Die Zebras zeigen Moral und erkämpfen sich einen Punkt gegen Aalborg
Eine tolle Moral gezeigt, zweimal einen Drei-Tore-Vorsprung aufgeholt, zwischenzeitlich geführt und am Ende von 60 hochdramatischen Minuten eines echten Top-Duells in der Machineseeker EHF Champions League doch ein bisschen enttäuscht: Der THW Kiel ging gemeinsam mit seinen großartigen Fans am späten Mittwochabend durch ein Wellenbad der Gefühle. Letztlich holten die Zebras gegen Aalborg Handbold beim 36:36 (18:17)-Unentschieden einen wichtigen Punkt, das Duell zwischen den Tabellennachbarn der Gruppe B blieb ohne Sieger.
Eric Johansson bester Torschütze
Zwölf Sekunden vor dem Abpfiff tippte THW-Trainer Filip Jicha auf den Button, nahm die letzte Auszeit beim Stande von 36:36, die Fans hofften auf den siegbringenden Treffer. Das Glück war allerdings - wie so häufig an diesem spektakulären Handballabend - nicht auf Seiten des THW Kiel, Nikola Bilyk zielte einige Zentimeter neben das Tor. Die Dänen stehen dadurch in der Tabelle mit jetzt 7:5 Punkten weiter vor den Kielern, die jetzt 5:7 Zähler aufweisen. Bester Kieler Torschütze war erneut Neuzugang Eric Johansson, der neunmal für den THW Kiel traf, Nikola Bilyk war siebenmal erfolgreich. Bei den Gästen trug sich Mikkel Hansen siebenmal in die Torschützenliste ein, sechsmal traf der Olympiasieger von der Siebenmeterlinie.
Voigt mit fünf Treffern
Filip Jicha musste erneut improvisieren, fehlen ihm doch weiterhin fünf verletzte Spieler aus seinem Kader, nämlich Hendrik Pekeler, Sander Sagosen, Magnus Landin, Sven Ehrig und Rune Dahmke. Die 6726 Fans in der Wunderino Arena, darunter rund 200 Dänen, erfreuten sich dennoch über einen erfrischenden Auftritt der Mannschaft, in der Malte Voigt zum zweiten Mal die verwaiste Linksaußenposition mit Leben und Torgefahr füllte. Der 29-jährige erzielte nach feinem Anspiel von Eric Johansson auch den 1:1-Ausgleich, nachdem Nielsen die Gäste in Führung gebracht hatte. Insgesamt brachte Voigt es auf fünf sehenswerte Treffer von der Außenposition, stand auch seinen Mann in der Abwehr. Die Anfangsphase gehörte allerdings Aalborgs Mads Hoxer, der viermal in den ersten sieben Minuten traf, Torhüter Niklas Landin bis zum 4:6 keine Abwehrchance gab. Nach zehn Minuten lag das Team um Superstar Mikkel Hansen gar mit 8:5 vorn, Aaron Palmarsson traf in Überzahl ins leere Tor seiner ehemaligen Kieler Mitspieler.
Kieler kämpfen sich zurück
Drei Tore lagen die Kieler auch nach 13 Minuten hinter den Gästen zurück, Mikkel Hansen verwandelte seinen ersten Siebenmeter zum Stand von 11:8 für das Team von Trainer Stefan Madsen. Filip Jicha reagierte, stellte Tomas Mrvka zwischen die Kieler Pfosten, Niklas Landin hatte gegen seine Landesleute nicht ins Spiel gefunden. Kollege Mrvka war dann sofort hellwach, parierte gegen Barthold, Möllgaard und Björnsen, sorgte für Pfeffer im Spiel seiner Kollegen. Die dankten mit dem 9:11 von Harald Reinkind, Malte Voigt vollendete den Tempogegenstoß zum 10:12, Mrkva partierte zum fünften Mal, Ekbergs verwandelte einen Siebenmeter, und Petter Överby veredelte ein Traum-Anspiel von Johansson zum 12:12 - die Zebras waren zurück! Die Gäste antworteten, zogen durch Hansen und Björnsen auf 15:13 davon, doch weitere Glanztaten von Tomas Mrkva brachten die Zebras wieder heran. Patrick Wiencek vollendete ein glänzendes Anspiel von Miha Zarabec zum 14:15, Malte Voigt zum umjubelten 15:15, und als Nikola Bilyk den Ball nach 28 Minuten mit Wucht an Nationalkeeper Simon Gade vorbei ins Aalborger Netz schleuderte, lagen die Zebras erstmals vorn, Harald Reinkind war dann für den 17:16-Halbzeitstand verantwortlich. Mit einem Kracher aus dem Rückraum.
