Zebras erkämpfen sich zum ersten Mal seit 13 Jahren einen wichtigen Punkt in Kielce
Wahnsinn! Der THW Kiel holt bei Industria Kielce einen Punkt und nimmt zum ersten Mal seit fast 13 Jahren etwas Zählbares aus der Hölle "Hala Legionow" mit. Die Partie, ein Klassiker der Machineseeker EHF Champions League, war ein fantastisches Handballspiel mit allen Zutaten gespickt, die dieser Sport bieten kann. Am Ende trennten sich Industria Kielce und der THW Kiel im elften Gruppenspiel der Königsklasse mit 36:36 (15:17). Der Punktgewinn beim Team von Kielce-Trainer Talant Dujshebaev könnte in der Endabrechnung der Gruppe A noch einmal von ganz großer Bedeutung werden. Den verdienten Punktgewinn hatten die Kieler vor am Ende ihrem abgezockten Rechtsaußen Niclas Ekberg zu verdanken, der fast mit dem Schlusspfiff die Nerven behielt, den letzten blitzschnell vorgetragenen Angriff über Hendrik Pekeler und Domagoj Duvnjak am starken Andreas Wolff vorbei zum Unentschieden in die Maschen jagte.
Hochverdienter Punktgewinn
Es war ein hochverdienter Punktgewinn für die Zebras, die fast über die gesamte Spielzeit in Führung gelegen hatten und das bessere Team im Aufeinandertreffen der europäischen Handball-Giganten waren. Am Ende übernahm Kielce noch einmal das Zepter, führte kurz vor Schluss mit zwei Toren. Doch mit einer Energieleistung, Mut und Leidenschaft nahmen die Zebras erstmals seit 13 Jahren etwas Zählbares mit aus Kielce. Die Kieler verteidigten damit vor 4200 lärmenden Fans in der rappelvollen Hala Legionow ihre Tabellenführung in der Gruppe A, hielten Kielce auf Distanz und machten einen Schritt in Richtung direkter Viertelfinal-Qualifikation in der Königsklasse. Beste Kieler Torschützen mit jeweils sieben Treffern waren Eric Johansson und Niclas Ekberg.
Zebras mit gutem Start
Schon vor der Partie machten die Kielce-Fans einen Höllenlärm, Spieler und Zuschauer wussten um die große Bedeutung des Spitzenspiels in der Königsklasse. Den besseren Start erwischte der polnische Abonnementsmeister, zweimal Tournat und Nahi legten die schnelle 3:1-Führung vor. Eric Johansson hatte zum 1:1 getroffen. Dann bekamen die Kieler das Geschehen auf der Platte mehr und mehr in den Griff, profitierten vor allem von Harald Reinkinds Treffsicherheit: Der Norweger netzte bis zum Pausenpfiff fünfmal ein, war die erhoffte starke Rückraum-Kraft. Tor Nummer drei von Reinkind brachte dem THW in der 8. Minute das 5:5-Remis. Ekberg, glänzend von Domagoj Duvnjak in Szene gesetzt, sorgte für die erste Führung der Zebras, die Hendrik Pekeler wenig später zum 7:5 erhöhte. Drei Tore legten die Zebras wenig später nach dem Steal von Ekberg vor, gingen nach 15 Minuten mit 9:6 in Front.
Kieler kontern Kielcer Attacken
Kielce-Trainer Talant Dujshebaev tobte an der Seitenlinie, war unzufrieden mit seinen Spielern und den Schiedsrichtern. Als Ekberg in der 20. Minute beim Stand von 10:9 für Kiel per Siebenmeter an Wolff scheiterte, drohte die Partie zu kippen. Aber die Zebras blieben eiskalt, antworteten mit einem Tempogegenstoß durch Magnus Landin und den Rückraum-Treffer von Karl Wallinius: Kiel lag 12:9 vorn, hatte aber in Unterzahl Probleme mit den vehement attackierenden Polen. Trotzdem steckten die Zebras auch den folgenden 3:0-Lauf der Polen durch Sicko, Alex Dujshebaev und Nahi ungerührt weg, drehten das 12:12 schnell in einem erneuten Drei-Tore-Vorsprung um: Reinkind, Elias
Halbzeitführung für die Zebras
Ellefsen á Skipagötu und Landin waren bis zur 29. Minute für die 16:13-Führung verantwortlich. "Skippy" musste bei seinem Treffer einen harten Schlag gegen den Kopf einstecken. Die Zeitstrafe, die Kielces französisches Rauhbein Dylan Nahi dafür kassierte, hätte gut auch die Farbe "Rot" verdient gehabt. Der überragende Duvnjak erzielte nach grandiosem Johansson-Anspiel wenig später das 17:14, nach dem 15:17-Anschluss der Gastgeber ertönte die Halbzeitsirene.
