten zurück aufs Feld kam. Da hatten seine Zebras eine Überzahlsituation gedankenschnell genutzt: Zechel hatte einen Freiwurf ausgeführt, den Reinkind aufnahm und Patrick Wiencek bediente: Treffer ins leere Tor: 22:22!
Schlüsselszene von Dahmke und Pekeler
Die Kieler waren längst am Drücker, sorgten mit Duvnjaks ewigen Störmanövern für Druck auf die Erlanger Offensive, die zu Fehlern gezwungen wurde: Pekeler Steal verwandelte Ehrig zur ersten Kieler Führung nach dem 1:0, Heiny verzog, Johansson traf per Siebenmeter zum 24:22. Und als Ehrig kurz darauf an den Kreis einlief und das 25:22 erzielte, riss es die Fans von den Sitzen. Noch einmal kam Erlangen durch Heiny und einen von Steinert verwandelten Siebenmeter zurück, dann folgte die Schlüsselszene: Gedankenschnell hatte Dahmke aus der Ecke beim letztmöglichen Pass vor dem Zeitspiel den an den Kreis stürmenden Pekeler gefunden, der nur noch durch ein Foul zu stoppen war. Zeitstrafe Link, verwandelter Siebmeter von Johansson, Fehlpass Heiny - Tor Ehrig. Spätestens als Bilyk den Ball zum 28:24 ins Netz hämmerte, war der THW Kiel wirklich auf Kurs.
Szilagyis Premierentor
Als Dahmke drei Minuten vor dem Ende zum 29:24 traf, war die Partie entschieden und der Arbeitstag des "Kieler Jungs" beendet: Jicha schickte den in Kiel geborenen Ben Szilagyi noch einmal aufs Feld. Johansson und Duvnjak besprachen sich kurz: Johansson zog an, Duvnjak steckte den Pass auf Linksaußen durch, und Szilagyi traf nach schönem Flug ins lange Eck. Der Youngster strahlte, die Fans feierten den 17-Jährigen und die Zebras, die am Ende einen 31:27-Sieg nach Hause brachten und ihre Anhänger im zweiten Durchgang mit Spaß-Handball und großem Kampf begeistert hatten.
Freitag geht's nach Hamburg
Die Partie gegen den HC Erlangen war so etwas wie die schwarz-weiße Abschiedsvorstellung im April: Denn nach dem ersten und einzigen Heimspiel des Monats sind die Zebras in den kommenden Wochen bis zum Viertelfinal-Rückspiel am 2. Mai gegen Montpellier (jetzt Tickets sichern!) ausschließlich auswärts unterwegs. Am kommenden Freitag ist die Reise allerdings kurz: Um 20 Uhr treten die Zebras zum "kleinen Derby" beim wiedererstarkten Handballsportverein Hamburg an. Dyn überträgt diese Partie genauso live wie das Auswärtsspiel bei den Füchsen Berlin (21. April, 14:05 Uhr), das darüber hinaus auch im Free-TV im RBB zu sehen sein wird. Weiter geht’s in Hamburg, Kiel!
Fotos: saschaklahn.com / Pat Scheidemann
LIQUI MOLY Handball-Bundesliga, 28. Spieltag: THW Kiel – HC Erlangen 31:27 (12:16)
THW Kiel: Mrkva (13.-60., 7 Paraden), Bellahcene (1.-13., 2 Paraden); Ehrig (6), Duvnjak (1), Reinkind (2), Øverby, Weinhold, Wiencek (2), Ekberg (4/3), Johansson (7/2), Dahmke (4), Szilagyi (1), Wallinius (n.e.), Bilyk (3), Pekeler, á Skipagøtu (1); Trainer: Jicha
HC Erlangen: Obling (3 Siebenmeter, 1/1 Parade), Ferlin (1.-60., 12 Paraden); Heiny (5), Seitz (2), Bialowas, Bissel (2), Metzner, Svensson (3), Link (1), Buck, Jeppsson (2), Steinert (2/1), Olsson (3), Gömmel (3), Zechel (3), Bauer (1); Trainer: Mayerhoffer
Schiedsrichter: Julian Köppl / Denis Regner
Siebenmeter: THW: 6/5 (Obling hält Ekberg (43.)) / HCE: 1/1
Zeitstrafen: THW: 3 (Øverby (20.), Pekeler(24.), Szilagyi (60.)) / HCE: 7 (2x Link (5., 54.), Svensson (25.), 2x Zechel (28., 34.), Heiny (44.), Metzner (57.))
Spielfilm: 1. Hz.: 1:0, 1:2 (3.), 3:4, 5:5 (9.), 6:8 (15.), 6:10 (17.), 8:11, 8:13 (20.), 10:15 (25.), 12:15 (28.), 12:16;
2. Hz.: 15:16 (33.), 15:18 (35.), 17:18 (37.), 18:20 (39.), 20:20 (40.), 20:22 (43.), 25:22 (48.), 25:24 (52.), 29:24 (57.), 31:27.
Zuschauer: 10207 (Wunderino Arena, Kiel)
Stimmen zum Spiel:
THW-Trainer Filip Jicha: Ich habe heute zwei Halbzeiten gesehen. In der ersten Halbzeit hatten wir im Angriff nur eine Wurf-Effizienz von 40 Prozent – das ist zu wenig gegen einen HC Erlangen, der das gegen uns gut gespielt hat. Wir hatten uns in der Pause vorgenommen, uns Schritt für Schritt voranzuarbeiten. In der zweiten Halbzeit hat mir dann die Energie gefallen. Ich möchte Sven Ehrig danken, der von der Bank kam und unserem Spiel sehr viel Energie verlieh. Und ich möchte Eric Johansson danken, der in der zweiten Halbzeit seine Weltklasse zeigen konnte. Insgesamt ist es uns gelungen, unsere Effektivität im Angriff auf 80 Prozent zu steigern, zusammen mit der Abwehr, in der wir den Passgeber deutlich mehr unter Druck setzen konnten als im ersten Durchgang, hat uns das die Punkte gebracht. Zur zweiten Hälfte möchte ich meinen Jungs gratulieren. Morgen ist frei, Montag arbeiten wir weiter in Richtung Hamburg.
HCE-Trainer Hartmut Mayerhoffer: Ich will und muss meiner Mannschaft ein sehr großes Kompliment machen. Wir haben hier 50 Minuten auf Augenhöhe gespielt. Nach unserer fast perfekten ersten Halbzeit hatten wir dann Probleme im Angriff, uns hat der Zug zum Tor gefehlt. Der THW Kiel hat nach der Pause zusammen mit der Halle eine unglaubliche Energie auf die Platte gebracht. Wir haben uns dann von der Kieler Bereitschaft und der Halle den Mut rauben lassen.