THW Kiel gewinnt Offensivspektakel mit insgesamt 75 Toren gegen den TVB Stuttgart
Der THW Kiel machte in der LIQUI MOLY Handball-Bundesliga gegen gegen TVB Stuttgart genau da weiter, wie der glanzvolle 36:36-Mittwoch-Auftritt in der EHF Machineseeker Champions-League bei Industria Kielce endete: Mit atemberaubendem Angriffshandball. Gut, dass auch die schwäbischen Gäste torhungrig waren, großen Anteil an der intensiven, äußerst torreichen Partie hatten. So erlebten 10.071 begeisterte Fans am Sonntag in der Wunderino Arena ein atemloses Offensivspektakel. In den ersten 30 Minuten gab es 38 Treffer zu bestaunen, insgesamt ließen beide Teams 75-mal das Tornetz rekordverdächtig zappeln. Am Ende jubelten die Zebras über einen verdienten 39:36 (20:18)-Erfolg im Nord-Süd-Duell.
Handball-Gala mit Harald Reinkind als bestem Zebra-Schützen
Es war eine echte Handball-Gala, in der Harald Reinkind mit sechs Treffern der erfolgreichste Schütze für die Zebras war. Die weiteren Torerfolge verteilten sich praktisch querbeet auf das gesamte THW-Team. Selbst Torhüter Samir Bellahcene war in der Schlussphase mit seinem Wurf ins leere Stuttgarter Tor erfolgreich - sein erster Treffer für die Zebras riss die Fans von den Sitzen. Klar, dass sich auch Rechtsaußen Niclas Ekberg über die Torflut freute, allerdings nur über die eigene Ausbeute: "36 Gegentore in der eigenen Halle sind eindeutig zu viel", sagte der Schwede, der seine letzte Saison für die Zebras absolviert. "In der Abwehr fehlten oft wenige Zentimeter, um an den Ball zu kommen oder wir waren einen Schritt zu spät. Das bestraft der Gegner dann sofort."
Starker Start der Gäste
Filip Jicha hatte alle Mann an Bord, durfte auch gegen Stuttgart personell aus dem Vollen schöpfen. Der THW-Trainer startete mit Tomas Mrkva im THW-Tor, stellte zunächst Nikola Bilyk in die Angriffs-Mitte, begann mit Patrick Wiencek und Hendrik Pekeler im Abwehr-Mitelblock, setzte auf den Halbpositionen auf Eric Johansson und Harald Reinkind. Im Angriff lief es gut: Bilyk, Reinkind und Co. trafen. Doch die Stuttgarter hatten ebenfalls reichlich am Zielwasser genippt, gingen durch Röthlisberger in Führung, behaupteten diese bis zur 6. Minute. Dann war Mrkva zwei, dreimal zur Stelle, Bilyk belohnte die Paraden des THW-Keepers in der siebten Minute mit der ersten THW-Führung zum 5:4. Die Zebras bekamen das Heft in dieser abwechslungs- und temporeichen Begegnung in die Hand, hatten aber Mühe, sich gegen die ebenfalls schnellen und trickreichen Gäste abzusetzen.
Sehenswerte Treffer
Bilyk sorgte mit sehenswertem Solo in der 14. Minute beim 10:8 für den ersten Zwei-Tore-Vorsprung. Doch der TVB antwortete durch Lönn und Fernandez zum 10:10. Jicha wechselte fortan seinen Kader durch, gab jedem Spieler Anteile auf der Platte, wurde auch mit sehenswerten Aktionen belohnt. So der Einläufer von Ekberg, der das großartige Anspiel von Bilyk verwertete. Oder der Kracher unter die Latte von Elias Ellefsen á Skipagötu. Der THW erzielte wunderbare Tore am Fließband, kassierte aber auch zu viele Gegentore - vor allen Dingen über den Kreis. Petter Överby brachte die Kieler per Tempogegenstoß nach Ballklau von Ekberg in der 20. Minute mit 14:11 in Front. Reinkind knüpfte an seine großartige Leistung von Kielce an, war überragender Anspieler und traf bis zum Pausenpfiff selbst fünfmal ins Tor der Stuttgarter.
