Unglaublich starke Defensive ebnet Zebras den Weg zum klaren Sieg gegen den HC Erlangen
Wer am Sonntagnachmittag den Weg in die Wunderino Arena gefunden hatte, dürfte sein Kommen nicht bereut haben: Der THW Kiel zeigte vor 2497 Zuschauern gegen den HC Erlangen erneut Spaßhandball erster Güte und war vor allen Dingen in der Anfangsphase auf Defensiv-Rekordjagd. Satte 15:38 Minuten kassierten die Kieler nach dem Anpfiff kein Gegentor, entnervten mit ihrer offensiven Abwehr und einem starken Niklas Landin den Gegner komplett. Am Ende ebnete die frühe 8:0-Führung den Weg zu einem klaren 34:24 (19:7)-Erfolg in der LIQUI MOLY Handball-Bundesliga, zu dem Niclas Ekberg (7/4) einmal mehr die meisten Tore beisteuerte, dieses Mal aber von Kapitän Domagoj Duvnjak mit ebenfalls sieben Treffern beinahe übertrumpft wurde.
Schweigeminute für die Ukraine
Der Handballnachmittag in Kiel begann mit einem eindrucksvollen Statement beider Mannschaften und der Fans - es wurde eine Schweigeminute für die Ukraine abgehalten. "Die Handball-Bundesliga, der THW Kiel und der HC Erlangen verurteilen jegliche Form von kriegerischen Handlungen und den russischen Angriff auf die Ukraine auf das Schärfste. Wir bekennen uns zu einem friedlichen Miteinander der Völker und zur Souveränität und Sicherheit von Staaten", wurde verlesen, während jeder in der Wunderino Arena in absoluter Stille verharrte. "Es gibt viel wichtigeres als Handballspielen in diesen Zeiten", sagte THW-Kapitän Domagoj Duvnjak nach der Partie, "gerade deshalb war es uns wichtig, dieses Zeichen zu setzen."
Zwei Ausfälle im Zebra-Kader
Am vergangenen Mittwoch konnte THW-Trainer Filip Jicha erstmals im Jahr 2022 auf seinen kompletten Kader zurückgreifen – ein Gefühl, dass gegen den HC Erlangen schon wieder Geschichte war. Nikola Bilyk konnte sich zwar warmmachen, fehlte aber mit einer muskulären Verletzung, die sich der Österreicher in den Schlusssekunden der EHF Champions League-Partie gegen Montpellier zugezogen hatte, und Rune Dahmke musste sich mit einer Corona-Erkrankung abmelden. Bei den Gästen verzichtete der ehemalige Kieler Raul Alonso auf einen Einsatz von Ex-Zebra-Torhüter Kim Sonne, sodass mit Alonso und Sebastian Firnhaber nur zwei ehemalige Schwarz-Weiße im Einsatz waren – und Bald-Kieler Petter Överby.
THW-Traumstart
Jicha verordnete seiner Mannschaft zum Start gegen den unbequem agierenden HC Erlangen eine offensive 3-2-1-Deckung, in der Dunjak wie gewohnt auf der Spitze wirbelte. Und diese wirbelte alle Erlanger Pläne für das Spiel in Kiel gehörig durcheinander. Die HCE-Passwege? Zugestellt. Torchancen durch den gefährlichen HCE-Rückraum? Durch die unfassbar schnellen Beine der Kieler Deckung kamen kaum Würfe auf das THW-Tor. Und wenn die Gäste einmal eine Lücke fanden, war da ja auch noch Niklas Landin, der sich schnell zum Alptraum des HCE-Angriffs entwickelte. Vorn nutzten die Kieler mit viel Spielfreude die Steilvorlage, die sie sich hinten selbst gegeben hatten. 1:0 Ekberg, 2:0 Sander Sagosen, 3:0 Pekeler nach Traum-Anspiel von Sagosen, 4:0 Duvnjak nach Traum-Parade von Landin gegen Firnhaber, 5:0 Zarabec mit einem Winkel-Kracher, 6:0 wenige Sekunden später nach fehlerhaftem HCE-Anwurf durch Weinhold, 7:0 Weinhold nach eigenem Steal und 8:0 durch Ekbergs zweiten verwandelten Siebenmeter - das Spiel war viel zu schnell für die Gäste, bei denen Alonso bereits nach zwölf Minuten die zweite Auszeit nahm.