Starker THW bleibt vorn
Die Kieler machten nach dem Pausenpfiff dort weiter, wo sie aufgehört hatten - mit glänzendem Angriffsspiel. Duvnjak lief ein, jagte das Anspiel von Eric Johansson an Wolff vorbei in die Kielce-Maschen. Dann waren Petter Överby und erneut Reinkind zur Stelle: 20:17 für den deutschen Rekordmeister. Als Pekeler dann mit einem Dreher an Wolff scheiterte, vollendete Karacic einen weiteren 3:0-Lauf der Gastgeber zum 21:21. Die Zuschauer rasteten aus, hofften auf die Wende. Doch Kiel antwortete prompt - ebenfalls mit einem 3:0-Lauf. Die Torschützen: Duvnjak, Pekeler und der immer präsenter werdende Johansson, der Andreas Wolff unnachahmlich tunnelte. Die Zebras lagen wieder vorn: 24:21. So ging es weiter: Die Zebras legten vor, Kielce lief hinterher, ließ aber den Kontakt zum THW Kiel nie abreißen.
Kielce übernimmt das Ruder
Und dann schien es wie so häufig im Hexenkessel von Kielce zu laufen: Eine Reihe von Fehlern der mit Leidenschaft und Mut agierenden Zebras bestraften die Gastgeber eiskalt. In der 53. Minute traf Alex Dujshebaev zum 31:30. Die Halle wurde noch ohrenbetäubender, doch Nikola Bilyk - in der Crunchtime gekommen - konterte augenblicklich zum Ausgleich. Ekberg verwandelte den Tempogegenstoß der Zebras zur erneuten 32:31-Führung. Doch Kielce witterte jetzt die Chance, das Spiel für sich zu entscheiden. Sicko und Daniel Dujshebaev trafen in der 56. Minute zum 34:32. Außerdem kassierte Petter Överby seine dritte Zeitstrafe, sah Rot. Und die Kieler gingen in die wichtige Schlussphase in Unterzahl. Aller Kampf, aller Einsatz also wieder vergeblich?
Ekberg trifft zum Unentschieden
Mitnichten! Nikola Bilyk traf mit großartiger Einzelleistung zum 33:34, Samir Bellahcene rettete gegen Daniel Dujshebaev. Und im Gegenzug war Bilyk erneut zur Stelle, traf mit einem frechen Dreher zum 34:34. Der Rest war nichts für schwache Nerven: Sicko brachte Kielce erneut in Front. Ekberg schnappte sich einen Abpraller, wurde beim Wurf gefoult, verwandelte den fälligen Siebenmeter dann eiskalt zum 35:35. Die Folge: Talant Dujshebaev nahm 30 Sekunden vor dem Schlusspfiff eine Auszeit, neun Sekunden vor dem Abpfiff traf Karacic dann tatsächlich zum 36:35 in die Kieler Maschen. Doch die Zebras reagierten blitzschnell: Anwurf durch Hendrik Pekeler auf Domagoj Duvnjak, dann der gescheite Pass auf den durchgestarteten Niclas Ekberg. Und der Schwede drosch den Ball in die Maschen, der Jubel der Heim-Fans verstummte: Jetzt feierten die Zebras mit ihren zwei mitgereisten Fans. Hochverdient!
Heimspiel am Sonntag gegen Stuttgart
Fünf Tage und zwei Spiele nach dem Aufbruch in Altenholz am vergangenen Samstag kehren die Zebras am Donnerstag wieder zurück in die Landeshauptstadt, wo bereits am Nachmittag die Vorbereitung auf die nächste Partie beginnt. Denn bereits am Sonntag ist der THW Kiel wieder in der LIQUI MOLY HBL gefordert: Zu Gast ist ab 16:30 Uhr in der Wunderino Arena der TVB Stuttgart, Tickets für dieses und die zweite weiteren Heimspiele in der kommenden Woche gibt’s unter www.thw-tickets.de und in der THW-FANWELT. Weiter geht’s gegen Stuttgart, Kiel!
