KN: "Mein Herz hat 'Nein' zu Katar gesagt"
Dener Jaanimaa ist jetzt in jeder Hinsicht mittendrin
Treffen im Café Phollkomplex. Das passt, Jaanimaa ist ein urbaner Typ: enge schwarze Jeans, schwarzes Shirt, schwarze Mütze - nordisches Understatement. Der blonde 1,85-Meter-Mann mit dem furchteinflößenden linken Oberarm sinkt tief in das Sofa. "Ich bin ein Großstadt-, aber kein Partymensch. Ich ziehe eine gute Bar einer lauten Disco vor." Vor der Haustür fällt Jaanimaa direkt in die Kieler "Zappelgasse", aber von Kiel gesehen hat er noch nicht viel. Dabei ist er in Kiels Partnerstadt Tallinn geboren. Mit drei oder vier Jahren war er einmal in Kiel: Urlaub mit der Familie. Mama Jaanimaa konnte gar nicht so schnell reagieren, da hatte sich der kleine Dener schon mit einem Kindertraktor aus dem Staub gemacht. Jaanima lacht: "Den wollte ich wohl klauen." Die ersten internationalen Schritte im Handball machte der Linkshänder mit den "Chocolate Boys" in Tallinn. Ein Schokoladenfabrikant leistete sich den Klub als "Spielzeug", und die Schokoladen-Jungs schafften es bis in den EHF-Cup (2007) und den Europapokal der Pokalsieger (2008). Damals stand der Jungnationalspieler noch auf Gangsta Rap, liebte das Skaten, trug T-Shirts bis zu den Knien. Ein breites Grinsen, ein Zupfen an der Hose: "Heute ziehe ich den Rock'n'Roll vor, und die Hosen müssen eng sitzen." Dener schaffte den Absprung: nach Schweden, nach Aue in die Dritte Liga, später zum ThSV Eisenach in die Bundesliga und schließlich im Sommer 2015 zum HSV. Dann kam die Insolvenz, und Jaanimaa stand vor dem Nichts. Ein Angebot aus Katar flatterte ins Haus. Dabei ging es, so der Este, um "richtig, richtig viel Geld". Er machte einen Rückzieher: "Mein Herz hat 'Nein' gesagt. Geld ist nicht alles. Vielleicht in zehn Jahren oder so." Er riskierte viel. Bundesliga-Vereine hatten angeklopft, dann öffnete sich durch Weinholds Verletzung die Tür nach Kiel. Die anderen Vereine wollten eine schnelle Entscheidung, doch Jaanimaa sagte ab, ohne zu wissen, ob es mit einem Engagement bei den Zebras klappen würde: "Jetzt oder nie, der THW meldet sich nur einmal im Leben." Und wenn er vereinslos gewesen wäre? "Dann wäre das eben so gewesen." So oft er kann, fliegt Jaanimaa nach Tallinn ("Wunderschön") zu seinen Eltern und seiner Schwester. Auf dem Rückweg hat er viele Bücher im Gepäck. Er erzählt unaufgeregt, authentisch. Herz und Kopf sind im Gleichgewicht. In Hamburg musste sich Jaanimaa hinter Adrian Pfahl anstellen, wartete auf seine Chance. In Kiel steht Marko Vujin vor ihm. "Vorher in Aue oder Eisenach war ich gesetzt. In Hamburg saß ich auf einmal auf der Tribüne und wusste: Ich muss kämpfen, um mich durchzusetzen. Da bin ich enorm gewachsen." Er, der vor seinem Kreuzbandriss eher ein "Shooter" war und seit der Verletzung viel Kraft in das Beintraining gelegt hat. Jetzt ist Jaanimaa ein Kontaktspieler, wie er im Buche steht. "Ich liebe das", sagt der Mann aus dem Baltikum, der mit viel Dankbarkeit auf seine Zeit in Hamburg zurückblickt. "Wir haben drei Monate kein Geld bekommen und trotzdem jedes Spiel gewonnen. Einen solchen Teamgeist werde ich vielleicht nie mehr erleben." Aue, Eisenach, Hamburg, Dreiecksplatz: Junggeselle Jaanimaa ist mittendrin. Sein Bester Freund: das Fahrrad. "Ich bin in Hamburg viel mit dem Fahrrad gefahren, kann nicht sehr gut zu Hause sitzen." Aufs Herz gehört, dem Geld einen Korb gegeben, mitten in Kiel gelandet. Was kommt danach, Dener Jaanimaa? "Im Handball geht alles so schnell. Ich habe mir abgewöhnt, zu weit zu denken." Fehlen nur noch die Fotos: Bereitwillig stellt sich Jaanimaa auf den Dreiecksplatz im Herzen der Stadt. Bis zum Rathausplatz ist es nur ein Katzensprung. (Von Tamo Schwarz, aus den Kieler Nachrichten vom 26.02.2016, Foto: Archiv/Sascha Klahn)