Knappe Kieler Pausenführung
Aber die Gäste blieben dran, ließen sich nicht abschütteln, überzeugten weiter vor allem durch erfolgreiches Kreisläufer-Spiel. Marino Maric war schon vor dem Wechsel viermal erfolgreich, traf insgesamt achtmal, verkürzte in der 30. Minute auf 19:18. Immerhin ließ Harald Reinkind es vor dem Pausenpfiff noch einmal krachen. Beim Seitenwechsel leuchtete das 20:18-Zwischenergebnis auf dem Arena-Würfel. "Wir haben große Probleme in der Abwehr", schüttelte Linksaußen Magnus Landin den Kopf. "Vorne haben wir 20-mal getroffen. Das ist genug. Unsere Abwehrleistung muss in der zweiten Halbzeit aber besser werden."
Zebras drücken aufs Tempo-Pedal
Die Abwehrleistung wurde besser, über weite Strecken der zweiten 30 Minuten jedenfalls. Samir Bellahcene war gleich zu Beginn erfolgreich, parierte gegen den frei vor ihm auftauchenden Kai Häfner. Johansson veredelte die Glanztat seines Torhüters zum 21:18, war wenig später mit einem 119-km/h-Kracher unter das Torgebälk zum 22:18 erfolgreich. Pfattheicher verkürzte, Lönn traf ebenfalls, doch die Kieler kamen in den Flow. Sie bestraften die Gäste mit Ballgewinnen, Rune Dahmke traf ins leere Gästetor, Patrick Wiencek brachte den Ballklau von Ekberg ebenfalls im verwaisten Stuttgarter Tor unter. Als Bilyk in der 39. Minute per sensationellem Unterarmwurf einnetzte, lagen die Zebras mit 27:20 vorn: In der Wunderino Arena wurde es noch lauter, die Fans waren begeistert vom Kieler Tempohandball.
THW greift in den Zauberkasten
Der THW hatte die Partie jetzt fest im Griff, zauberte weiter, begeisterte seine Fangemeinde. Rune Dahmke traf nach Ehrig-Anspiel per Kempa, bediente wenig später Patrick Wiencek mit unglaublichem Auge für dessen Klasse-Tor. Nach 49 Minuten lagen die Zebras mit 32:25 in Front. So ging es weiter: Ballklau von Duvnjak, Karl Wallinius traf zum 37:32. Tor Nummer 39 erzielte dann Samir Bellahcene, der das Spielgerät in der 57. Minute nach eigener Glanzparade gegen Ivankovic zum 39:33 ins gegnerische Tor beförderte, sich von Mitspielern und Fans feiern ließ. Und Tor Nummer 40? Fiel nicht mehr, die Zebras hatten offenbar im dritten Spiel innerhalb einer Woche ihr Pulver verschossen. Mit einem abschließenden 3:0-Lauf gestaltete Stuttgart die Partie am Ende versöhnlich. Die Fans in der Wunderino Arena feierten trotzdem ihre Mannschaft mit stehenden Ovationen, die sich zwei wichtige Zähler gesichert hatte und nun mit Selbstbewusstsein in die nächsten Aufgaben gehen kann.
Donnerstag erstes Königsklassen-Finale gegen Pelister
Denn für die Zebras geht es weiter im steten Wechsel zwischen LIQUI MOLY HBL und Machineseeker EHF Champions League: Am Donnerstag steht für den THW Kiel das erste von noch drei Finalspielen um den Gruppensieg in der europäischen Königsklasse auf dem Programm. Zu Gast ist dann der nordmazedonische Meister HC Eurofarm Pelister. Gegen den wollen die Kieler unbedingt gewinnen, um weiterhin die direkte Viertelfinal-Qualifikation in den eigenen Händen zu haben. Anwurf in der Wunderino Arena ist um 18:45 Uhr, Tickets für dieses Heimspiel gibt’s bei CITTI, unter www.thw-tickets.de und in der THW-FANWELT. Weiter geht’s gegen Pelister, Kiel!