Erneuten Drei-Tore-Rückstand egalisiert
Die ersten Minuten der zweiten Halbzeit gehörten dann wieder den Gästen - und dem jungen Eric Johansson. Kiels 21-jähriger schwedischer Neuzugang stemmte sich mit großartigen Anspielen, krachenden Rückraumwürfen und zuletzt auch Treffern von der Siebenmeterlinie gegen die anfängliche dänische Dominanz. Dreimal hatte der Schwede in den ersten 30 Minute getroffen, gar sechs Tore ließ er in Halbzeit zwei folgen, zweimal von der Siebenmeterlinie. Johanssons Tore, die jetzt offensive 3:2:1-Abwehr mit Domagoj Duvnjak an der Spitze und der sich immer mehr in eine Führungsrolle spielende Nikola Bilyk hielten die Kieler Ambitionen auf einen Sieg hoch. Jesper Nielsen brachte die Gäste nach 45 Minuten beim 27:24 zwar erneut mit drei Toren nach vorn, doch Bilyk, Patrick Wiencek und Steffen Weinhold schlugen zurück, 29:29 nach 48 Minuten. Eric Johansson sorgte mit dem 30:29 dann für die Wende, und als der Schwede nach 54 Minuten zum 32:30 traf, stand die Halle Kopf, der Sieg war greifbar nahe. Doch Aalborg schlug zurück: Claar und Hansen glichen aus, sorgten für ein hochdramatisches Finale, in dem Linksaußen Barthold 30 Sekunden vor dem Ende zum Ausgleich traf.
Wiencek nicht ganz zufrieden
Die Kieler Fans, die ihre Mannschaft auch in schwierigen Phasen der Partie großartig unterstützen, hatten einen großen Kampf zweier europäischer Spitzenmannschaften gesehen. Die Zebras hatten den dänischen Superstars um ihren Weltklassemann Mikkel Hansen dabei alles abverlangt, sich für die Schmach bei der 30:38-Pleite vom vergangenen Donnerstag in Nantes rehabilitiert. "Ganz zufrieden kann ich nicht sein", sagte THW-Kreisläufer Patrick Wiencek, "wir hatten uns vorgenommen zu gewinnen. Allerdings bin ich mit dem Kampf, dem Einsatz der Mannschaft sehr zufrieden. Wir haben Moral bewiesen, haben alles gegeben. Wir hatten nach Nantes aber auch etwas wiedergutzumachen."
Samstagabend Heimspiel gegen Lemgo
Samstagabend, 20:30 Uhr: Eine ungewöhnliche, und doch spannende Zeit für ein Spiel in der stärksten Liga der Welt. Auf jeden Fall eine, mit der man einen spannenden Samstag passend beschließen oder in eine aufregende Nacht starten kann – und das am besten in der Wunderino Arena! Der THW Kiel empfängt den TBV Lemgo Lippe zum Kampf um wichtige Punkte in der LIQUI MOLY HBL, und die Zebras setzen auch in dieser Partie auf die Unterstützung ihrer Fans. Tickets gibt es noch bei CITTI, in famila-Märkten mit Ticketservice, online unter www.thw-tickets.de und in der THW-FANWELT, die am Samstag von 10 Uhr bis zum Anpfiff geöffnet haben wird: Weiter geht’s zu Hause, Kiel!