Text: Reimer Plöhn / Fotos: Industria Kielce
Machineseeker EHF Champions League, 11. Spieltag: Industria Kielce - THW Kiel 36:36 (15:17)
Industria Kielce: Wałach, Mestric, Wolff (1.-60., 12/1 Paraden); Olejniczak (1), Wiaderny (1) , Sicko (6/1), A. Dujshebaev (6/1), Tournat (7), Karacic (3), Moryto (2), D. Dujshebaev (3), Thrastarson, Surgiel, Paczkowski, Nahi (6); Trainer: T. Dujshebaev
THW Kiel: Mrkva (31.-43. und 1 Siebenmeter, 1/1 Parade), Bellahcene (1.-30., 43.-60., 6/1 Paraden); Ehrig (n.e.), Duvnjak (4), Reinkind (6), Landin (2), Øverby (1), Weinhold, Wiencek (1), Ekberg (7/2), Johansson (7), Dahmke, Wallinius (1), Bilyk (3), Pekeler (2), á Skipagøtu (2); Trainer: Jicha
Schiedsrichter: Marko Boricic / Dejan Markovic
Siebenmeter: Kielce: 4/2 (Mrkva hält Karacic (10.), Bellahcene hält Sicko (49.)) / THW: 3/2 (Wolff hält Ekberg (20.))
Zeitstrafen: Kielce: 3 (Karacic (14.), Nahi (28.), Sicko (35.)) / THW: 6 (3x Øverby (17., 33., 57.), Wiencek (23.), Dahmke (39.), Weinhold (50.)
Rote Karte: Øverby (3. Zeitstrafe (57.))
Spielfilm: 1. Hz.: 1:1, 3:1 (4.), 4:2 (5.), 4:4 (7.), 5:5, 5:7 (11.), 6:9 (15.), 7:10 (17.), 9:10 (19.), 9:12 (21.), 12:12 (24.), 13:13 (26.), 13:16 (28.), 15:17;
2. Hz.: 15:18, 16:19 (32.), 18:21 (34.), 21:21 (36.), 21:24 (38.), 23:24, 23:26 (42.), 25:26 (44.), 26:28 (46.), 28:30 (51.), 31:30 (54.), 31:32 (55.), 34:32 (58.), 34:34 (58.), 36:35 (60.), 36:36.
Zuschauer: 4200 (ausverkauft) (Hala Legionow, Kielce (POL))
Stimmen zum Spiel:
THW-Trainer Filip Jicha: Die Zuschauer hatten heute die Möglichkeit, Weltklasse-Handball zu sehen. Wir lagen lange vorn, wussten aber genau, dass Kielce zurückkommen und um jede Chance kämpfen würde. Fünf Minuten vor Schluss waren sie dann vorn. Aber ich bin sehr stolz auf meine Jungs, wie sie mit Leidenschaft, harter Arbeit und ganz viel Mut doch noch diesen Punkt gewonnen haben. Dieser kann am Ende Gold wert sein, oder auch nicht. Gold wert war aber auf jeden Fall der Charakter, den meine Jungs heute gezeigt haben.
Kielces Trainer Talant Dujshebaev: Es war ein großes Spiel, ein großer Kampf. Jeder kann sich über den einen Punkt ärgern oder enttäuscht sein. Ich sehe ihn als positives Resultat für uns, weil der THW Kiel lange vorn lag. Am Ende waren wir mit zwei Toren in Führung, Kiel kam noch einmal zurück. Ich denke, das Unentschieden geht in Ordnung.
THW-Rechtsaußen Niclas Ekberg: Es war ein großes Match mit ganz viel Tempo und ganz vielen unterschiedlichen Arten, Handball zu spielen. Ich bin sehr glücklich, dass es uns endlich gelungen ist, hier in Kielce zumindest einen Punkt zu holen – vor allen Dingen, wenn man betrachtet, wie das Spiel am Ende lief. Ich bin sehr stolz, diesen Punkt hier gewonnen zu haben. Was er wert sein kann, wird man am Ende sehen.
Kielces Außen Dylan Nahi: Es war ein unglaublich intensives Match, so wie man Handball sehen möchte. Glückwunsch an den THW Kiel zu dem Punkt, und Glückwunsch an meine Mannschaft zu dem Punkt.