Text: Reimer Plöhn / Fotos: Sascha Klahn
LIQUI MOLY Handball-Bundesliga, 22. Spieltag: THW Kiel – TVB Stuttgart 39:36 (20:18)
THW Kiel: Mrkva (1.-21., 3 Paraden), Bellahcene (21.-60., 7 Paraden, 1 Tor); Ehrig (1), Duvnjak, Reinkind (6), Landin (1), Øverby (1), Weinhold (1), Wiencek (4), Ekberg (5/2), Johansson (4), Dahmke (4), Wallinius (1), Bilyk (4), Pekeler (4), á Skipagøtu (2); Trainer: Jicha
TVB Stuttgart: Vujovic (1.-27., 40.-60., 7 Paraden),Tschentscher (27.-40., 3 Paraden); M. Häfner (3), Serrano (1), Fernandez (5/1), Hanusz, Lönn (4), Ivankovic (4), Röthlisberger (5), Forstbauer (3), Zieker (2), Pfattheicher (2), Maric (8), K. Häfner (2); Trainer: Schweickardt
Schiedsrichter: Marvin Cesnik / Konas Konrad
Siebenmeter: THW: 2/2 / TVB: 1/1
Zeitstrafen: THW: 2 (Duvnjak (34.), Øverby (47.)) / TVB: 2 (Ivankovic (18.), Röthlisberger (36.))
Spielfilm: 1. Hz.: 0:1, 2:1, 2:3 (4.), 5:4 (6.), 8:8 (12.), 10:8, 10:10 (15.), 12:11 (18.), 14:11 (20.), 17:14 (23.), 19:16 (27.), 19:18 (30.), 20:18;
2. Hz.: 22:18 (34.), 23:20 (35.), 27:20 (39.), 29:22 (42.), 32:25 (48.), 32:27 (50.), 34:27, 34:29 (52.), 36:31 (55.), 39:33 (58.), 39:36.
Zuschauer: 10071 (Wunderino Arena, Kiel)
Stimmen zum Spiel:
TVB-Trainer Michael Schweickardt: Glückwunsch an den THW Kiel. Wenn man 39 Tore wirft, ist es ein verdienter Sieg. Ich habe heute zwei unterschiedliche Seiten des Handballfeldes gesehen. Offensiv waren wir gut bis sehr gut. Wir werfen 36 Tore, haben eine Wurfquote von 70 Prozent, auch wenn uns die Kieler in der Abwehr sehr weit weggepresst haben. Da hatten sie es vor allen Dingen auf Kai Häfner abgesehen, den sie unbedingt vom Kreis weghalten wollten. Trotzdem war das eine Angriffsleistung, mit der wir leben können. Defensiv sind 39 Gegentore einfach zu viel. Wir haben es zu wenig geschafft, Druck aufzubauen. Insgesamt wird das Ergebnis am Ende noch mit einer Drei-Tore-Niederlage besser, weil wir am Schluss aufholen können. Eigentlich war das Spiel spätestens ab Mitte der zweiten Halbzeit sehr deutlich.
THW-Trainer Filip Jicha: Ich könnte mich Michaels Worten einfach anschließen. Auch ich bin sehr zufrieden mit unserem Angriff, mit der Quote, mit der Effizienz aus dem Positions-Angriff. Aber wir haben nicht wie gewohnt zu unserer Abwehrleistung gefunden. Der TVB hat ständig Druck gemacht, das hat viele Räume für die Kreisläufer geschaffen. Daran müssen wir arbeiten. Jetzt müssen wir Wunden lecken und starten morgen die weitere harte Arbeit an unserem Weg.
THW-Rechtsaußen Niclas Ekberg: Wir sind diesen Spiel-Rhythmus gewohnt, und unsere Fans dürfen erwarten, dass wir konzentriert zur Sache gehen. Ich bekomme immer noch Gänsehaut, wenn ich vor dieser wahnsinnigen Fan-Kulisse spiele.