Fast 16 Minuten ohne Gegentor
Fortan setzte der HCE-Coach auf den siebten Feldspieler, um das THW-Abwehrbollwerk zu knacken. Doch es brauchte eine Zeitstrafe für Duvnjak, um zum ersten Torerfolg zu kommen: Nach 15:38 Minuten traf Hampus Olsson zum 1:8, erst zehn Minuten später sollten die Gäste erstmals in dieser Partie zwei Treffer in Folge erzielen. Da war der THW Kiel, der durch Duvnjak auch zu leichten Treffern aufs verwaiste Tor kam, bereits auf 16:4 enteilt. Das 6:16 durch Olssons Pirouetten-Wurf sollte trotz allem das schönste Tor der Partie bleiben, auch wenn die Zebras weiter zauberten und auch die letzten Sekunden der ersten Hälfte noch für zwei Treffer durch Sagosen und Duvnjak nutzten: 19:7 zur Pause - mehr als eine Vorentscheidung.
Kontrolle mit Höhepunkten
Auch, weil die Schwarz-Weißen weiter konzentriert aus der Kabine kamen, nach einer Landin-Parade gegen Zechel durch Sagosen auf 20:7 erhöhten. Der unbedingte Vorwärts-Drang der ersten 30 Minuten wich nun einem kontrollierten Kieler Spiel mit weiteren Höhepunkten: So hielt Landin erst gegen Büdel und dann gegen Överby, der insgesamt drei Treffer erzielte, dann schraubte Pekeler einen wunderschönen Dreher an Ziemer vorbei zum 26:13 in die Maschen (42.), zeigte Ekberg beim exakt getimten Siebenmeter-Heber zum 28:16 sein feines Händchen, bediente Duvnjak mit einem seiner berühmten No-Look-Pässe Wiencek zum 30:18, ehe es der Kapitän mit seinem 107-km/h-Wurf zum 31:20 noch einmal richtig krachen ließ. Längst hatte Jicha in den Energie-Verteilungsmodus geschaltet, brachte Ciudad am Kreis und ließ Pavel Horak im Rückraum ran: Der inzwischen 39 Jahre alte Tscheche sorgte mit seinem Hüft-Wurf zum 34:22 für ausgelassenen Jubel auf der Kieler Bank und setzte damit einen schwarz-weißen Schlusspunkt hinter einen insgesamt starken Auftritt im siebten Spiel binnen 21 Tagen.
Kieler gehen wieder auf Reisen
Nach zuletzt zwei Heimspielen in Folge geht der THW Kiel jetzt wieder auf Reisen: Am Donnerstag (20:45 Uhr, live bei DAZN und ServusTV Deutschland) geht es in der Arena Zagreb um zwei wichtige Zähler im Kampf um die ersten beiden Gruppen-Plätze in der EHF Champions League. Und am Sonntag steht die weiteste Reise in der LIQUI MOLY Handball-Bundesliga an: Die Partie beim HBW Balingen-Weilstetten wird um 16 Uhr angepfiffen. Das nächste Heimspiel steht am 10. März auf dem Programm: Für die Begegnung gegen den HC Meshkov Brest gibt es unter www.thw-tickets.de und in der THW-FANWELT noch Karten in allen Kategorien im freien Vorverkauf. Weiter geht’s in Zagreb, Kiel!