Text: Reimer Plöhn / Fotos: Sascha Klahn
Machineseeker EHF Champions League, 6. Spieltag: THW Kiel – Aalborg Handbold 36:36 (17:16)
THW Kiel: N. Landin (1.-13., 48.-60., 1 Parade), Mrkva (13.-48., 10 Paraden); Duvnjak (1), Reinkind (5), Øverby (1), Weinhold (2), Wiencek (2), Ekberg (2/2), Fraatz (2), Johansson (9/2), Zarabec, Voigt (5), Schwormstede (n.e.), Wallinius (n.e.), Bilyk (7); Trainer: Jicha
Aalborg Handbold: Gade (1.-45., 50.-60., 9/2 Paraden), Aggefors (45.-50., keine Parade); Jakobsen, Palmarsson (6), Klöve, Barthold (4), Claar (3), Nielsen (5), Sandell (2), Hoxer (5), Björnsen (1), Flodman (3), Möllgaard, Antonsen, Hansen (7/6), Ladefoged; Trainer: Madsen
Schiedsrichter: Vaclav Horacek / Jiri Novotny (CZE)
Zeitstrafen: THW: 1 (Øverby (10.)) / Aalborg: 3 (Möllgaard (1.), Hoxer (36.), Nielsen (40.))
Siebenmeter: THW: 6/4 (Gade hält zweimal Ekberg (1., 37.)) / Aalborg: 6/6
Spielverlauf: 0:1, 3:3 (5.), 3:5, 5:6 (9.), 5:8 (10), 8:11 (13.), 10:11 (16.), 12:12 (21.), 13:15 (25.), 16:15 (29.), 17:16;
17:17, 20:20 (36.), 20:23 (39.), 22:25 (42.), 24:27, 26:27 (45.), 27:29 (47.), 30:30 (51.), 32:30 (54.), 32:32 (55.), 36:35 (59.), 36:36 (60.).
Zuschauer: 6727 (Wunderino Arena, Kiel)
Stimmen zum Spiel:
THW-Trainer Filip Jicha: Das Unentschieden ist fair, auch wenn wir die Chance hatten, mit dem letzten Wurf den Sieg zu holen. Wir hatten in der zweiten Halbzeit nur zwei Paraden, dann kann man ein solches Spiel nicht gewinnen. Du brauchst diese Unterstützung, um hier zwei Punkte zu holen. Wir gehen durch harte Zeiten mit sehr vielen Spielen, und einige meiner Spieler sind schon deutlich über ihrem Energielevel. Deshalb bin ich vor allem auf meine jungen Spieler wie Eric Johansson, Yannick Fraatz und Malte Voigt heute besonders stolz. Sie haben ohne Angst gespielt. Insgesamt bin ich glücklich darüber, dass wir heute wieder das wahre Gesicht des THW Kiel gezeigt haben. Du darfst niemals aufgeben, wenn du die Organisation THW Kiel repräsentierst - und das habe ich heute gesehen.
THW-Kapitän Patrick Wiencek: Das, was uns letzte Woche in Nantes passiert ist, ist uns noch nie passiert. Wir wollten heute einiges wieder gutmachen, und das hat man uns angesehen. Wir sind nach einem Rückstand zurückgekommen und haben Moral gezeigt.
Aalborgs Trainer Stefan Madsen: Es ist immer ein Vergnügen, in dieser außergewöhnlichen Atmosphäre zu spielen. Wir wollten hier unbedingt gewinnen, und wir hatten bei plus drei auch die Chance dazu. Deshalb sind wir enttäuscht, nur einen Punkt mitnehmen zu können - auch wenn wir nach den letzten fünf Minuten ebenso glücklich mit diesem Punkt sein könnten. Es war ein gerechtes, faires Unentschieden.
THW-Topscorer Eric Johansson: Es war ein richtig hartes, großartiges Spiel - ein 60-minütiger Fight. Wir sind enttäuscht, heute nicht gewonnen zu haben. Aalborg ist es auch, also war es ein gerechtes Unentschieden. Wir hatten heute nicht die beste Abwehr und das beste Goalkeeping, wir müssen daran arbeiten, das zu verbessern.
Aalborgs Rückraumspieler Hendrik Möllgaard: Wir müssen lernen, groß zu träumen. Dafür sind wir in dieser Saison angetreten. Wir hatten gehofft, dass heute der Tag sein würde, an dem wir in dieser großartigen Atmosphäre gewinnen können. Wir hatten dazu die Möglichkeit, müssen am Ende aber glücklich sein, diesen einen Punkt gewonnen zu haben.