Fotos: Sascha Klahn
LIQUI MOLY Handball-Bundesliga, 22. Spieltag: THW Kiel – HC Erlangen: 34:24 (19:7)
THW Kiel: N. Landin (1.45., 13 Paraden), Quenstedt (45.-60., 3 Paraden); Ehrig, Duvnjak (7), Sagosen (4), Reinkind (3), M. Landin (2), Weinhold (2), Wiencek (3), Ekberg (7/4), Ciudad, Zarabec (2), Horak (2), Bilyk (n.e.), Pekeler (2); Trainer: Jicha
HC Erlangen: Ziemer (22.-60., 3 Paraden), Ferlin (1.-22., 4/1 Paraden); v. Gruchalla, Jaeger, Överby (3), Fäth, Firnhaber (4), Büdel (3), Bissel (1), Metzner (2), Link, Jeppsson (5/1), Steinert (1/1), Leban, Olsson (5), Zechel; Trainer: Alonso
Schiedsrichter: Colin Hartmann / Stefan Schneider
Zeitstrafen: THW: 2 (Duvnjak (16.), Wiencek (17.)) / HCE: 1 (Steinert (18.))
Siebenmeter: THW: 5/4 (Ferlin hält Ekberg (14.)) / HCE: 2/2
Spielfilm: 8:0 (15.), 8:1 (16.), 10:2 (18.), 13:2 (20.), 14:4, 16:4 (24.), 16:6, 17:7 (28.), 19:7;
20:7 (31.), 23:10 (35.), 27:14 (42.), 27:16 (44.), 30:20 (54.), 32:20, 33:21 (57.), 34:24.
Zuschauer: 2497 (Wunderino Arena, Kiel)
Stimmen zum Spiel:
THW-Trainer Filip Jicha: Ich ziehe meinen Hut vor meiner Mannschaft, mir macht es richtig Spaß, den Jungs beim Handballspielen zuzugucken. Heute hat sich der Gegner zum zweiten Mal in Folge für unsere „falsche Seite“ in der ersten Halbzeit entschieden, und zum zweiten Mal in Folge sind wir überragend in die Partie gestartet. Vielleicht sollte man sich überlegen, diese altwehrwürdige Tradition einmal zu wechseln (lacht). Zurück zum Spiel: Wir wollten offensiv beginnen, um Erlangen, das gegen eine 6-0 stark spielt, vor eine neue Aufgaben zu stellen und auch, um in meiner Mannschaft einen neuen Impuls zu setzen. Dass die Jungs das dann so umsetzen, war ein Bonus. Die ersten 18 Minuten waren überragend, auch danach haben wir noch sehr gut gespielt. Niklas Landin hatte vor dem Spiel über leichte Magenkrämpfe geklagt, und dann zeigt er diese klasse Leistung. Rune und Niko haben uns heute gefehlt, Patrick war angeschlagen – diese Leistung heute und in den vergangenen Wochen macht mich stolz. Wir wissen aber, dass dieser Spaß, den die Jungs haben, relativ zerbrechlich sein kann. Deshalb müssen wir weiter hart arbeiten, denn schon am Donnerstag wartet das nächste schwere Spiel auf uns. Zu guter Letzt möchte ich mich heute bei jedem einzelnen Zuschauer bedanken, der in die Arena gekommen ist, um unsere Mannschaft zu unterstützen. Unsere Mannschaft braucht aktuell jede Stimme, und deswegen war ich froh über jeden einzelnen Fan.
HCE-Trainer Raul Alonso: Glückwunsch an den THW Kiel, das war heute eine sehr, sehr gute Leistung der Kieler mit höchster Qualität – gerade zu Beginn des Spiels. Wir haben unsere wenigen Torchancen in dieser Phase nicht nutzen können, so entsteht dann ein merkwürdiges Ergebnis. Das ist dann gegen diese Mannschaft und in dieser Halle auch mental sehr, sehr schwer. Aber: Wir haben eine Reaktion gezeigt, das Sieben-gegen-Sechs war eine Option, die eigentlich erst sehr viel später im Spiel gezogen hätte werden sollen. Aber wir haben früh kein anderes Mittel gefunden, um die THW-Abwehr zu knacken. In der zweiten Halbzeit haben wir dann auch nicht mehr so viele Empty-Goal-Tore bekommen, und der THW Kiel hat gut rotiert und in der Höhe verdient gewonnen. Ich nehme das gute Sieben-gegen-Sechs und den Umstand, dass wir nie aufgegeben haben, mit zurück nach Erlangen. Über die ersten 18 Minuten wird intern aber noch zu sprechen sein, so können wir uns nicht präsentieren.